eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 17/2014 (29.08.2014)
Inhalt
- Meldungen aus der Zivilgesellschaft
- Im Fokus: Aktuelle Studien (2)
- Publikationen und Veranstaltungen
Meldungen aus der Zivilgesellschaft
BSV: Zivile Konfliktlösung in Irak und Syrien?
Der Bund für Soziale Verteidigung (BSV) hat ein Hintergrundpapier veröffentlicht, das sich mit der derzeitigen Situation im Irak und in Syrien befasst und mögliche zivile Ansatzpunkte im Konflikt mit der Terrororganisation IS diskutiert. Das Hintergrundpapier skizziert die politischen Positionen der Konfliktbeteiligten und stellt nicht-militärische Handlungsoptionen vor, die möglicherweise zu einer gewaltfreien Lösung des Konflikts beitragen können. Erwartungsgemäß lehnen die Autor/innen des Papiers Waffenlieferungen in die Krisenregion als unbeherrschbares »Spiel mit dem Feuer« ab; stattdessen solle die Internationale Gemeinschaft verstärkte Anstrengungen unternehmen, um beispielsweise die vielfältigen Finanzierungsquellen der IS trockenzulegen. Insbesondere weist das Papier auf vorhandene zivilgesellschaftliche Strukturen hin, die sich in den letzten Jahren trotz aller Gewalt im Irak und in Syrien herausgebildet haben. Diese müssten als »Leuchttürme der Hoffnung« stärker durch die internationale Staatengemeinschaft humanitär und politisch unterstützt werden.
Europe+: Für zivilgesellschaftliche Partizipation im EU-Konvent
Zivilgesellschaftliche Jugend-, Sozial-, Demokratie- und Europa-Bewegungen haben sich unter dem Dach von »Europe+« für eine Erneuerung des europäischen Integrationsprozesses zusammengeschlossen. Die 43 zivilgesellschaftlichen Organisationen wollen gemeinsam erreichen, dass bei künftigen Vertragsänderungen der EU kein Weg an einer Beteiligung der Zivilgesellschaft vorbeiführt. Über Europe+ will auch das deutsche Netzwerk »Europäische Bewegung Deutschland« (EBD) die eigenen politischen Forderungen nach einer zivilgesellschaftlichen Beteiligung an der Vertiefung der Europäischen Union einbringen. Dazu gehört auch die Forderung nach transparenten Beteiligungsformaten am europäischen Rechtsetzungsprozess.
Fachtagung »Nachbarschaftshilfe vor Ort«
Organisierte Nachbarschaftshilfen waren das Thema einer Fachtagung im Juli 2014 im Rahmen des Projektes »Netzwerk nachhaltige Bürgerkommune« in Bayern. Wer hilft im Alltag, wenn die verwandtschaftliche Unterstützung fehlt und der direkte Nachbar auch nicht in der Lage ist, einzuspringen? Gerade die Kommunen können eine wichtige Unterstützung bieten für den Aufbau lokaler Nachbarschaftshilfestrukturen, die in der Regel von interessierten Bürgerinnen und Bürgern initiiert werden. In der Tagung wurden die hohen Erwartungen an bürgerschaftliches Engagement zur Gestaltung des demographischen Wandels und der kommunalen Daseinsvorsorge, die Bedeutung von Gegenseitigkeit bei Hilfeleistungen sowie rechtliche Fragen und Erfahrungen aus Praxisprojekten diskutiert. In einer Dokumentation sind nun die Präsentationen der Hauptvorträge und der Praxisberichte zugänglich und bieten einen Einblick in die komplexen Dimensionen des Themas.
Tagungsdoku »Unternehmen Engagement«
Das freiwillige Engagement von Menschen mit Behinderungen stand im Juni 2014 im Mittelpunkt einer bundesweiten Fachtagung der Bundesvereinigung Lebenshilfe. Unter dem Motto »Unternehmen Engagement« wurde insbesondere die Freiwilligenarbeit von Menschen mit Behinderungen im Bereich des Unternehmensengagements in den Blick genommen. Die Praxis zeigt: Behinderte Menschen können Engagement aktiv mittragen. Viele Ehrenamtsbeauftragte suchen vielerorts bereits nach Möglichkeiten, das Engagement für Menschen mit Behinderung und das von Menschen mit Behinderung miteinander zu verbinden – zum Teil bereits mit ganz konkreten Projektideen. Leitfragen dabei sind: Wie lässt sich das bürgerschaftliche Engagement für Menschen mit Behinderung fördern? Wie können Menschen mit Behinderung sich selbst für eine gute Sache einsetzen? Wie können engagierte Unternehmen zur Inklusion im Bereich der Freiwilligenarbeit beitragen? Die nun vorliegende Tagungsdokumentation - mit verschiedenen Abstracts in Leichter Sprache - bündelt vor diesem Hintergrund die Impulse und Vorträge der Referentinnen und Referenten, die Ergebnisse der vier Workshops sowie des Schlusspodiums. In drei Interviews berichten zudem verschiedene Akteure über gelungene Praxisbeispiele.
