Newsletter Nr. 19/2010 (01.10.2010)
Inhalt
- Meldungen aus der Bürgergesellschaft
- Im Fokus: Die Zukunft der Bürgerbeteiligung – Herausforderungen, Trends, Methoden
- Publikationen und Veranstaltungen
Meldungen aus der Bürgergesellschaft
Volksentscheids-Ranking 2010
Der Verein Mehr Demokratie hat Ende September das Volksentscheids-Ranking 2010 vorgestellt. Das Ranking vergleicht die gesetzlichen Regelungen der Bundesländer für Bürgerbegehren (kommunale Ebene) und Volksbegehren (Landesebene). Neuer Spitzenreiter des Volksentscheids-Rankings ist Hamburg, gefolgt von Berlin. Schlusslicht ist das Saarland. Größter Gewinner des aktuellen Rankings ist Thüringen, das sich durch umfassende Reformen auf kommunaler Ebene auf Platz 4 verbessern konnte. Die Unterschiede zwischen den Bundesländern sind auch bei der direktdemokratischen Praxis erheblich. In zehn der 16 Bundesländer gab es noch nie einen Volksentscheid, Bayern und Hamburg erlebten hingegen bereits jeweils sechs Volksentscheide. Auch bei Bürgerbegehren weisen die Bundesländer starke Unterschiede auf. So verzeichnet Bayern rund 40 Prozent aller direktdemokratischen Verfahren auf kommunaler Ebene. Seit der Einführung 1995 wurden dort 1.759 Initiativen neu gestartet, die zu 995 Bürgerentscheiden führten. Zum Vergleich: Im Saarland gab es seit der Einführung 1997 gerade einmal 14 Bürgerbegehren.
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Länderspiegel Bürgerstiftungen
Zum bundesweiten Tag der Bürgerstiftungen legt die Aktive Bürgerschaft e.V. erneut einen Länderspiegel vor. Dabei wird deutlich, dass sich mittlerweile fast 300 Bürgerstiftungen für Jugend, Bildung, Kultur, Umwelt oder andere gemeinnützige Anliegen in ihrer Stadt, Gemeinde oder Region einsetzen. Die meisten Bürgerstiftungen sind mit einer Bürgerstiftungsdichte von 6,8 Bürgerstiftungen pro eine Million Einwohner in Baden-Württemberg angesiedelt. Es folgen Niedersachsen (5,9) und Nordrhein-Westfalen (4,5). Unter den ostdeutschen Bundesländern liegt Thüringen mit 2,6 Bürgerstiftungen auf eine Million Einwohner vorn.
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Aktionsplan Zivile Krisenprävention
Im Juni 2010 hat die Bundesregierung den 3. Umsetzungsbericht zum Aktionsplan »Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung« vorgelegt. Anlässlich der Diskussion dieses Berichtes in dem Bundestags-Unterausschuss »Zivile Krisenprävention und Vernetzte Sicherheit« haben die Plattform Zivile Konfliktbearbeitung und das Forum Menschenrechte eine kritische Stellungnahme vorgelegt. Sie vermissen ein zukunftsorientiertes Gesamtkonzept zur Entwicklung der zivilen Krisenprävention. In dem im Bericht verankerten Leitbild der »vernetzten Sicherheit« sind zivile Akteure und Handlungsbereiche zunehmend von einer militärischen Logik von Intervention und Krisenreaktion betroffen. Daher fordern die beiden Organisationen ein Leitbild, das dem Primat des Zivilen wirklich folgt und auch die entsprechenden Ressourcen und Konzepte zur Verfügung stellt.
Zur Stellungnahme (PDF)
Nationales Programm zum EJF 2011
Das Nationale Programm zum Europäischen Jahr der Freiwilligentätigkeit 2011 (EJF) ist verabschiedet. Das Programm benennt die Prioritäten und inhaltlichen Schwerpunkte für die Umsetzung des EJF in Deutschland. Mit dem EJF soll beispielsweise die Anerkennungskultur für Freiwillige und bürgerschaftliches Engagement in der Gesellschaft gestärkt sowie die Unterstützung, Vernetzung und Kooperation der Akteure verbessert werden. Zugleich soll eine Intensivierung des Austauschs mit Verbänden und Organisationen der Zivilgesellschaft zur Verbesserung des Umfelds für Freiwillige und bürgerschaftliches Engagement erreicht werden. Ein besonderer Fokus liegt auf generationsübergreifenden Aktivitäten. Acht Projekte wurden als Teil des Nationalen Programms ausgewählt und erhalten eine Zuwendung aus Mitteln des EJF. Das Nationale Programm wurde von der eigens für das EJF eingerichteten Nationalen Koordinierungsstelle im BMFSFJ und der Geschäftsstelle bei der BAGFW erarbeitet. Das Programm muss noch von der Europäischen Kommission angenommen werden.
