eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 5/2024 (29.05.2024)
Inhalt
- Meldungen aus der Bürgergesellschaft
- Im Fokus: Europa
- Publikationen
- Veranstaltungen, Seminare, Tagungen
Meldungen aus der Bürgergesellschaft
BBSR-Forschungsprojekt: Multifunktionale Innenstadtentwicklung und Partizipationskultur
Städte brauchen vielfältige Zentren, um attraktiv zu sein. Einen verstärkten Handlungsdruck in Bezug auf die Entwicklung funktional gemischter und resilienter Innenstädte führte zuletzt die Covid-19-Pandemie vor Augen. Um lokalen Bedarfen Rechnung zu tragen und Potenziale zu erkennen, braucht es jedoch ein Zusammenwirken von Verwaltung, lokalen Gruppen und Bürger/innen. Das Forschungsprojekt »Multifunktionale Innenstadtentwicklung und Partizipationskultur«, das vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) zwischen 2021 und 2024 durchgeführt wurde, wertet die aktuelle Partizipationskultur bei der Entwicklung multifunktionaler Innenstädte anhand von 15 Praxisbeispielen aus. Das Projektteam analysiert Ziele, Akteurskonstellationen, Prozesse und Formate kommunaler Partizipationsprojekte und entwickelt daraus Handlungsempfehlungen. Auf der Website zum Forschungsprojekt können bereits erste Ergebnisse abgerufen werden, eine Veröffentlichung zu den Ergebnissen der Studie ist in Vorbereitung.
Praxisleitfaden: Digitale Beteiligung souverän gestalten
Formelle Öffentlichkeitsbeteiligung hat in der Covid-19-Pandemie einen deutlichen Digitalisierungsimpuls erhalten. Durch das Planungssicherstellungsgesetz (PlanSiG) aus dem Jahr 2020 wurden einheitliche Bestimmungen für die rechtssichere Durchführung von optionalen digitalen Verfahrensschritten in Planungs- und Genehmigungsverfahren erlassen. In modifizierter Form wurden diese Neuregelungen unlängst im Verwaltungsverfahrensgesetz verstetigt. Das Unabhängige Institut für Umweltfragen (UfU) hat die Chancen und Grenzen, die mit digitalen Beteiligungsformaten verbunden sind, ausgewertet. Die Erkenntnisse flossen in den interaktiven Praxisleitfaden »Digitale Beteiligung souverän gestalten« ein. Er bietet Behörden konkrete Hilfestellungen und Orientierung in der Planung digitaler Beteiligungsformate. Sophie Dolinga und Katharina Reimann geben in ihrem Gastbeitrag einen Einblick in die Neuregelungen und stellen den Praxisleitfaden vor.
UPJ-Umfrage: Professionalisierung der Personalarbeit
Der Wandel der Arbeitskultur und die Digitalisierung sorgen auch bei vielen kleinen oder mittleren gemeinnützigen Organisationen für Orientierungsbedarf. Um die fachliche Lücke zu schließen, erweitert der UPJ e.V. sein Portfolio und möchte zukünftig Unterstützung bei Fragen in der Personalarbeit anbieten. Geplant ist ein Angebot, bei dem sich Personalabteilungen von Unternehmen mit ihren fachlichen Kompetenzen engagieren können. Um die Bedürfnisse in der Zivilgesellschaft zu ermitteln und das Angebot inhaltlich darauf abstimmen zu können, hat UPJ aktuell eine Online-Umfrage geschaltet. Diese richtet sich an Vorstände, Geschäftsleitungen und Personalverantwortliche aus gemeinnützigen Organisationen mit hauptamtlichen Mitarbeiter/innen. Die Teilnahme ist noch bis zum 28. Juni 2024 möglich.
Thesenpapier: Fristen für Verbändebeteiligung in Gesetzgebungsprozessen
Die Bundesministerien räumen den Fachverbänden oft zu wenig Zeit ein, um zu Gesetzesentwürfen Stellung nehmen und ihr Expertenwissen einbringen zu können. Dieses Fazit ziehen Mehr Demokratie e.V., FragDenStaat und Green Legal Impact e.V. in einem am 13. Mai vorgelegten Thesenpapier. Sie werteten hierzu Daten der vergangenen und aktuellen Legislaturperiode (2017-2023) aus. Durchschnittlich wurde den Verbänden eine Frist von 15,4 Arbeitstagen gesetzt. In 30 Prozent der Fälle mussten Stellungnahmen in weniger als zehn Arbeitstagen erarbeitet werden, 18 Prozent in weniger als fünf Arbeitstagen. Diese knappen Zeitfenster können zu inhaltlich verkürzten Stellungnahmen führen, mahnen die Autor/innen an und fordern die Aufnahme einer Vier-Wochen-Frist für Stellungnahmen in die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO).