Jugend Macht Zukunft: Jugendpolitisches Programm für Sachsen-Anhalt
Kinder und Jugendliche bis 27 Jahre aus Sachsen-Anhalt sind aufgerufen, an der Formulierung des jugendpolitischen Programms der Landesregierung mitzuarbeiten. Dazu können sie online noch bis zum 30. September 2014 ihre Ideen, Wünsche, Forderungen und Positionen mitteilen. Auf einer Open-Space-Konferenz Ende April diesen Jahres hatten die Jugendlichen bereits elf zentrale Themen für das Jugendpolitische Programm erarbeitet. Zu Themenfeldern wie »Mitbestimmung & Partizipation«, »Vielfalt & Toleranz«, »Umwelt« oder »Kommunalstruktur« werden nun Beiträge gesucht. Alternativ dazu können die Kinder und Jugendlichen, um Vorschläge oder Positionen zu entwickeln, auch Mikroprojekte umsetzen und dafür einen finanziellen Zuschuss beantragen. Nach Abschluss der Beitragsphase stimmen die Jugendlichen vom 10. bis zum 26. Oktober 2014 über sämtliche Beiträge auf der Plattform ab und entscheiden damit, welche Themen in das jugendpolitische Programm aufgenommen werden sollen. »Jugend Macht Zukunft« ist ein Projekt des Kinder- und Jugendring Sachsen-Anhalt e. V. in Kooperation mit dem Ministerium für Arbeit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt.
Im Fokus: Aktuelle Studien (2)
Studie: Beteiligung 2.0 – Gibt es sie wirklich?
Bei der Frage nach dem Einfluss des Internets auf die politische Kultur der Beteiligung und des Engagements werden in der Regel die positiven Potenziale des Internets hervorgehoben. Vielfach gilt das Internet als Königsweg, um mehr Beteiligung der Bürger/innen und ein verstärktes bürgerschaftliches Engagement zu initiieren. Die neuen interaktiven Kommunikations- und Partizipationsmöglichkeiten werden als Chance zur Wiederbelebung der Demokratie begriffen. Führt nun also die Demokratisierung der Medienproduktion im Web 2.0 endlich zu mehr Beteiligung? Und wenn ja, in welchen Lebensbereichen? Welche Bürger/innen nutzen das Internet für welche Formen des Engagements? Diesen Fragen geht ein aktuelles Forschungsprogramm des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI) in Zusammenarbeit mit der Universität St. Gallen nach. Um der Komplexität der Thematik Rechnung zu tragen, umfasst das Forschungsprogramm eine Reihe von Studien, welche das Verständnis der Beteiligung im Netz schrittweise erweitert. Vorgelegt wurde nun in einem ersten Schritt eine Literaturstudie, welche einen umfassenden Überblick über den heutigen Stand der Forschung bietet und aktuelle Erkenntnisse aus diversen Disziplinen zusammenträgt. Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann, Assistenzprofessor für Kommunikationsmanagement an der Universität St. Gallen, stellt als einer der beteiligten Wissenschaftler die Kernergebnisse der Studie vor.
Studie: Bürgerhaushalte weltweit
Ausgehend von Brasilien haben sich Bürgerhaushalte als Beteiligungsinstrument auf lokaler Ebene in den letzten 30 Jahren über den gesamten Globus verbreitet. Auch hierzulande haben sie sich in der kommunalen Beteiligungslandschaft etabliert, ohne jedoch zu einer »Massenbewegung« geworden zu sein. Das Verfahren erwies sich dabei als so flexibel, dass es sich je nach politischem bzw. gesellschaftlichem Kontext und lokalen Rahmenbedingungen unterschiedlich ausgestalten ließ oder mit anderen Ansätzen kombiniert wurde. Vor diesem Hintergrund hat die Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) im Mai 2014 mit dem Autorenteam um Dr. Carsten Herzberg, Prof. Dr. Yves Sintomer, Dr. Giovanni Allegretti und Dr. Anja Röcke eine überarbeitete Fassung ihrer Studie zu »Bürgerhaushalten weltweit« publiziert. Die Studie richtet sich an Akteure aus Praxis und Wissenschaft und möchte damit einen Beitrag zum internationalen Erfahrungs- und Wissensaustausch leisten, der bei der Verbreitung und Weiterentwicklung von Bürgerhaushalten eine zentrale Rolle spielt. Die SKEW-Mitarbeiterin Eva Roeder fasst in ihrem Gastbeitrag die wichtigsten Erkenntnisse der Studie zusammen.
