eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 12/2023 (21.12.2023)
Inhalt
- Meldungen aus der Bürgergesellschaft
- Im Fokus: Forum für Demokratie und Bürgerbeteiligung 2023
- Publikationen
- Veranstaltungen, Seminare, Tagungen
- In eigener Sache
Meldungen aus der Bürgergesellschaft
Freiwilligenagenturen: »Engagement braucht keine Pflicht«
Die Einführung eines sozialen Pflichtdiensts für junge Menschen wird in Deutschland immer wieder kontrovers diskutiert. Für die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen e.V. (bagfa) steht fest: Eine Pflicht kann nicht so stark wirken, wie die Selbstwirksamkeitserfahrungen des freiwilligen Engagements. Deswegen spricht sich die bagfa klar gegen einen sozialen Pflichtdienst aus und setzt sich stattdessen dafür ein, Engagement in seiner Vielseitigkeit und in allen Bereichen der Gesellschaft langfristig und nachhaltig zu fördern. Alle Menschen, die sich engagieren, übernehmen Verantwortung für die Gesellschaft und fördern damit den Zusammenhalt. Entscheidend sei nicht, Pflichten durchzusetzen, sondern eine freiwillige Partizipation möglichst vieler Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft zu erreichen. Ziel müsse es sein, Bürger/innen eine freiwillige Selbstverpflichtung zum bürgerschaftlichen Engagement zu ermöglichen. Die bagfa gibt daher sechs Handlungsempfehlungen ab, um die engagementfördernde Infrastruktur in Deutschland zu stärken und bürgerschaftliches Engagement stärker in der Gesellschaft zu verankern.
ZiviZ-Diskussionspapier: Informelles Engagement
Protestbewegungen, Nachbarschaftsnetzwerke, Projektinitiativen: Freiwilliges Engagement wird immer häufiger in informellen Strukturen ohne feste Rechtsform ausgeübt. Doch was wissen wir eigentlich empirisch darüber, wer sich besonders häufig informell engagiert? Wie unterscheidet sich die Ausgestaltung des Engagements je nach organisationalem Kontext? Und was bedeutet das eigentlich für die Engagementförderung? In einer aktuellen Veröffentlichung untersucht ZiviZ im Stifterverband diese und weitere Fragen zur Rolle des organisationalen Kontexts von Engagement auf Grundlage von Daten des Deutschen Freiwilligensurveys.
Das Diskussionspapier im Wortlaut (PDF)
Arbeitswelt und Demokratie in Ostdeutschland
Erkennen Angestellte in ihrem Arbeitsleben partizipative Handlungsräume, korrelieren diese mit prodemokratischen sowie antirassistischen Standpunkten. Zu diesem Schluss kommt ein im Dezember von der Otto Brenner Stiftung (OBS) veröffentlichtes Arbeitspapier, in dessen Rahmen über 3.000 Ostdeutsche mit Hinblick auf subjektiv wahrgenommene Beteiligungsmöglichkeiten im Arbeitsalltag sowie ihr grundsätzliches Demokratieverständnis befragt wurden. Demnach sind Gewerkschaften und Betriebsräte zentrale Impulsgeber in beruflichen Beteiligungsprozessen. Angesichts antidemokratischer Entwicklungen besteht nach Ansicht der Autor/innen eine politische Verantwortung, betriebliche Mitbestimmung zu fördern. Das Arbeitspapier greift die Ergebnisse zur »industrial citizenship« der Leipziger Autoritarismus-Studie aus dem Jahr 2020 auf.
