eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 6/2021 (24.06.2021)
Inhalt
- Meldungen aus der Bürgergesellschaft
- Im Fokus: Bürgerbeteiligung aktuell
- Publikationen und Veranstaltungen
Meldungen aus der Bürgergesellschaft
Deutsch-Französisches Förderprogramm zur Stärkung der Demokratie
Teilhabe und Partizipation junger Menschen sind wichtiger denn je. Deshalb haben die Bundeszentrale für politische Bildung und das Deutsch-Französische Jugendwerk (DFJW) ein Förderprogramm vereinbart, das europäische Projekte der politischen Bildungsarbeit fördern soll, um Demokratie, Teilhabe und Engagement von und für Jugendliche zu stärken. Mit bis zu 20.000 Euro können Vereine, Organisationen, Bildungseinrichtungen und Schulen in der Umsetzung deutsch-französischer und trilateraler Projekte für junge Menschen zwischen 14 und 30 Jahren unterstützt werden. Die möglichen Projektformate reichen von Jugendaustauschen, Seminaren und Jugendparlamenten bis hin zu Konzerten, Sportprojekten und Kunstaktionen. Bewerbungen sind ab sofort online möglich.
UPJ: Soziale Kooperationen für Städte und Regionen
Soziale Kooperationen sind ein wichtiger Faktor für ein funktionierendes Gemeinwesen. Mit der Initiative »Die Herausforderung« hat das UPJ-Netzwerk für Corporate Citizenship und CSR einen Ansatz ins Leben gerufen, mit dem neue soziale Kooperationen zwischen Unternehmen, zivilgesellschaftlichen Organisationen und der öffentlichen Verwaltung verbreitet, vertieft und auf Dauer gesichert werden können. Vorbild der Idee sind die Niederlande, wo solche »Herausforderungs-Initiativen« bereits in mehr als 50 Städten aktiv sind. Das UPJ-Netzwerk hat das Konzept nun adaptiert und ein erstes deutsches Pilotprojekt in Saarbrücken realisiert. In einem kostenlosen begleitenden Workbook werden die wichtigsten Handlungsschritte zur Umsetzung praxisnah erläutert.
Ankunftsstädte gestalten: Impulse aus Pilotprojekten
Stadtgeschichten sind immer auch Migrationsgeschichten. Wanderungsbewegungen tragen zur Entwicklung und Urbanität von Städten maßgeblich bei. Und auch heute gehört das Kommen, Gehen und Bleiben selbstverständlich zum urbanen Alltag. Doch wie lässt sich dieses Ankommen so gestalten, dass es als Bereicherung erfahren wird? Wie können Ankunftsstädte entstehen, deren Kulturen und Infrastrukturen hierfür angemessen sind? Zehn im gesamten Bundesgebiet verteilte Pilotprojekte haben Stadtentwicklung und Migration zusammengedacht und sich mit der Integration von Zugewanderten im Rahmen integrierter Stadtentwicklung auseinandergesetzt. Alle Pilotprojekte erproben innovative Ansätze, sie arbeiten bei ihren Vorhaben mit verschiedenen Verwaltungseinheiten zusammen, sie vernetzen sich mit zivilgesellschaftlichen Akteuren, binden die Bürgerschaft über Dialogprozesse ein und regen zu Eigeninitiative und Selbstorganisation an. Dadurch ist es gelungen, Zugewanderte aktiv einzubeziehen und ihre Kompetenzen und Potenziale für lokale Prozesse der Stadtentwicklung zu nutzen. Die Handreichung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) zeigt, wie Ankunftsstädte gestaltet werden können und bietet praxisorientierte Checklisten für die Anwendung vor Ort.
Orte für uns, Orte für alle: Jugendprojekte in kleinen Städten
Welche Jugendprojekte gibt es in Kleinstädten ländlicher und strukturschwacher Regionen? Was sind ihre Merkmale und wie unterscheiden sie sich von denen in größeren Städten und verdichteten Räumen? In einer Untersuchung des BBSR wurde ein reichhaltiges Spektrum von jugendlichen Gruppen sichtbar, die sich auch in Kleinstädten für die Entwicklung vor Ort mit großem Engagement und kreativen Ideen einsetzen. Dieses Jugendengagement wirkt in drei Richtungen: Es verändert Räume und Orte in der Stadt, es leistet Beiträge für das Gemeinwohl und es fördert das individuelle Demokratielernen. Die Studie mit ausführlichen Fallbeispielen und weiterführenden Empfehlungen zur Förderung des Jugendengagements im Sinne einer Jugendbeteiligung liegt nun zum Download vor. Sie macht deutlich: mit Mut zur Beteiligung von Jugendlichen lässt sich in einer Kleinstadt viel bewegen.
Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement: Tätigkeitsbericht
Der Unterausschuss »Bürgerschaftliches Engagement« (UABE) hat am 9. Juni 2021 den Bericht über seine Tätigkeit in der 19. Wahlperiode an den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend übergeben. Beschäftigt hat sich der Unterausschuss von 2018 bis 2021 vor allem mit der politischen, gesetzlichen Verbesserung von Rahmenbedingungen für Engagement sowie mit dem Dritten Engagementbericht und aktuellen Forschungsergebnissen. Die weiteren Arbeitsthemen reichten von Digitalisierung, Bürgerbeteiligung bis zu Engagement während der Corona-Pandemie. Der Unterausschuss formuliert am Ende des Berichts Handlungsempfehlungen an Parlament und Regierung. Diese beziehen sich etwa auf den Umgang zwischen Politik und Zivilgesellschaft, die Begleitung der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt oder die Förderung der Vernetzung von (lokalen) Engagementstrukturen, insbesondere in ländlichen und/oder strukturschwachen Räumen. Dem kommenden Bundestag empfiehlt der UABE die Einsetzung eines ordentlichen Ausschusses, der die Schwerpunktthemen bürgerschaftliches Engagement, Ehrenamt, Partizipation und Zivilgesellschaft zum Gegenstand haben soll.
Der Bericht zum Download (PDF)
Studie: Engagiert, politisch, digital? Online-Petitionen als Partizipationsform der digitalen Gesellschaft
Im Jahr 2020 sind mehr als 14.300 Petitionen an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages gerichtet worden. Davon wurden knapp 900 Petitionen im Internet veröffentlicht, die von mehr als 950.000 registrierten Nutzerinnen und Nutzern mitgezeichnet wurden. Insgesamt haben sich bislang 3,7 Mio. Bürgerinnen und Bürger auf der Plattform des Deutschen Bundestages angemeldet. Damit bestätigt sich ein Trend, der sich seit einigen Jahren abzeichnet. Neben klassische Formen der Beteiligung und des politischen Engagements in Organisationen treten neue, oft digitale und individuell nutzbare Möglichkeiten der politischen Interessenvertretung. Beispielhaft für diese Entwicklung stehen Online-Petitionen, kaum ein Thema, das nicht in Form einer Petition verarbeitet wird. Eine aktuelle Studie hat nun untersucht, wer die Menschen sind, die Online-Petitionen initiieren: Was treibt sie an, was sind ihre Ziele? Welches Demokratie- und Partizipationsverständnis vertreten sie? Und wie kann ihr Engagement Eingang in die politische Entscheidungsfindung der repräsentativen Demokratie finden? Zur Beantwortung dieser Fragen wurden für die im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung entstandenen Studie Petent/innen verschiedener Plattformen befragt.
Im Fokus: Bürgerbeteiligung aktuell
Klimabürgerräte in Europa
Bürgerräte werden in Europa immer häufiger als Elemente der politischen Beteiligung eingesetzt. Für Hans-Liudger Dienel besitzt diese demokratische Innovation viel Potential, vor allem bei der Bearbeitung von konfliktreichen Fragestellungen wie dem Klimaschutz und in der Kombination mit anderen demokratischen Legitimationsverfahren. In seinem Gastbeitrag erklärt er die Grundzüge kombinatorischer Demokratie und wirft am Beispiel der Bürgerräte einen Blick auf die beteiligungspolitische Praxis in Europa.