Das Thesenpapier im Wortlaut (PDF)
»Engagierte Stadt« im Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement
Am 15. Mai 2024 beschäftigte sich der Unterausschuss Bürgerschaftliches Engagement des Bundestages mit dem Netzwerkprogramm »Engagierte Stadt«. Bundesweit arbeiten derzeit in über 100 Kommunen Bürger/innen, zivilgesellschaftlichen Akteure, Verwaltung, Politik, Unternehmen und/oder Wissenschaft sektorenübergreifend und kooperativ an nachhaltigen lokalen und regionalen Engagementstrukturen (s. eNewsletter 04/2024). Als Sachverständige gaben neben den beiden Sprecher/innen der Engagierten Städte auch Vertreter/innen der Programmträger Bundesnetzwerk für Bürgerschaftliches Engagement (BBE) und der Bertelsmann Stiftung einen Einblick in das Programm. Sie stellten den Abgeordneten die Arbeits- und Wirkweisen innerhalb des Lernnetzwerks sowie die Breite der involvierten Akteure und deren Rollen vor. Das Parlament sei aufgefordert, mit der Weiterfinanzierung des Modells Engagierte Stadt auf die überragende Bedeutung der kommunalen Ebene für die Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements einzuzahlen. Die Sitzung des Unterausschusses kann auf der Website des Bundestags als Videostream abgerufen werden.
Sächsischer Förderpreis für Demokratie
Die Amadeu Antonio Stiftung vergibt 2024 wieder den Sächsischen Förderpreis für Demokratie. Bis zum 15. Juli können sich Projekte und Initiativen bewerben oder vorgeschlagen werden, die sich z.B. für demokratische Alltagskultur einsetzen, sich mit Diskriminierung, Menschenrechten und Rechtsextremismus beschäftigen oder Betroffene rechter Gewalt unterstützen. Das Ziel des Förderpreises, der auch von Freudenberg Stiftung, Sebastian Cobler Stiftung und Dirk Oelbermann Stiftung ausgelobt wird, ist die öffentliche Würdigung und Sichtbarmachung unterschiedlicher Arten von Engagement. Es wird ein Preisgeld von 5.000 bzw. 1.000 Euro vergeben. Die Online-Bewerbung kann über die Website der Amadeu Antonio Stiftung aufgerufen werden.
Im Fokus: Europa
Demokratiepolitische Bilanz und Zukunftsaussichten der EU
Die Europawahl Anfang Juni bietet Millionen Europäer/innen die Möglichkeit, an einem der größten demokratischen Prozesse der Welt teilzunehmen. Doch reicht diese »Fünf-Minuten-Demokratie« an der Wahlurne oder sollte die europäische Demokratie mittels kontinuierlicher Beteiligungsformate und Demokratieexperimente weiter gestärkt werden? Daniela Vancic nimmt in ihrem Gastbeitrag die anstehenden Europawahlen zum Anlass für eine demokratie- und beteiligungspolitische Bilanz. Sie stellt die »Conference on the future of Europe« (COFE), die »European Citizens‘ Panels« (ECPs) und die Europäische Bürgerinitiative (EBI) vor, blickt ebenso auf Fortschritte in der demokratischen Praxis wie auf ungenutzte Potenziale und Reformbedarfe. Außerdem stellt sie die Kampagne »Democratic Wave« vor, die im Vorfeld der Europawahl 2024 mit Vorschlägen für eine bürgernahe europäische Demokratie wirbt.
Wie weit ist die Energiebürgerschaft in Europa?
