eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 6/2024 (27.06.2024)
Inhalt
- Meldungen aus der Bürgergesellschaft
- Im Fokus: Kommunale Leitlinien für Bürgerbeteiligung
- Publikationen
- Veranstaltungen, Seminare, Tagungen
Meldungen aus der Bürgergesellschaft
Stiftungen und Vereine fordern Reform des Gemeinnützigkeitsrechts
Im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung wurde eine Reform des geltenden Gemeinnützigkeitsrechts vereinbart. Nun fehlen in einem Referentenentwurf zum Jahressteuergesetz 2024 des Bundesfinanzministeriums jedoch einige der in Aussicht gestellten Veränderungen. In Offenen Briefen drängen jetzt verschiedene Zusammenschlüsse aus Stiftungen und Vereinen auf Anpassungen mit dem Ziel eines modernen und unbürokratischen Gemeinnützigkeitsrechts. Das Jahressteuergesetz bietet für die laufende Legislaturperiode die letzte Chance der Umsetzung einer entsprechenden Reform. Auch vor dem Hintergrund multipler Krisen und der zunehmenden Spaltung der Gesellschaft fordern die Unterzeichnenden unter anderem rechtliche Sicherheit, eine Erweiterung des Zweckkatalogs – vor allem bei Engagement gegen Rechtsextremismus und für die Demokratie – und eine Gleichbehandlung von Förderungen weltweit. Die Allianz Rechtssicherheit für politische Bildung hat eine Auswahl der offenen Briefe zusammengestellt.
Initiative »Vereint für Demokratie« gestartet
Das Bündnis »Vereint für Demokratie« aus Akteuren der Wirtschaft und Zivilgesellschaft, u.a. Allianz Foundation und ProjectTogether, stellt in einem Fonds 1 Mio. Euro zu Verfügung, um in 2024 auf unbürokratische Weise Organisationen zu unterstützen, die sich mit bewährten Methoden für die Demokratie einsetzen und ihre Aktivitäten ausweiten wollen. Unternehmen, andere zivilgesellschaftliche Akteure und Privatpersonen sind dazu aufgerufen, in den Fonds einzuzahlen. Gemeinnützige Organisationen werden zunächst in Form eines Screening-Verfahrens durch zivilgesellschaftliche Expert/innen für eine Förderung vorgeschlagen. Die Auswahl trifft eine multiprofessionelle Jury. Auf der Internetseite der Initiative sind die Initiatoren, Unterstützer/innen und eine erste Auswahl geförderter Organisationen abgebildet.
Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie: Online-Beteiligung läuft
Seit 2002 gibt es die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie (DNS), die seitdem ständig weiterentwickelt wird. Die DNS orientiert sich inzwischen an den Zielen nachhaltiger Entwicklung (Sustainable Development Goals/SDGs) der Agenda 2030. Um aktuellen oder sich verändernden Herausforderungen zu begegnen, findet in diesem Jahr eine neue Anpassung statt. In der Dialogfassung »Weiterentwicklung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie 2024« wird der aktuelle Stand der Erarbeitung und Beratung innerhalb der Bundesregierung wiedergegeben. Auf der Beteiligungsplattform dialog-nachhaltigkeit.de haben Bürger/innen noch bis zum 26. Juli 2024 die Möglichkeit, sich mit ihren Ideen für eine nachhaltige Gesellschaft einzubringen. Die Impulse aus der Bevölkerung werden zur Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsstrategie genutzt. Die Beschlussfassung der ergänzten und überarbeiteten Strategie durch das Bundeskabinett ist bis Ende 2024 vorgesehen.
Umfrage: Weiterbildung im Engagement und Ehrenamt
Ehrenamtliches Engagement ist ein zentraler Pfeiler unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts. Dieses Engagement erfordert oft bestimmte Kenntnisse und Fertigkeiten. Daher stellt sich die Frage, wie sich ehrenamtlich Engagierte ihr Wissen aneignen und was ihnen dabei hilft. Vor diesem Hintergrund sucht die gemeinnützige learninglab gGmbH Engagierte und Ehrenamtliche, die an einer wissenschaftlichen Onlinebefragung (Bearbeitungszeit ca. 15 Minuten) teilnehmen wollen. Die Umfrage befasst sich mit den Lernerfahrungen von Engagierten und Ehrenamtlichen. Die erhobenen Daten werden in anonymisierter Form im Anschluss an die Befragung frei zugänglich und für alle Interessierten verwendbar sein. Das Forschungsprojekt wird von der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE) gefördert.
