eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 10/2017 (18.10.2017)
Inhalt
- Meldungen aus der Bürgergesellschaft
- Im Fokus: Forum für Bürgerbeteiligung und kommunale Demokratie 2017
- Publikationen und Veranstaltungen
Meldungen aus der Bürgergesellschaft
Studie: Wahlbeteiligung und soziale Spaltung
Die soziale Spaltung der Wahlbeteiligung ist bei der diesjährigen Bundestagswahl zum ersten Mal seit fast zwei Jahrzehnten wieder spürbar gesunken. Der Grund dafür sind vor allem Mobilisierungserfolge der AfD in den sozial prekären Nichtwählerhochburgen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung, die das Wahlverhalten der sozialen Milieus bei der zurückliegenden Bundestagswahl analysiert. Die soziale Spaltung der Wahlbeteiligung beschreibt, wie stark die Wahlbeteiligung vom sozialen Profil eines Stimmbezirks abhängt. Ist die Wahlbeteiligung in wirtschaftlich und sozial starken Wohnvierteln sehr hoch und gleichzeitig in wirtschaftlich schwachen Vierteln sehr niedrig, ist dies Ausdruck einer hohen sozialen Spaltung der Wahlbeteiligung. Die Autor/innen der repräsentativen Studie weisen zudem darauf hin, dass die Spaltung der Wählerschaft auch zwischen »Modernisierungsskeptikern und –befürwortern« verläuft. Diese Spaltung könnte nach Ansicht der Wissenschaftler/innen auch in Zukunft die politischen Auseinandersetzungen und Wahlergebnisse prägen.
OffenesParlament.de: Mehr Transparenz im Bundestag
Das ehrenamtlich getragene Community-Projekt »OffenesParlament.de« hat sich das Ziel gesetzt, Regierungshandeln transparenter zu machen. Auf dem neuen Webportal können sich Interessierte ab sofort darüber informieren, welche Themen wann im Deutschen Bundestag verhandelt wurden oder wie Abgeordnete abgestimmt haben. Als Datenbasis dienen 245 Sitzungsprotokolle der vergangenen vier Jahre. 3015 Tagesordnungspunkte wurden ausgewertet und in 28 Politikfeldern kategorisiert. Neben Sitzungsverläufen, Drucksachen und Gesetzesvorlagen nutzt das Projekt zusätzlich Informationen zu den Profilen der einzelnen Abgeordneten von abgeordnetenwatch.de und dem Deutschen Bundestag. So ist ein transparentes Gesamtbild entstanden, mit dem Nutzerinnen und Nutzer nachvollziehen können, welche Themen zwischen 2013 und 2017 besonders intensiv debattiert wurden und wie sich einzelne Politikerinnen und Politiker inhaltlich positionierten. Das Portal ist ein gemeinsames Projekt der Open Knowledge Foundation und des Portals abgeordnetenwatch.de.
»Syrmania«: Podcast von und mit Geflüchteten
Seit etwa zwei Jahren wird in Deutschland viel über geflüchtete Menschen aus Syrien diskutiert. Die Betroffenen selbst kommen in der Öffentlichkeit jedoch selten zu Wort. Der neue Podcast »Syrmania«, der gemeinsam vom Deutschlandfunk Kultur und dem Onlineradio Souriali präsentiert wird, will ihnen eine Stimme geben und ihnen helfen in Deutschland anzukommen. Wieviel wissen Deutsche und Syrer eigentlich voneinander? Welchen Blick werfen Syrer auf die deutsche Gesellschaft? Wie nehmen sie die Berichterstattung zum Thema in Deutschland wahr? Wie leben sie in Deutschland? Diese und weitere Fragen werden inhaltlich aufgearbeitet und diskutiert. Ein Ziel des Angebots ist es, einen Beitrag zur Überwindung von Stereotypen zu leisten und eine Brücke zwischen den Kulturen zu schlagen. In zwölf Folgen wird das Leben der in Deutschland neu angekommenen Syrerinnen und Syrer thematisiert, bis Ende Dezember wird jeden Donnerstag eine neue Episode erscheinen. Einzelne Folgen sind sowohl in deutscher als auch in arabischer Sprache abrufbar.
Broschüre: Wenig erreichte Zielgruppen der politischen Bildung
Eine inklusive politische Bildung für alle Menschen – was kann das sein? Diese Fragestellung durchzieht die Diskussion um die Ambivalenz der Perspektive auf Zielgruppen, wie sie in der politischen Bildung geführt wird. In der nun vorliegenden Dokumentation der Transferstelle politische Bildung zum Jahresthema 2016 für die Praxis politischer Bildung geht es vor allem um Zugänge zu Teilnehmer/innen und Anschlußmöglichkeiten. Als Merkmale politischer Bildung gelten lebensweltliche Anbindung, Partizipation (als Zugang, methodisches Konzept oder Ziel) und auch Selbstwirksamkeitserfahrungen, wie ausgewählte Ergebnisse der Arbeit der Transferstelle politische Bildung deutlich machen. Die Broschüre bietet mit ihren Beiträgen einen Überblick zu Praxis und aktueller Forschung zum Thema. Die Printversion der Jahresbroschüre kann kostenfrei über die Transferstelle bezogen werden, zudem ist ein kostenloser Download im Netz möglich.