Das Arbeitspapier im Wortlaut (PDF)
Sächsischer Beteiligungspreis 2024
Mit dem »Sächsischen Beteiligungspreis« würdigt das Sächsische Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung ab 2024 herausragende Projekte im Bereich Bürgerbeteiligung, die als Vorbild für zukünftige Beteiligungsvorhaben im Freistaat dienen können. In drei Preiskategorien werden erfolgreiche Beteiligungsprojekte in Sachsen mit jeweils 10.000 Euro (Hauptpreis) ausgezeichnet: Kinder- und Jugendbeteiligung, Kommunales Beteiligungsvorhaben und Beteiligungsvorhaben eines zivilgesellschaftlichen Trägers. Mitmachen können alle Kommunen und Landkreise, sowie gemeinnützige zivilgesellschaftliche Träger in Form von juristischen Personen, wie beispielsweise Vereine, Verbände, Stiftungen oder gGmbHs mit Sitz in Sachsen. Bewerbungsschluss ist der 31. Januar 2024. Anschließend wählt eine Fachjury die drei Finalisten pro Kategorie aus. Vom 1. bis 31. März 2024 stimmen die Sächsinnen und Sachsen öffentlich über das Beteiligungsportal des Freistaats Sachsen über die Preisträger-Projekte ab.
Handreichung: »Toolbox für Xtopien«
Die »Toolbox für Xtopien« ist im Rahmen eines Forschungsprojekts entstanden, an dem u.a. das Deutsche Institut für Urbanistik beteiligt war. In dem von der Robert Bosch Stiftung geförderten Projekt hat das Forschungsteam die »Xtopie« als Konzept für die Zukunftsgestaltung entwickelt und deutschlandweit in der Praxis erprobt. Die Toolbox richtet sich an Menschen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen, die Zukunftsthemen aufgreifen und zu einer »demokratisierten Zukunftsgestaltung« beitragen möchten. Der Werkzeugkasten besteht aus einer Publikation, die Leser/innen zunächst ins Thema einführt und einige Xtopien beispielhaft vorstellt. Mit einer Schritt-für-Schritt-Anleitung und Checklisten lädt sie Zukunftsgestalter/innen praxisnah dazu ein, eigene Xtopien zu entwickeln. Dazu hat das Forschungsteam acht Tools erstellt, die auch als methodische Elemente in einem Gruppenprozess genutzt werden können – beispielsweise in Bildungskontexten, kulturellen Veranstaltungen oder in der Persönlichkeitsentwicklung. Fünf der acht Tools können auch von Einzelpersonen oder Familien in Eigenregie ausprobiert werden.
Qualitätskriterien für kooperative Demokratiebildung
In den vergangenen vier Jahren hat die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) im Rahmen des Kompetenznetzwerks »Demokratiebildung im Jugendalter« Qualitätskriterien kooperativer Demokratiebildung entwickelt. Diese wurden nun in einem digitalen Reflexionstool aufbereitet. Die Entwicklung verlief in einem partizipativen Prozess gemeinsam mit Jugendlichen, schulischen und außerschulischen Fachkräften sowie Vertreter/innen aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Politik. Basierend auf den Kriterien können sich die Nutzer/innen mit ihren Projekten in wenigen Schritten in einer Selbsteinschätzung verorten. Neben den Qualitätskriterien stellt das Angebot auch eine Vielzahl an hilfreichen Materialien und Arbeitshilfen von unterschiedlichen Organisationen zur Verfügung. Das bundesweite Netzwerk bündelt Kompetenzen, um demokratische Kultur und Strukturen sowie partizipative Ansätze in der schulischen und außerschulischen Bildung Jugendlicher zu stärken.
Im Fokus: Forum für Demokratie und Bürgerbeteiligung 2023
»Zukunft als Gemeinschaftsaufgabe«: Forum für Demokratie und Bürgerbeteiligung 2023
Klimakrise, Digitalisierung, soziale Ungleichheit, Krieg und Migration: Vor dem Hintergrund multipler Krisen haben die zahlreichen Teilnehmer/innen des diesjährigen »Forums für Demokratie und Bürgerbeteiligung« der Stiftung Mitarbeit im November in Bonn an drei Tagen intensiv diskutiert, wie wir den gesellschaftlichen Herausforderungen und Umbrüchen der Zukunft demokratisch und beteiligungsorientiert begegnen können. Die ausführliche Dokumentation der Tagung steht Anfang 2024 zur Verfügung.