Studie: Bürgerschaftliches Engagement in Mecklenburg-Vorpommern
Bürgerschaftliches Engagement bietet vielfältige Chancen für eine zukunftsfähige kommunale Entwicklung. Insbesondere für die Entwicklung von Ländlichen Räumen spielt das bürgerschaftliche Engagement eine große Rolle und ist ein wichtiger Faktor für die Lebensqualität vor Ort. Dafür ist es jedoch notwendig, dass sich die Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Stadt und ihrem Dorf identifizieren. Eine Studie im Auftrag der Herbert Quandt-Stiftung hat nun am Beispiel Mecklenburg-Vorpommerns untersucht, welche Faktoren dort freiwilliges Engagement und Ehrenamt begünstigen oder hemmen. Dr. Roland Löffler, Leiter des Themenbereichs »Bürger und Gesellschaft« der Herbert Quandt-Stiftung, und sein Mitarbeiter Sebastian Gillwald, machen sich in ihrem Gastbeitrag auf die »Suche nach dem WIR-Gefühl«.
Studie: Wahlbeteiligung Europawahl 2014
Eine Analyse zur Bundestagswahl 2013 hat gezeigt, dass die oberen zwei Drittel der Gesellschaft erheblich größeren Einfluss auf die Zusammensetzung des neu gewählten Bundestages genommen haben als das untere Drittel. Dieser Trend setzte sich nun – verstärkt durch eine geringere Wahlbeteiligung – auch bei der Europawahl im Mai dieses Jahres fort. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Kurzstudie der Bertelsmann Stiftung. Sie zeigt: Je prekärer die sozialen Lebensverhältnisse, desto geringer ist die Wahlbeteiligung. Aus sozialer Ungleichheit erwachse damit eine »politische Ungleichheit, die wiederum die Distanziertheit und Unzufriedenheit vor allem der sozial schwächeren Wahlbevölkerung verschärft, und die Wahlbeteiligung gerade dieser Schichten unserer Gesellschaft weiter schwächt.« Diese »gefährliche Spirale der Nichtwahl« und die soziale Selektivität schade der Demokratie. Die Analyse steht online zum Abruf bereit.
Die Studie im Wortlaut (PDF)
Publikationen und Veranstaltungen
Publikation: Ehrenamtliche Vorstände
Das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE) beschäftigte sich im Rahmen eines von der Robert Bosch Stiftung geförderten Projektes in den Jahren 2011-2014 mit den zunehmenden Schwierigkeiten von Vereinen bei der Besetzung ehrenamtlicher Leitungsfunktionen. Im Mittelpunkt standen die Gewinnung, Qualifizierung und Entwicklung ehrenamtlicher Vereinsvorstände. Die aktuellen Herausforderungen bei der Ausgestaltung ehrenamtlicher Vorstandsämter sowie Projekterfahrungen und Handlungsempfehlungen sind nun in einer Abschlusspublikation zusammen getragen. Ein Serviceteil enthält zahlreiche weiterführende Informationen und Materialien.
Publikation als Download (pdf, 2.23 MB)
Publikation: Achtung vor dem Bürger – Ein Plädoyer für die Stärkung der Zivilgesellschaft
Die Zivilgesellschaft ist eine entscheidende Bedingung für eine offene, auf Freiheit gegründete Gesellschaft, die sich selbst zu steuern sucht. Dennoch zeigt sich immer wieder die Sicht von einer Bevölkerung, die Regeln, Kontrollen und Aufsicht braucht, die Obrigkeit fürchten soll. Der Autor sieht darin ein politisch-administratives System ohne Respekt und Achtung vor den Bürgerinnen und Bürgern. In der Publikation werden daher Möglichkeiten des kollektiven Gestaltens und Handelns im öffentlichen Raum aufgezeigt. Ein solcher Ansatz stärkt die Zivilgesellschaft, die sich von den Bürger/innen her definiert.
Strachwitz, Rupert Graf: Achtung vor dem Bürger - Ein Plädoyer für die Stärkung der Zivilgesellschaft. Freiburg 2014, 208 S., 12,99 Euro, ISBN 978-3-451-33572-3
Veranstaltungshinweise
Zahlreiche Veranstaltungen sind im Veranstaltungskalender des Wegweisers Bürgergesellschaft zu finden. Besonders hinweisen möchten wir dieses Mal auf:
• 27.9.2014 in Hamburg: Gutes einfach verbreiten
OpenTransferCamp der Stiftung Bürgermut
• 24. - 25.10.2014 in Bonn: Neue Nachbarschaft: »Immovilien - Immobilien für Viele«
Eine Werkstatt der Montag Stiftung Urbane Räume