Permanenter Bürgerdialog in Ostbelgien
In der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens werden parlamentarische Entscheidungsprozesse zu gesellschaftlich wichtigen Themen neuerdings durch Bürgerräte begleitet. Das Parlament beschloss im Februar 2019 die Einführung eines »permanenten Bürgerdialogs« für die Region. Kontinuität, Repräsentativität und Dialogqualität wurden dabei als wichtige Arbeitsprinzipien festgelegt. Im Zentrum des Dialogs steht die Bürgerversammlung mit maximal 50 zufallsausgewählten Bürgerinnen und Bürgern, die zu bestimmten Themen und Fragestellungen Vorschläge für das Parlament erarbeiten. Martin Enderle hat den Prozess von Anfang begleitet und stellt in seinem Gastbeitrag das Prinzip des Bürgerdialogs vor.

Empowerment durch politische Erwachsenenbildung in Zeiten gesellschaftlicher Transformation und zunehmender Polarisierung
Demokratie und damit auch Verfahren der Bürgerbeteiligung stehen durch globale Transformationsprozesse und der damit einhergehenden Polarisierung unter Druck. Die politische Erwachsenenbildung kann einen zentralen Beitrag dazu leisten, diesen Phänomenen zu begegnen und Bürgerbeteiligung effektiv zu gestalten. Neben der Vermittlung von Informationen, Kenntnissen und Wissen, die für Entscheidungsprozesse unabdingbar sind, leistet politische Bildung einen Beitrag zur Effektivität von Bürgerbeteiligung, indem sie persönliche Potenziale von Menschen offenlegt und deren Entfaltung ermöglicht. Vor diesem Hintergrund gilt es, neue Formate zu entwickeln und zu erproben, meint Benjamin C. Sack in seinem Gastbeitrag. Wichtig sei es, die Diversität in entsprechenden Bildungsangeboten zu erhöhen, einen breiteren Dialog zu ermöglichen und Erfahrungen von Gegensätzlichkeit und Toleranz zu gewährleisten.