Studie: KITA-Qualität aus Kindersicht
Eine Studie zur Kita-Qualität hat die Ansichten einer Gruppe untersucht, die sonst wenig Einfluss auf Entscheidungen hat: die der Kinder. Das Ergebnis: Die Kinder wissen, worauf es bei einer guten Kita ankommt, wollen mitreden und sollten das auch. In der explorativen Studie wurden die Kinder zu drei Qualitätsbereichen in Gruppen ohne die vertrauten Erzieher/innen befragt und konnten differenzierte Wahrnehmungen formulieren. Im Vordergrund standen die Themen Individualität und Zugehörigkeit, Kompetenzerleben, Autonomie und Partizipation sowie Möglichkeiten der Selbst- und Mitbestimmung. Damit knüpft die Qualität einer Kindertageseinrichtung an dem Verständnis der Einrichtungen als Bildungsorte an, die inklusive Orte sein können, an denen alle Kinder die bestmögliche Chance haben, Kompetenzen zu erwerben, anregende und anerkennende Beziehungen zu erfahren und ihre individuelle Persönlichkeit in einer solidarisch miteinander verbundenen Gemeinschaft zu entwickeln.
Die Studie im Wortlaut (PDF)
Kampagne für bundesweite Volksentscheide
Ein Bündnis von über dreißig zivilgesellschaftlichen Organisationen setzt sich im Nachgang zur Bundestagswahl für die Einführung bundesweiter Volksabstimmungen ein. Die Kampagne tritt für eine Grundgesetzänderung ein, mit der Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide auf Bundesebene möglich werden. Bis heute haben mehr als 222.000 Menschen die entsprechende Petition im Internet unterzeichnet.
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Im Fokus: Forum für Bürgerbeteiligung und kommunale Demokratie 2017
Forum für Bürgerbeteiligung und kommunale Demokratie
»Kommunen als Impulsgeber der Demokratie in schwierigen Zeiten«: Unter diesem Motto diskutierten zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft auf Einladung der Stiftung Mitarbeit drei Tage lang intensiv und praxisnah, welche neuen Wege in Kommunen gegangen werden, um die lokale Demokratie weiterzuentwickeln. Ein bunter Rückblick auf die Tagung mit zahlreichen Materialien und Bildern aus Vorträgen und Themenwerkstätten steht in Kürze zur Verfügung. Das Forum für Bürgerbeteiligung und kommunale Demokratie fand in diesem Jahr zum 22. Mal in Kooperation mit der Evangelischen Akademie Loccum statt.
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Community Communication: Konflikte im Gemeinwesen dialogisch und teilhabeorientiert bearbeiten und lösen
Unter der Überschrift »Community Communication« hat das Mobile Beratungsteam Berlin für Demokratieentwicklung der Stiftung SPI in den vergangenen zehn Jahren einen konzeptionellen Ansatz entwickelt, der weniger auf Beteiligung im Sinne konkreter Aushandelungsprozesse abzielt, sondern auf die Eröffnung und Gestaltung von Kommunikationsräumen, die die Beteiligung an der diskursiven Auseinandersetzung fokussieren. Im besten Fall kann das Konzept die Lücke schließen, die entsteht, wenn lokale Planungsvorhaben nicht zur Disposition stehen, gesellschaftlich aber hoch umstritten und nicht selten symbolpolitisch aufgeladen sind. Ann-Sofie Susen und Dr. Ulrike Klötzing-Madest stellen in ihrem Gastbeitrag den Ansatz und die Praxiserfahrungen der Community Communication vor.
Neuland! Wie Soziale Medien die kommunale Demokratie beleben können – und wie nicht
Die Nutzung Sozialer Medien gehört für viele Menschen zum persönlichen Alltag. Doch auch Organisationen und Initiativen der Zivilgesellschaft nutzen die sich damit verbindenden Möglichkeiten der Kommunikation. Nicht zuletzt bieten die Sozialen Medien auch Kommunen die Chance, Beteiligung und Engagement vor Ort zu stärken. Doch wie weit ist eine Belebung der kommunalen Demokratie durch Soziale Medien möglich, wenn die digitale neue Welt im Hinblick auf die politische Kultur gleichzeitig zu massiven Verwerfungen führt? Dr. Serge Embacher zeigt in seinem Gastbeitrag, wie Soziale Medien die kommunale Demokratie beleben können und wie nicht.