Gesellschaft unter Druck: Strategien zum Umgang mit antidemokratischen Entwicklungen
In den letzten Jahren ist vielerorts eine vitale Zivilgesellschaft herangewachsen, die vor Ort in den Städten, Dörfern und Landkreisen hilft, die lokale Demokratie kontinuierlich weiterzuentwickeln und zu stärken. Zugleich versuchen seit einiger Zeit demokratiefeindliche und extremistische Akteure in allen Bundesländern mit zunehmender Aggressivität, diese gewachsene demokratische Basis vor Ort herauszufordern. Im Rahmen der Tagung wurde gezeigt, wie durch neue Kooperationen und Bündnisse die lokale Demokratie gestärkt werden kann und welche Strategien sich zum Umgang mit antidemokratischen Entwicklungen in der Praxis bewährt haben. Martin Rüttgers stellt die Ergebnisse des Workshops in seinem Gastbeitrag vor.
Das Klimabudget der Stadt Erlangen
Die ökologische Transformation und die Frage, wie sie demokratisch ausgestaltet werden kann, stand während der Tagung im Mittelpunkt verschiedener Workshops. Die Stadt Erlangen hat im Jahr 2019 als erste bayerische Kommune den Klimanotstand ausgerufen. In Zusammenarbeit mit der Abteilung für bürgerschaftliches Engagement hat das Umweltamt dann 2021 für 13 Stadtteil- und Ortsbeiräte das Förderprogramm Klimabudget aufgelegt. Ziel ist es, die Bevölkerung in den einzelnen Stadtteilen noch mehr für das Thema Klimaschutz zu gewinnen. Bettina Kottre berichtet über gelungene Beispiele, kritische Nachfragen und die Umsetzungsmechanismen bei der Realisierung des Projektes.
Der Solinger Trialog: Generationsübergreifendendes Gesprächsformat und kommunale Jugendbeteiligung
Solingen hat als erste Stadt in Nordrhein-Westfalen Jugendbeteiligung gesamtstädtisch verankert. Die Verzahnung von Jugend- und Bürgerbeteiligung sowie die Mitwirkung junger Menschen aus unterschiedlichen sozialen Zusammenhängen haben dabei eine zentrale Rolle gespielt. Ziel des 2017 gestarteten Modellprojekts »fYOUture – Wenn Demokratie leben lernt« war es, die Jugendlichen dazu zu ermuntern, kommunalpolitische Prozesse selbstbestimmt mitzugestalten. Zudem sollte modellhaft erarbeitet werden, wie Jugendbeteiligung in kommunale Strukturen überführt, verstetigt und verankert werden kann. Am Ende stand eine gesamtstädtische Strategie, die die Beteiligung junger Menschen in der Stadt absichert. Isolde Aigner und Evelyn Wurm beschreiben in ihrem Gastbeitrag das Projekt und den Weg hin zu verbindlichen Regelungen für die Jugendbeteiligung in Solingen.
Eine Lobby für die Dörfer: Die Dorfbewegung Brandenburg
Die Zukunft des Ländlichen Raums spielte im Rahmen der Tagung eine wichtige Rolle. Die »Dorfbewegung Brandenburg« hat als ehrenamtlich getragene Initiative schon viel auf die Beine gestellt. Unter anderem hat sie gemeinsam mit ihren Partnern das Format der »Regionalen Dörfertreffen« ins Leben gerufen, das viele Orte in Brandenburg miteinander ins Gespräch bringt und den konstruktiven Austausch über die ländliche Entwicklung fördert. Grit Körmer berichtet in ihrem Gastbeitrag über die Arbeit der Dorfbewegung Brandenburg, ihre Erfolge und bestehende Herausforderungen.