Während der Energiekrise 2021/2022 ergriffen viele Menschen Maßnahmen, um ihren Energieverbrauch zu senken. Vieles von diesem Engagement hat auch nach längerer Zeit noch Bestand und ein nicht unbedeutender Teil der EU-Bevölkerung kann sich vorstellen, langfristige Maßnahmen für einen nachhaltige Energieverbrauch umzusetzen. Dieses Stimmungsbild geht aus einer im Zuge des EU-Projekts EnergyPROSPECTS initiierten Umfrage unter 10.000 EU-Bürger/innen hervor. Um ein umfassendes Verständnis über verschiedene Formen des bürgerschaftlichen Engagements in der Energiewende und die dafür förderlichen Bedingungen zu identifizieren, hat ein Team der TU Berlin die Entwicklung einer Typologie von Formen der Energiebürgerschaft (engl. »Energy Citizenship«) geleitet. Ariane Debourdeau und Martina Schäfer stellen in ihrem Gastbeitrag die Bandbreite der Formen von Energiebürgerschaft anhand von zehn Ideal-Typen vor, ordnen ihnen ca. 600 Fallbeispiele zu und zeigen ihre geografische Verteilung.
Für eine Union der Bürger/innen: EU-Erweiterung als Durchbruch für Bürgerbeteiligung
Das Vertrauen der Bürger/innen in etablierte politische Institutionen schwindet und der Ruf nach mehr direkter Beteiligung wird immer lauter. Es ist fraglich, ob die Europäische Union in der Lage sein wird, die aktuellen »multiplen Krisen« und Dilemmata wie Klimawandel, digitaler Wandel oder geopolitische Sicherheit ohne eine angemessene und effektivere Beteiligung der Bürger/innen zu bewältigen. Gleichzeitig erweisen sich die bestehenden Instrumente oft als zu unbekannt und wirkungslos, stellt Andrey Demidov in seinem Gastbeitrag fest. Damit die geplante Erweiterung der EU um neun weitere Mitglieder in dieser Konstellation zu einem Erfolg wird, sollten begleitend Reformen der europäischen Bürgerbeteiligung stattfinden. Demidov skizziert drei zentrale Schritte, mit denen die Europäische Union auch in der Praxis zu einer echten Union der Bürger/innen werden kann.
EU: Demokratiepaket, EBI und neue Plattform für Bürgerbeteiligung
Die Europäische Kommission hat Ende 2023 ein Paket zur Verteidigung der Demokratie, kurz »Demokratiepaket«, veröffentlicht. Die Spanne der darin formulierten Maßnahmen und Herausforderungen reicht von der Abwehr feindlicher Einflussnahme durch Drittstaaten bis hin zur Aktivierung der Zivilgesellschaft. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Stärkung der politischen Partizipation, wobei die EU-Kommission die Wahlbeteiligung erhöhen und Formate der Bürgerbeteiligung sowie die Unterstützung zivilgesellschaftlicher Organisationen fördern will.
Ebenfalls Ende 2023 hat die EU-Kommission ihren ersten Bericht zur Europäischen Bürgerinitiative (EBI) vorgelegt. Darin werden die seit der Überarbeitung der Verordnung im Jahr 2020 aus Sicht der Kommission erzielten Fortschritte vorgestellt. Zugleich werden im Bericht eine Reihe praktischer Maßnahmen angekündigt, um die Beteiligung der europäischen Bürger/innen an demokratischen Prozessen in der EU weiter zu verbessern.
Zusätzlich möchte die EU die Bedürfnisse der rund 450 Millionen EU-Bürger/innen mit einer neuen Plattform für Bürgerbeteiligung sichtbarer machen. Es sollen nicht nur die Stimmen der Bürger/innen gehört, sondern sie auch aktiv in den Gesetzgebungsprozess einbezogen werden. Interessierte können über die Plattform ihre Ideen einbringen und zu den Vorschlägen anderer Stellung nehmen. Das Ergebnis dieser Beteiligung soll dann in Europäische Bürgerforen und letztendlich in den EU-Gesetzgebungsprozess einfließen.
abgeordnetenwatch.de: Orientierung bei der Wahlentscheidung
Im Vorfeld der Europawahl sind auf dem Portal abgeordnetenwatch.de alle 1331 zur Wahl stehenden deutschen Politiker/innen gelistet. Hier bietet sich die Möglichkeit, in einem direkten Austausch Fragen an die Kandidat/innen zu richten und die öffentlichen Antworten der Politiker/innen einzusehen. In einem Kandidierendencheck nehmen die Politiker/innen auf ihren Profilseiten zudem Stellung zu elf Thesen von Einstimmigkeitsprinzip über Chatkontrolle bis EU-Beitritt der Ukraine. Zudem können alle dokumentierten namentlichen Abstimmungen aus der Legislaturperiode 2019-2024 und die Wahlprogramme der Parteien abgerufen werden. Der Abgleich eigener Positionen mit denen der Kandidat/innen und Parteien soll die Wahlentscheidung am 9. Juni unterstützen.