Das Nationale Programm im Wortlaut (PDF)
Die deutschen EJF-Projekte im Überblick (PDF)
Online-Dialog zur Nachhaltigkeit
Die Bundesregierung wird die nationale Nachhaltigkeitsstrategie fortschreiben und Anfang 2012 einen Fortschrittsbericht vorlegen. Im Rahmen dieses Prozesses findet vom 27.September bis 14. November 2010 ein Bürgerdialog im Internet statt. Alle interessierten Bürgerinnen und Bürger können auf dem Dialogportal Vorschläge machen, welche Themen ihrer Meinung nach Aufnahme in den Bericht finden sollen. Die Ergebnisse des Dialogs fließen in den Entwurf des Fortschrittsberichts ein, der dem Bundeskabinett zur Verabschiedung vorgelegt wird. Im Vordergrund der aktuellen Diskussionsphase stehen die Themen »nachhaltiges Wirtschaften« und »Wasser«, da die Bundesregierung diesen Themen aktuell besondere Bedeutung zumisst. Die Bundesministerien erarbeiten unter Berücksichtigung des Bürgerdialogs den ersten Entwurf des neuen Fortschrittsberichts. Dieser Text wird im Sommer 2011 ebenfalls ebenfalls zur Diskussion gestellt werden.
Im Fokus: Die Zukunft der Bürgerbeteiligung – Herausforderungen, Trends, Methoden
Perspektiven für die Bürgerbeteiligung auf lokaler Ebene
Wenn es um die Partizipation in gesellschaftlichen Organisationen geht, kann man die bürgerschaftliche Seite nicht ohne die institutionelle betrachten. Beide Seiten gehören zwingend zueinander und befinden sich in einem wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis. Bürgerbeteiligung ist ein interaktiver Prozess, der unter Bürger/innen oder zwischen Bürger/innen und Organisationen stattfindet. Die Beteiligung von Bürger/innen am Organisationshandeln setzt jedoch voraus, dass Institutionen Partizipationsräume schaffen und sich gegenüber Bürgervorschlägen responsiv verhalten. Umgekehrt benötigt eine Organisation, die sich stärker zur Zivilgesellschaft hin öffnet, Bürger/innen, die ihre Kompetenzen und ihr Wissen einbringen können und wollen. Erfolgreiche Bürgerbeteiligung in Organisationen hängt demnach auch von den Partizipationsressourcen der Bürgerschaft und nicht nur von den institutionellen Beteiligungsangeboten ab. Dr. Brigitte Reiser, Beraterin von Nonprofitorganisationen, beschreibt in ihrem Gastbeitrag, wie die Demokratisierung der Interaktion zwischen Bürger/innen und Organisationen auf örtlicher Ebene gelingen kann. Für sie ist klar: dem Dritten Sektor, also der Gesamtheit von Nonprofit-Organisationen auf lokaler Ebene, kommt eine Schlüsselrolle bei der Weiterentwicklung der Bürgerbeteiligung zu.
Bürgerbeteiligung für Menschen mit geistiger Behinderung
Die Förderung von Bürgerbeteiligung, bürgerschaftlichem Engagement und Gemeinwesenarbeit wird auf kommunaler Ebene immer wichtiger. Diese beteiligungsorientierte Entwicklung macht auch vor einer Bevölkerungsgruppe nicht halt, die traditionell aus aller Bestimmung über die eigenen Angelegenheiten quasi »per definitionem« ausgegrenzt war: Menschen mit Behinderungen. Die örtliche Teilhabeplanung für Menschen mit Behinderung ist mittlerweile in vielen Kommunen fester Bestandteil der Politik. Vor diesem Hintergrund erläutert Lothar Heusohn, Leiter der Akademie für Bürgerschaftliches Engagement und Gemeinwesenarbeit an der VHS Ulm, in seinem Gastbeitrag, warum Behinderung kein Grund ist, davon betroffene Menschen von gesellschaftlicher und politischer Partizipation auszuschließen. Daneben stellt er das aus Mitteln der EU geförderte Kooperationsprojekt »Gemeinsam! Aktive Bürgerbeteiligung für Menschen mit geistiger Behinderung« vor, an dem Einrichtungen aus Deutschland, den Niederlanden, Rumänien, Schweden und Spanien teilgenommen haben.
Urbane Jugendkulturen und Stärkung des Gemeinwesens
Urbane Jugendkulturen bergen ein großes Potential und können als Anknüpfungspunkt zur politischen Auseinandersetzung, Meinungsbildung und Gewalt- und Extremismus-Prävention dienen. Die Initiative cultures interactive e.V. (CI) hat mit diesen Ansatz in mehreren ostdeutschen Bundesländern gearbeitet und dabei auch Jugendliche in strukturschwachen Regionen und bildungsfernen Milieus erreicht. Der Spaß am Erlernen von jugendkulturellen Fertigkeiten wird mit systematischer politischer Bildung verbunden und mündet in praktische Anleitung zur Teilnahme am kommunalen und politisch-demokratischen Leben. Im Projekt Kulturräume2010 wurde in mehreren Regionen mit Methoden wie Schulprojekttagen Open spaces, Sozialraumkonferenzen und Zukunfstwerkstätten gearbeitet. Mitarbeiter/innen aus der Initiative cultures interactive stellen diese Arbeit in ihrem Gastbeitrag vor. Damit aus solchen Projekten ein nachhaltiger Beteiligungsprozess entstehen kann, sind engagierte »Stützungspersonen oder -institutionen« wichtig. Die Erfahrung des Projektes zeigt auch, dass die Überzeugungsarbeit und der Aufwand an kommunaler Strukturbildung oft unterschätzt wird.
