eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 04/2017 (26.04.2017)
Inhalt
- Meldungen aus der Bürgergesellschaft
- Im Fokus: Bürgerbeteiligung in Planungsprozessen
- Publikationen und Veranstaltungen
Meldungen aus der Bürgergesellschaft
Zweiter Engagementbericht der Bundesregierung
Ende März 2017 hat das Bundeskabinett den Zweiten Engagementbericht der Bundesregierung beschlossen. Der Schwerpunkt des etwa 600 Seiten umfassenden Berichts liegt auf den Herausforderungen des demografischen Wandels, die besonders häufig von lokalen Engagementstrukturen aufgefangen werden. Es wird deutlich: die Mitverantwortung der Bürgerinnen und Bürger nimmt zu. Der Bericht betont dabei die Selbstverantwortung und die Freiwilligkeit des Engagements, das nicht funktionalisiert werden darf. Ein aktiver Staat, engagementförderliche Strukturbedingungen auf regionaler und lokaler Ebene, Engagementpolitik als Querschnittsaufgabe sowie Regierungs- und Verwaltungshandeln im Sinne von »Good Governance« fördern und stärken die Vielfalt des Engagements. Vor allem im Bereich der Daseinsvorsorge und im Leitbild der Bürgerkommune gehören zudem politische Beteiligung und Engagement zusammen. Der Zweite Engagementbericht enthält empirische Befunde, Daten und Trends und greift zugleich zentrale gesellschaftliche Debatten auf. Er wurde von einer zehnköpfigen Sachverständigenkommission verfasst und liegt auch in einer Kurzfassung vor.
Die Kurzversion im Wortlaut (PDF)
Die Langversion im Wortlaut (PDF)
Studie: Willkommenskultur im Stresstest
Die Willkommenskultur in Deutschland hat ihren ersten großen »Stresstest« bestanden, aber deutliche Kratzer abbekommen: Zu diesem Urteil kommt eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung. Darin vergleicht sie die Einstellungen der Bevölkerung in Deutschland rund um die Themen Zuwanderung und Migration von 2011 bis heute. Ein zentrales Ergebnis der Umfrage ist, dass sich Deutschland als offene Einwanderungsgesellschaft vor allem in Hinblick auf studierende oder hier arbeitende Fachkräfte präsentiert. Auffällig ist, dass junge Erwachsene unter 30 Jahren eher bereit sind, weitere Flüchtlinge aufzunehmen und sie die Auswirkungen von Einwanderung positiver und gelassener betrachten als ältere Befragte. Im Osten Deutschlands ist die Zustimmung zu Einwanderung in der Bevölkerung anhaltend geringer als im Westen, diese Schere geht im Vergleich zu früheren Umfragen noch weiter auseinander. Die Aufnahme von Flüchtlingen bewerten viele Menschen im Nachhinein als große Leistung, sehen aber nun Belastungsgrenzen erreicht. Die Autoren der Studie geben auch Empfehlungen, was zu tun ist, damit Deutschland eine offene Gesellschaft bleibt. Demnach solle die Aufnahmebereitschaft und –fähigkeit in den Kommunen weiter gestärkt, die Integrationsbemühungen ausgebaut, Konkurrenzsituationen konstruktiv bearbeitet und gerade auf europäischer Ebene Migration besser gesteuert werden.
Transfercamp #SogehtVielfalt: Nachbarschaftsprojekte zum Nachmachen
Das Förderprogramm »Werkstatt Vielfalt - Projekte für eine lebendige Nachbarschaft« unterstützt lokale Praxisprojekte, die Brücken zwischen Lebenswelten junger Menschen bauen und Vielfalt im Stadtteil gestalten. Ab sofort fördert die »Werkstatt Vielfalt« ebenso den Transfer gelungener Projektideen aus dem Programm an neue Orte. Am 21. Juni 2017 findet dazu das Transfercamp #SogehtVielfalt in Köln statt. Projektemacher/innen und Neugierige sind herzlich eingeladen, sich mit ihren Ideen zu beteiligen. Die Veranstaltung wird als Barcamp organisiert. Vor Ort stellen sich besonders gelungene Projekte aus dem Förderprogramm vor. Teilnehmende haben außerdem die Möglichkeit, ihre eigenen Projektideen zu diskutieren, deren Machbarkeit auszuloten und Erfahrungen auszutauschen. Vertreter des Förderprogramms »Werkstatt Vielfalt« beantworten außerdem vor Ort Fragen rund um eine Förderung und den Transfer von Projektideen. Anmeldungen sind ab sofort möglich.
UPJ: Rückblick auf Jahrestagung
Klimawandel, Flucht und Migration, brüchiger gesellschaftlicher Zusammenhalt oder Digitalisierung – angesichts vieler einschneidender Veränderungen steht auch das gesellschaftliche Engagement von Unternehmen vor neuen Herausforderungen. Doch wie können sich Unternehmen in dieser Welt im Umbruch verantwortlich positionieren, wie profitiert die Gesellschaft davon und welchen Beitrag können sektorenübergreifende Kooperationen zur Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen leisten? 350 Teilnehmende aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Politik, Verwaltung und Medien diskutierten Ende März 2017 in Berlin aktuelle Herausforderungen für Unternehmensverantwortung und -engagement. Die Dokumentation der diesjährigen UPJ-Jahrestagung steht ab sofort zum Abruf bereit.