Publikationen
Publikation: Digitaler Wandel und Zivilgesellschaft
Im vorliegenden Sammelband geht es darum, die Bedeutung der Digitalisierung für das bürgerschaftliche Engagement und die Zivilgesellschaft auszuleuchten. Dies berührt zum einen die Entwicklung gemeinnütziger Vereine, Verbände und Initiativen bei ihrer Umstellung auf digitale Arbeitsweisen und Kommunikationswege. Zum anderen wird die damit verbundene gesellschaftspolitische Dimension herausgearbeitet. Die organisierte Zivilgesellschaft ist nicht nur passiv von der Digitalisierung betroffen, sondern kann selbst zur konstruktiv-kritischen politischen Gestaltungskraft im Digitalen Wandel werden. Dazu will dieses Buch einen Beitrag leisten.
Dana Milovanovic, Teresa Staiger, Serge Embacher (Hrsg.): Digitaler Wandel und Zivilgesellschaft. Positionen und Perspektiven. Frankfurt am Main 2023, 192 S., ISBN 978-3-7344-1533-3
Publikation: Vereint mit Potenzial
Dieses Sachbuch ist ein Leitfaden für Menschen, die zusammen mit anderen etwas bewegen wollen, zum Beispiel Gründer von Initiativen sowie Mitglieder und Führungskräfte in gemeinnützigen Organisationen. Es gibt Akteuren aussichtsreiche Strategien und Werkzeuge aus der Praxis an die Hand und unterstützt sie bei der erfolgreichen Umsetzung ihrer Ideen und Visionen. Neben einem Fahrplan für die Gründung und Führung von Organisationen liefert der Autor Tipps aus den Bereichen Kommunikation, Öffentlichkeitsarbeit, Leitbild-Gestaltung und Arbeiten in agilen Teams, um mit den jeweils vorhandenen Mitteln die gesetzten Ziele gut und wirksam zu erreichen.
Roland Gebert: Vereint mit Potenzial. Ein Wegweiser für Verantwortliche in gemeinnützigen Organisationen. Wiesbaden 2023, 190 S., ISBN 978-3-658-40589-2
Veranstaltungen, Seminare, Tagungen
Tagung: Gerechte Demokratie? Sozialökologische Transformation und Ressourcenverteilung
Ausgangspunkt der Tagung (18. und 19. Januar 2024 in Münster, Akademie Franz Hitze Haus) ist die Beobachtung, dass die Demokratie sich vielfältigen Herausforderungen gegenübersieht, nicht zuletzt mit Blick auf die sozial-ökologische Transformation und die gesellschaftliche Debatte um Nachhaltigkeit. Vor diesem Hintergrund müssen Gerechtigkeitsfragen adressiert sowie demokratische Verfahren mit Blick auf ihre Funktionsfähigkeit und Legitimation hinterfragt werden: Welche Form der Demokratie ist in welchen gesellschaftlichen und politischen Feldern notwendig und geeignet, aktuelle Aufgaben zu bearbeiten?
Veranstaltung: Machbar, Nachbar?! Ein Tag für regionale Lösungen aus der Mitte der Gesellschaft
Ist ein Ehrenamt nur etwas für Menschen mit viel Zeit? Wie finden und binden wir Engagierte? Sollten wir das Ehrenamt neu denken? Diese und weitere Fragen werden im Rahmen der durch das Bundesinnenministerium geförderten Veranstaltung (20. Januar 2024 in Blankenfelde-Mahlow) gemeinsam mit ehrenamtlich Engagierten aus Brandenburg und der Ostseeregion in einem interregionalen Austausch diskutiert.
In eigener Sache
In eigener Sache
Heute lesen Sie den letzten eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft im Jahr 2023. Damit geht erneut ein turbulentes Jahr zu Ende, das viele Menschen in Deutschland und der Welt vor große Herausforderungen gestellt hat. Die Redaktion dankt allen Leserinnen und Lesern sehr herzlich für das aufmerksame Interesse in den vergangenen zwölf Monaten und überdies für manchen wichtigen Hinweis. Auch im kommenden Jahr freuen wir uns über Ihre Anmerkungen, über Lob oder Kritik.
Wir wünschen Ihnen frohe Feiertage und einen guten Start ins neue Jahr.
Björn Götz-Lappe, Ulrich Rüttgers, Nicole Reinke, Hendrik Schlüter