Die Zukunft der Bürgerbeteiligung
Vom 24. - 26. September 2010 fand die dies diesjährige Tagung »Forum für Bürgerbeteiligung und kommunale Demokratie« statt. Die Tagung stand unter dem Thema »Die Zukunft der Bürgerbeteiligung, Herausforderungen - Trends - Methoden« und wurde von der Stiftung MITARBEIT zusammen mit der Evangelischen Akakdemie Loccum durchgeführt. Im Mittelpunkt standen Fragen nach Hindernissen und Fallstricken kommunaler Beteiligung sowie zukunftsweisende Ansätze und eine intensive Diskussion der Entwicklungschancen von Beteiligung in unserer Gesellschaft. Die Gastbeiträge in diesem Newsletter-Fokus basieren auf Beiträgen aus der Tagung, weitere Präsentationen sind auf der Website der Stiftung MITARBEIT zugänglich. Im Frühjahr 2011 erscheint das Buch zur Tagung »Die Zukunft der Bürgerbeteiligung: Herausforderungen, Trends, Methoden« mit Beiträgen der Referent/innen und anderer Expert/innen aus dem Bereich der Bürgerbeteiligung.
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Publikationen und Veranstaltungen
Publikation: Jugend - Medien - Kultur
Lebenswelten Jugendlicher sind immer stärker medial geprägt. Besonders Kommunikation scheint zu einem großen Teil durch Mail, Chats und Networks digital geworden zu sein. Wie erleben Jugendliche diese Kommunikation? Wie funktioniert sie tatsächlich? Und welche (pädagogischen) Implikationen bringen diese Entwicklungen mit sich? Diesen Fragen gehen die Autor/innen der Publikation zu medienpädagogischen Konzepten nach. Im zweiten Teil der Handbuches wird aber auch die praktische Seite der Medienwelten von Jugendlichen - aber auch von Kindern und Erwachsenen - beleuchtet. Die Preisträgerinnen und Preisträger des Dieter Baacke Preises 2009, der jährlich herausragende medienpädagogische Projekte auszeichnet, stellen ihre Ansätze, Ideen und Ergebnisse vor, berichten von ihren Erfahrungen und geben Anregungen.
Jürgen Lauffer / Renate Röllecke (Hrsg.): Medienpädagogische Konzepte und Projekte
München, 2010, 153 S., 16,00€
ISBN-10 3-86736-102-9, ISBN-13 978-3-86736-102-6
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Rezension bei der Stiftung Digitale Chancen
Publikation: Trainer-Leitfaden »Strategie wagen«
Ob örtlicher Sport- und Kulturverein, bundesweiter Naturschutzverband, soziale Hilfseinrichtung, Stiftungen oder Interessenverbände – sie alle sind von rasanten Veränderungen in ihrem Umfeld betroffen. Viele zivilgesellschaftliche Organisationen erkennen, dass sie ihre Zielgruppen, Spender und Förderer heute nicht mehr mit den gleichen Maßnahmen erreichen, die sich über viele Jahre bewährt haben. Strategien zur Organisation von Veränderungsprozessen sind gefragt. Wie gelingt es den Organisationen, Entwicklungsprozesse strategisch und langfristig anzugehen? Welche Strategie ist die richtige, um gemeinsam mit Partnern gesellschaftliche Veränderungsprozesse voranzubringen? Was sind die entscheidenden Faktoren, die Veränderungsprozesse zum Erfolg führen? Die Bertelsmann Stiftung hat Materialien für einen einfachen Einstieg in die Strategiearbeit erstellt. Der Leitfaden für einen eintägigen Workshop sowie die Zusatzmaterialien für Trainer/innen und Teilnehmer/innen stehen kostenlos als Download zur Verfügung.
Bertelsmann Stiftung (Hrsg.): Strategie wagen. Trainer-Leitfaden: Workshop für Veränderungsprozesse in nichtstaatlichen und gemeinnützigen Organisationen
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Veranstaltungshinweise
Zahlreiche Veranstaltungen sind im Veranstaltungskalender des Wegweisers Bürgergesellschaft zu finden. Besonders hinweisen möchten wir dieses Mal auf:
• 8.11. 2010 in Berlin: Altersbilder und Engagement in der Zivilgesellschaft
Ein Kongress der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen e.V.
• 11. - 13. November 2010 in Magdeburg: Kinder und Jugendliche mischen mit.
Ein Seminar der Stiftung MITARBEIT zu Methoden und Verfahren der Kinder- und Jugendbeteiligung