DBT: Fachgespräch zum Thema Gemeinnützigkeitsrecht
Gemeinnützige Organisationen spielen für das bürgerschaftliche Engagement eine wichtige Rolle. Die derzeitige Form des Gemeinnützigkeitsrechts stößt jedoch bereits seit längerer Zeit bei den Betroffenen auf Kritik (vgl. Ausgabe 1/2017). Vor diesem Hintergrund widmete sich im März 2017 der Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement des Deutschen Bundestages in einer öffentlichen Sitzung der Weiterentwicklung dieses Rechtsbereichs, vor allem des Steuerrechts. Die drei geladenen Experten waren sich einig, dass der steuerliche Gemeinnützigkeitskatalog unvollständig ist und machten Vorschläge, wie der Katalog sinnvoll erweitert werden könne. Ziel müsse es sein, dass Vereine, die sich beispielsweise an der politischen Willensbildung beteiligen, nicht länger Gefahr laufen, ihre Gemeinnützigkeit zu verlieren. Die Abgeordneten stellten in der Anhörung zahlreiche Fragen, beispielsweise zur Abgrenzung von Parteien und Gemeinnützigen, zum Umgang mit verfassungsfeindlichen Organisationen, zu einem fehlenden Gemeinnützigkeits-Register und zur uneinheitlichen Anerkennungspraxis durch die Finanzämter. Das Protokoll der zweistündigen Anhörung liegt nun vor.
Das Dokument im Wortlaut (PDF)
Projekt: Transparenz-leicht-gemacht©
Der Deutsche Spendenrat e.V. möchte mit einem neuen Angebot zivilgesellschaftliche Akteure im gemeinnützigen Sektor auf ihrem Weg zu mehr Transparenz unterstützen und das Feld der strukturiert und transparent geführten Organisationen vergrößern. Das Projekt »Transparenz-leicht-gemacht« versteht sich als Empowermentprojekt und bietet ein bundesweites Schulungsprogramm, kostenlose Tagesberatungen durch Wirtschaftsprüfer sowie einen Selbsttest im Internet. Zentrale Themen sind dabei Rechnungslegung und Organisationsstruktur und ihre Bedeutung im Gemeinnützigkeitsrecht. Diese Themen sind für viele Vereine und Organisationen angesichts der gestiegenen Anforderungen an die Professionalität bei der Erstellung von transparenten Finanzdaten wichtig. Ebenso sind freiwillige und ehrenamtlich Tätige beim Aufbau professioneller und seriöser Organisationsstrukturen stark gefordert. Das Projekt wird gefördert durch das Bundesfamilienministerium und die Mitgliedsorganisationen des Deutschen Spendenrats.
Im Fokus: Bürgerbeteiligung in Planungsprozessen
Das 3x3 einer guten Öffentlichkeitsbeteiligung bei Großprojekten
Es ist kein Geheimnis, dass die Kommunikations- und Beteiligungspraxis bei vielen Großprojekten verbesserungswürdig ist. Stephanie Bock und Bettina Reimann haben im Rahmen einer Studie untersucht, wie die Öffentlichkeitsbeteiligung bei umweltrelevanten Vorhaben inhaltlich weiterentwickelt und ihre Transparenz, Verbindlichkeit und Kontinuität verbessert werden kann. Die dabei gewonnenen ambivalenten Erfahrungen bilden den Ausgangspunkt ihres Gastbeitrags. Die im Rahmen der Studie erzielten Ergebnisse sollen privaten und öffentlichen Vorhabenträgern, Genehmigungsbehörden, (Umwelt-)Verbänden sowie anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren einen Weg weisen, wie sich Öffentlichkeitsbeteiligung in Zukunft besser gestalten lässt.
Risikopartizipation bei komplexen Infrastrukturprojekten am Beispiel von Stuttgart 21
Selbst Jahre nach dem Schlichtungsverfahren schwelt die Auseinandersetzung um Stuttgart 21 weiter. Auf den ersten Blick geht es dabei um die Kosten des Projekts; im Kern ist die Triebfeder der anhaltenden Proteste aber die Auseinandersetzung um die Art und Weise demokratischer Teilhabe, meinen Paul Renner und Jan-Philipp Küppers. In ihrem Gastbeitrag blicken sie auf das Geschehen in Stuttgart aus der Perspektive der Risikopartizipation. Sie machen deutlich, wo die systemischen Risiken im Rahmen dieses Planungsprojekts und bei anderen städtebaulichen Großprojekten liegen und zeigen auf, welche Lehren daraus für die Gestaltung von Beteiligungsprozessen gezogen werden sollten.