»Kommunen müssen Demokratie erlebbar machen«: Die Bürgerkommune Viernheim
Eine Stadtverordnetenversammlung in der Fußgängerzone? Die Stadt Viernheim greift schon mal zu ungewöhnlichen Maßnahmen, um möglichst viele ihrer Bürger/innen zu erreichen. Bereits seit Ende der 1990er Jahre gibt es in der etwa 35.000 Einwohner/innen zählenden Stadt nordöstlich von Mannheim Bestrebungen zum Ausbau der Beteiligungsstrukturen und Engagementförderung. Das Ziel: Demokratie soll für alle Menschen der Kommune in ihrem direkten Umfeld erlebbar werden. Zu den Projekten, die dieses Ziel im Blick haben, gehören etwa eine Seniorenbegegnungsstätte in Selbstverwaltung, die Belegung der Sporthallen in Eigenregie oder die »Helping Hands«, eine Gruppe von Geflüchteten, die nun wiederum anderen neu hier Ankommenden hilft. Horst Stephan beschreibt in seinem Gastbeitrag den Weg Viernheims zur Bürgerkommune.
Initiative »Demokratie-Impulse setzen, Menschen bewegen«
Im Rahmen der Tagung diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch über eine Initiative des Netzwerks Bürgerbeteiligung zur Errichtung lokaler Demokratie-Foren. Die selbstorganisierten Demokratie-Foren sollen Orte des gesellschaftlichen Diskurses sein, an denen die Beteiligten die Erfahrung machen können, dass gemeinsames politisches Handeln – jenseits kultureller, religiöser oder sozialer Differenzen – möglich ist. Zugleich sollen in den Foren gemeinsam Aktivitäten für eine lebendige Demokratie entwickelt werden, die in Zeiten zunehmender gesellschaftlicher Spaltung und antidemokratischer Strömungen wichtiger denn je sind. Netzwerker/innen und solche die es werden wollen haben online noch bis zum 24. November die Möglichkeit, ihre Rückmeldungen und Anregungen zur Initiative auf der Seite des Netzwerks Bürgerbeteiligung einzubringen.
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Publikationen und Veranstaltungen
Publikation: Kursbuch Bürgerbeteiligung #2
Bürgerbeteiligung liegt im Trend. Ob in Großverfahren oder bei kommunalen Detailfragen: gut gemachte Bürgerbeteiligung ist in der Lage, unsere Demokratie zu »revitalisieren«. Doch dazu braucht es eine Reihe von Kriterien, die erfüllt sein müssen, um sich nicht dem Vorwurf der Scheinbeteiligung auszusetzen. Das seit 2015 erscheinende Kursbuch Bürgerbeteiligung setzt an dieser Stelle an. Es versteht sich als eine Publikation, die stetig den Status quo der Partizipation vorrangig in Deutschland analysiert. Dazu versammelt das Kursbuch Expert/innen aus Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft, um die gegenwärtigen Entwicklungen darzustellen, einzuschätzen und zu evaluieren. Das Kursbuch verbindet wissenschaftliche Erkenntnisse mit praktischen (Methoden-)Erfahrungen und schlägt eine Brücke zwischen Theorie und Praxis.
Sommer, Jörg (Hg.): Kursbuch Bürgerbeteiligung #2. Berlin 2017, 540 S., 29,80 Euro, ISBN 978-3942466158
Publikation: Kooperationen im Quartier
Kooperationen sind in der Quartiersarbeit, besonders in der Gemeinwesenarbeit und im Quartiersmanagement, mit hohen Erwartungen verbunden. Die Zusammenarbeit mit anderen Akteur/innen soll dabei helfen, die Qualität der eigenen Arbeit zu verbessern, Ziele zu erreichen, die alleine nicht zu schaffen sind, und dazu beitragen, dass das Quartier weiter als Gemeinschaft zusammen wächst. Allerdings werden diese hohen Erwartungen an Kooperation in der Praxis oft enttäuscht: Kooperationspartner/innen sind schwierig zu finden, gemeinsame Projekte verlaufen schnell im Sande und das Scheitern von Kooperation sorgt für Konflikte. Angesichts dieser Kombination aus hohen Erwartungen und häufiger Frustration ist es überraschend, dass es wenig systematische Forschung zu den Bedingungen gibt, die zum Gelingen von Kooperation beitragen. Die Publikation soll einen Beitrag zum Schließen dieser Wissenslücke leisten. Gemeinsame Leitlinie aller Beiträge sind fünf grundlegende Prinzipien der Kooperation. Deutlich wird, welche Herausforderungen sich bei Kooperationen auf Quartiersebene stellen, aber auch, welche Chancen sich bieten, wenn gut vorbereitete Kooperationen gelingen.
Landesarbeitsgemeinschaft Soziale Brennpunkte Niedersachsen e.V. (Hrsg.): Kooperationen im Quartier. Pfade des Gelingens. Bonn, 2017, 44 S., 8,00 Euro, ISBN 978-3-941143-35-7
Veranstaltungshinweise
Zahlreiche Veranstaltungen sind im Veranstaltungskalender des Wegweisers Bürgergesellschaft zu finden. Besonders hinweisen möchten wir dieses Mal auf:
18.11.2017 in Nürnberg: Gute Taten brauchen gute Daten - Transparenz-Workshop für gemeinnützige Organisationen, Vereine & Stiftungen
Eine veranstaltung des Deutschen Spendenrats e.V.
21.-22.11.2017 in Göttingen: Beteiligung in Dörfern und ländlichen Räumen gestalten
Eine Exkursion mit Transferbesuchen der Deutschen Vernetzungsstelle Ländliche Räume