Zankende Erdmännchen und die Suche nach dem Wir
In Prozessen der Bürgerbeteiligung scheint insbesondere das Sozialkapital von besonderem Wert zu sein, welches zwischen Gruppen völlig unterschiedlicher Menschen entsteht. Es schafft die Möglichkeit, Brücken zu bauen und eröffnet Wege, Konflikte zu bearbeiten. Für die Praxis der Bürgerbeteiligung heißt das unter anderem, dass vor allem niederschwellige Räume für Dialog etabliert und Perspektivwechsel ermöglicht werden sollten. Was dies konkret bedeutet und welche Rolle Erdmännchen dabei spielen, zeigen Philipp Morath und Corinna Walz in ihrem Gastbeitrag.

Demokratie und Bürgerbeteiligung im Zeichen von COVID-19
Ohne eine aktive Bürgerschaft wird es keine guten Wege aus der aktuellen Pandemie und keine angemessene Vorsorge für kommende Krisen geben: Zu diesem Fazit kommt der Politikwissenschaftler Roland Roth in seinem Gastbeitrag. Darin diskutiert er ein Jahr Demokratie und Bürgerbeteiligung im Zeichen von COVID-19. Roth kritisiert die seuchenpolizeilich und exekutivisch geprägte Pandemiepolitik und skizziert zugleich Herausforderungen für eine starke und politisch einflussreiche Zivilgesellschaft in Corona- und Post-Corona-Zeiten.

Publikationen und Veranstaltungen
Publikation: Migration, Religiosität und Engagement
Das zivilgesellschaftliche Engagement von Migrantenselbstorganisationen (MSO) und seine Bedeutung für Integrationsprozesse sind inzwischen anerkannt. Allerdings stehen religiös, insbesondere muslimisch orientierte MSO im Verdacht, Engagement und damit Integration zu hemmen. In der Publikation wird die aktuelle Forschungslage zum Verhältnis von individueller und kollektiver Religiosität zur Engagementbereitschaft von Menschen mit Flucht- und Migrationsgeschichte ausgewertet. Abschließend werden Anforderungen an die Engagementförderung, gerade auch religiöser MSO, formuliert.
Hacı-Halil Uslucan, Anna Wiebke Klie und Thomas Klie: Migration, Religiosität und Engagement – unauflösbare Spannungsfelder? Berlin 2021, 64 S., 9,00 Euro, 978-3-7841-3380-5
Publikation: Wie kann ich was bewegen?
Lange galt Aktivismus eher als Synonym für krawalligen Protest denn als ernsthafte politische Arbeit. Indem die beiden Autoren den Begriff des konstruktiven Aktivismus in die Debatte einführen, schaffen sie ein neues Verständnis: Konstruktiver Aktivismus ist demnach ein leidenschaftliches politisches Instrument, das radikal und konsequent für die konkrete Veränderung aktueller Umstände kämpft. Aber wie schafft man es, wirklich etwas zu bewegen? Welche Aktionen, welches Engagement kann tatsächlich Veränderungen herbeiführen? Dafür gibt es viele gute Beispiele, einige von ihnen werden im Rahmen des Buchs vorgestellt. Die Autoren wollen zeigen, warum Aktivismus eine Bereicherung ist, für die Gesellschaft und für das eigene Leben.
Raúl Krauthausen, Benjamin Schwarz: Wie kann ich was bewegen? Die Kraft des konstruktiven Aktivismus. Hamburg 2021, 250 S., 18,00 Euro, ISBN 978-3-89684-291-6
Veranstaltungshinweise
Zahlreiche Veranstaltungen sind im regelmäßig aktualisierten Veranstaltungskalender des Wegweisers Bürgergesellschaft zu finden. Im Rahmen der Corona-Pandemie ist bei manchen Veranstaltungen weiter unklar, ob sie so stattfinden können oder sie werden in den virtuellen Raum verlegt. Bitte infomieren Sie sich frühzeitig im Internet über die Angebote von zivilgesellschaftlichen Organisationen. Besonders hinweisen möchten wir dieses Mal auf:
10.-11. September 2021 in Magdeburg: Wir können das und wir schaffen das! – Appreciative Inquiry als unterstützende Methode in der Quartiersarbeit
Ein Workshop der Stiftung Mitarbeit
23. September 2021 online: Engagementförderung – Lebendige Strukturen in der Kommune erhalten
Eine Veranstaltung der Akademie für lokale Demokratie e.V.