Testen, testen, testen: Taktischer Urbanismus und Bürgerbeteiligung
Einwohnerinnen und Einwohner werden aus guten Gründen verstärkt in Planungsprozesse eingebunden. Aber wie kommen Fachplanung und Bürgerwissen am besten zusammen? Wie kann es gelingen, komplexe Fachprozesse so zu gestalten, dass die Bürgerinnen und Bürger mitgenommen werden und Lust haben, sich und ihre Ideen einzubringen? Britta Letz, Jan Korte und Katja Fitschen plädieren in ihrem Gastbeitrag dafür, im Stadtraum gemeinsam mit allen Akteur/innen mehr zu experimentieren. Dazu stellen sie den aus den USA stammenden Ansatz des »Taktischen Urbanismus« vor. Anhand von Praxisbeispielen aus Berlin und München schildern sie, wie durch eine zeitweise und provisorische Umgestaltung urbaner Räume Ideen für eine gewisse Zeit ausgetestet und damit neue Perspektiven eröffnet werden.
Bürgerbeteiligung in Bebauungsplanverfahren in Berlin
Das Land Berlin hat sich zum Ziel gesetzt, Bebauungsplanverfahren transparenter zu machen und Online-Beteiligung verpflichtend zu ermöglichen. Das ist auch deshalb wichtig, weil in Berlin stets mehrere Hundert Bebauungsplanverfahren parallel stattfinden. Vor diesem Hintergrund wissen Einwohnerinnen und Einwohner oftmals nicht, welche Verfahren aktuell laufen und an welchen sie sich beteiligen können. Um dies zu verbessern, wurde eine interaktive Übersichtskarte für alle Bebauungspläne entwickelt, die verschiedene Visualisierungsmöglichkeiten nutzt und die dazu dienen soll, Einwohner/innen und alle Interessierten über alle laufenden und festgesetzten Bebauungsplanverfahren auf einfache und übersichtliche Weise zu informieren. Swetlana Kibke und Jana Gähler zeigen in ihrem Gastbeitrag, welche Möglichkeiten die interaktive Übersichtskarte bietet und entwickeln gleichzeitig Ideen, wie sich Bürger/innen künftig noch direkter ansprechen und beteiligen lassen.
Publikationen und Veranstaltungen
Publikation: Degrowth in Bewegung(en)
Die im Buch versammelten 32 sozialen Bewegungen, alternativ-ökonomischen Strömungen und Initiativen suchen nach Alternativen zum vorherrschenden Wirtschaftsmodell. Sie fordern einen Paradigmenwechsel: weg vom Fokus auf Wettbewerb, Gewinnstreben, Ausbeutung und Wachstum – hin zu mehr Kooperation, Solidarität und einer Orientierung an konkreten Bedürfnissen. Es geht darum, die Bedingungen für ein gutes Leben für alle zu schaffen. Aber welche unterschiedlichen Wege für eine sozial-ökologische Transformation gibt es? Welche Hürden sind zu überwinden? Welche Gruppen sind beteiligt, wer macht was und wie ist das Verhältnis zueinander? Und welche Bündnisse sind möglich? Diesen Fragen gehen die Autor/innen des Buchs nach.
Konzeptwerk Neue Ökonomie e.V./DFG-Kolleg Postwachstumsgesellschaften (Hg.): Degrowth in Bewegung(en). 32 alternative Wege zur sozial-ökologischen Transformation. München 2017, 416 S., 22,95 Euro, ISBN 978-3-86581-852-2
Publikation: So schaffen wir das – Zivilgesellschaft im Aufbruch
In der Auseinandersetzung mit Flucht hat sich die deutsche Zivilgesellschaft neu aufgestellt. Zwischen 2015 und 2016 sind etwa 15.000 Projekte entstanden, in denen kreative Antworten auf die vielfältigen Herausforderungen der Zuwanderung gefunden wurden. Sie bilden eine Alternative zu Panikreaktionen, die den einzigen Umgang mit Flucht in Kontrollen und Abschreckung sehen. In diesem Band werden 90 beispielhafte Projekte dargestellt. Sie zeigen, welche Kraft zur Bewältigung von gesellschaftlichen Problemen in der gegenwärtigen Zivilgesellschaft zu finden ist – und welches Potenzial zu einem neuen Miteinander nicht nur im Umgang mit Zuwanderern, sondern auch innerhalb der Zivilgesellschaft steckt. Die Publikation wurde gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration.
Schiffauer, Werner / Eilert, Anne / Rudloff, Marlene (Hg.): So schaffen wir das – eine Zivilgesellschaft im Aufbruch. 90 wegweisende Projekte mit Geflüchteten. Bielefeld 2017, 344 S., 24,99 Euro, ISBN 978-3-8376-3829-5
Veranstaltungshinweise
Zahlreiche Veranstaltungen sind im Veranstaltungskalender des Wegweisers Bürgergesellschaft zu finden. Besonders hinweisen möchten wir dieses Mal auf:
15. - 19.5.2017 in Würzburg: Steckt Leben in unsere(r) Demokratie!? Politik im Wahljahr 2017
Eine Veranstaltung der Akademie Frankenwarte
9. - 10.6.2017 in Bielefeld: Texten für die Bürgerbeteiligung – Informieren. Aktivieren. Begeistern.
Ein Seminar der Stiftung Mitarbeit