MutBlock: Geschichten von wehrhaften Projekten und engagierten Menschen
Mit dem MutBlock stellt die Stiftung Bürgermut ab sofort und anhand ausgewählter guter Beispiele zivilgesellschaftliche Projekte vor, die sich vor Ort für demokratische Teilhabe einsetzen. Die vorgestellten Initiativen und Menschen zeigen, dass es viele Wege gibt, das eigene Umfeld zu gestalten und sich für Zusammenhalt und Vielfalt zu engagieren. Den Anfang der vorgestellten Projekte machen eine Dorfinitiative aus Südbrandenburg sowie ein Verein, der ein Schwimmbad nicht nur zum Schwimmen, sondern auch als Ort der Begegnung nutzt. Auf dem MutBlock wird zur Einsendung von Hinweisen auf Engagierte und mutmachende Initiativen aufgerufen.
Open Data Ranking Deutschland
Mit den Begriffen Open Government und Open Data sind die Offenlegung von Regierungs- und Verwaltungsdaten gegenüber Bürgerinnen und Bürgern oder Zivilgesellschaft gemeint. Dadurch sollen neue beteiligungsorientierte Formen der Kooperation von Staat, Politik, Verwaltung, Bürger/innen und Zivilgesellschaft etabliert werden. Behörden von Bundes- bis Kommunalebene produzieren jeden Tag enorme Mengen an Daten. Doch verhältnismäßig wenige Informationen werden unter freien Lizenzen bereitgestellt. Dabei wird die Notwendigkeit, Daten offen zur Verfügung zu stellen, schon seit längerem gefordert; die Umsetzung läuft aber nur schleppend. Das Open Data Ranking der Open Knowledge Foundation hat nun die Lage in Bund und Ländern in sechs verschiedenen Kategorien verglichen, um die Diskussionsgrundlage zu verbessern.
Im Fokus: Kommunale Leitlinien für Bürgerbeteiligung
Überblick: Sammlung kommunaler Leitlinien
Die Erstellung von Regelungen und Handlungsempfehlungen zur lokalen Bürgerbeteiligung ist ein anhaltender Trend. Mittlerweile verfügen mehr als 130 deutsche Kommunen über ein fertiges Regelwerk oder arbeiten an einem solchen. Hierzu zählen Großstädte ebenso wie kleine Gemeinden oder Landkreise. Die Beteiligungsleitlinien stecken einen Rahmen für qualitätvolle Beteiligungsverfahren ab. Ihre konkrete Ausgestaltung ist von Kommune zu Kommune – trotz wiederkehrender Elemente – ebenso unterschiedlich wie die vorausgegangenen Erarbeitungsprozesse. Ein Überblick bietet das Netzwerk Bürgerbeteiligung auf seiner Website.
Systematische Öffentlichkeitsbeteiligung der Stadt Köln
Als Reaktion auf zahlreiche Forderungen aus der Kölner Stadtgesellschaft hat sich die Stadt Köln vor einigen Jahren auf den Weg gemacht, die Beteiligung der Öffentlichkeit systematisch weiterzuentwickeln. An die Erarbeitung und den politischen Beschluss der Leitlinien für Öffentlichkeitsbeteiligung in 2018 schlossen sich deren Erprobung in einer einjährigen Pilotphase an. Doch auch im weiteren Verlauf wurden die Leitlinien planmäßig schrittweise umgesetzt, um aus den Erfahrungen zu lernen und bei Bedarf mit Anpassungen reagieren zu können. Katharina Pitko zeigt in ihrem Gastbeitrag, wie die sukzessive Implementierung der Leitlinien in der Millionenstadt gelungen ist und wie sich die Systematische Öffentlichkeitsbeteiligung in Köln mit ihren Strukturen und Rahmenwerken in den letzten fünf Jahren bewährt hat.