Publikationen
Publikation: Unterwegs in die Stadt der Zukunft
Auf welche Weise Gemeinschaftsgärten in urbanen Räumen nicht nur das Stadtbild, sondern auch die ortsansässige Gesellschaft prägen, schildert die Publikation »Unterwegs in die Stadt der Zukunft«. Der Band stellt die Dimensionen der neuen urbanen Gartenbewegung und ihre Rolle bei der Schaffung von menschen- und umweltfreundlichen Städten in den Vordergrund. Anhand von 26 ausgewählten Projekten zeigen die Autorinnen nachhaltige Perspektiven zum Zusammenleben im Ökosystem Stadt auf. Hierzu veranschaulichen sie nicht nur, wie man die städtische Bodenqualität erhöht oder lokale Insektenpopulationen schützt. Auch die Belebung von Quartieren oder die Umgestaltung von öffentlichen Plätzen ist Teil des präsentierten Nachhaltigkeitsansatzes.
Andrea Baier, Christa Müller, Karin Werner (Hrsg.): Unterwegs in die Stadt der Zukunft. Bielefeld 2024, 432 S., ISBN 978-3-8376-7163-6
Publikation: (Un)Möglichkeit der Teilhabe – Grenzen der Stadtentwicklung
In der Ausgabe 1/2024 der Zeitschrift »pnd - rethinking planning« stehen die Grenzen partizipativer Stadtenwicklung im Fokus. Die zugehörigen Beiträge setzen sich neben den Grenzen aber auch mit den Möglichkeiten von Partizipation in städteplanerischen Prozessen auseinander. Hierbei ist folgende Prämisse maßgeblich: Das Gesamtgefüge Stadt wird stets von diversen Akteuren räumlich und sozial gestaltet. Vor diesem Hintergrund finden auch die Kriterien Niedrigschwelligkeit, Teilnahme und Mitwirken Berücksichtigung. Exemplarische Handlungsfelder sind die Bereiche Infrastruktur, Energie und Nachhaltigkeit. Aber auch sozio-kulturelle Hintergründe sowie die Frage nach einer aktiven Beteiligungskultur sind Themen der aktuellen Ausgabe, die kostenlos zum Download zur Verfügung steht.
Nina Berding, Katharina Frieling, Moritz Maikämper (Hrsg.): (Un)Möglichkeit der Teilhabe – Grenzen der Stadtentwicklung. Aachen 2024, 248 S., ISSN 2747-3309
Veranstaltungen, Seminare, Tagungen
Veranstaltungsreihe: Stark bleiben! Krisenfest im Aktivismus
Mit der neuen Veranstaltungsreihe »Stark bleiben! Krisenfest im Aktivismus« möchte das Programm openTransfer Zusammenhalt der Stiftung Bürgermut Engagierte und Aktivist/innen unterstützen, die im Kleinen wie im Großen manchmal über ihre Grenzen gehen, um die Welt ein bisschen besser zu machen. Die Reihe besteht aus zwei digitalen Workshops (6. und 20. Juni 2024) und einem Meet-up in Chemnitz (13. Juni 2024).
Konferenz: UPJ-Jahrestagung 2024
Die diesjährige UPJ-Jahrestagung steht unter dem Thema »Rethinking CSR? Verantwortlich handeln in unruhigen Zeiten«. Im Rahmen der Veranstaltung werden Vertreter/innen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Politik über Alternativen zur Corporate Social Responsibility (CSR) diskutieren. Der Fokus liegt auf der Rolle von Unternehmen angesichts globaler Krisen wie dem Klimawandel, wachsender sozialer Ungleichheit und antidemokratischer Entwicklungen. Die Veranstaltung findet am am 19. Juni 2024 in Berlin statt.