Rheine: Bürgerbeteiligung und Bürgerengagement lokal zusammendenken
Zur Lösung lokaler Herausforderungen und Transformationsaufgaben braucht es das aktive Mitwirken der Bürgerinnen und Bürger. Dieses kann sich sowohl in Prozessen der Bürgerbeteiligung, als auch im vielfältigen Bürgerengagement für das lokale Gemeinwohl ausdrücken. Die Stadt Rheine denkt die beiden Handlungsfelder mit den in 2023 verabschiedeten »Leitlinien zur Förderung der Beteiligung und des Engagements der Bürgerinnen und Bürger« strategisch zusammen. Dabei spielen auch die in Rheine bereits etablierten Stadtteilbeiräte eine wichtige Rolle, die sich als Drehscheiben für bürgerschaftliches Engagement verstehen und mit den Leitlinien zusätzliche Funktionen erhalten. Siegmar Schridde stellt in seinem Gastbeitrag die Phasen der Leitlinienentwicklung, erste Umsetzungsschritte sowie die generellen Vor- und Nachteile dar, die das Zusammendenken von Partizipation und Engagement mit sich bringt.
10 Jahre Bürgerbeteiligung im Landkreis Marburg-Biedenkopf
Seit einer Dekade arbeitet der Landkreis Marburg-Biedenkopf unter dem Leitbild der »Bürgerkommune« an der Weiterentwicklung der lokalen Bürgerbeteiligung. Wichtigster Baustein der Aufbauarbeit war ein moderierter Trialog zwischen Kreisverwaltung, Kreispolitik und Kreisgesellschaft, aus dem ein im Jahr 2016 beschlossenes Beteiligungskonzept hervorging. Im April 2024 wurde nun eine externe Evaluation zu Strukturen und Prozessen der Bürgerbeteiligung im Landkreis vorgestellt. Annika Schmidt-Ehry und Nadine Debus berichten in ihrem Gastbeitrag über die Ergebnisse der Evaluation und gehen auf die besonderen Herausforderungen ein, die mit der nachhaltigen Förderung von Bürgerbeteiligung in einem Flächenlandkreis verbunden sind.
Mannheim: Fünf Jahre Regelwerk Bürgerbeteiligung
Das »Regelwerk Bürgerbeteiligung« bildet seit mittlerweile fünf Jahren die zentrale Grundlage für die Verankerung von Bürgerbeteiligung in Mannheim. Zu den Eckpunkten des Regelwerks gehören u.a. eine kommunale Koordinierungsstelle Bürgerbeteiligung in der Verwaltung, eine städtische Vorhabenliste und ein regelmäßiges (Wirkungs-)Monitoring. Ruth Kupper stellt in ihrem Gastbeitrag diese und andere zentrale Elemente des »Mannheimer Wegs« vor und erläutert, wie sich deren Wahrnehmung und Ausgestaltung in den letzten Jahren entwickelt haben. Dabei bleibt die Kommunikation der entwickelten Mitgestaltungsmöglichkeiten eine stetige Aufgabe.
Kinder und Jugendliche gestalten die Zukunft Bonns mit
Kinder und Jugendliche haben das Recht, in politische und gesellschaftliche Entscheidungen einbezogen zu werden. Damit dies auf kommunaler Ebene zur Praxis wird, braucht es jedoch mehr als gute Absichten; es braucht ein Umdenken in Politik und Verwaltung und die Anerkennung der Expertise junger Menschen. Die Stadt Bonn hat mit einem Konzept zur »Kinder- und Jugendbeteiligung im Verwaltungshandeln und an politischen Entscheidungsprozessen« einen Rahmen für ein starkes Mandat der Jugend gesetzt. Daniela Nohr schildert in ihrem Gastbeitrag, wie das Konzept nach und nach mit einer Mischung aus projektorientierten Formaten und institutionalisierten Gremien in die Realität umgesetzt wird.
Kaiserslautern: So funktioniert Beteiligung in der Smart-City
Smart-City- und Digitalthemen stellen aufgrund ihres hohen Abstraktionsgrads besondere Anforderungen an die Gestaltung von Beteiligungsprozessen. In Kaiserslautern wird diese Gestaltungsaufgabe in den jüngst beschlossenen Leitlinien zur Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern bereits von Anfang an mitgedacht. Die Entwicklung der Leitlinien war wegen inhaltlicher Überschneidungen mit dem Smart-City-Projekt »Lautrer Stadtdialog« verknüpft worden. Eine städtische Tochtergesellschaft für Digitalprojekte gestaltete den Prozess, in dem Einwohnerinnen und Einwohner, städtische Beiräte sowie Verwaltung und Politik in einem Arbeitskreis eng zusammenwirkten. Patrick Glaser und Sabine Martin erläutern in ihrem Gastbeitrag, wie die lokale Demokratie in Kaiserslautern mit den Leitlinien vorangebracht werden soll und warum für breite Beteiligung auch zu Digitalthemen nicht auf analoge Formate verzichtet werden kann.
Publikationen
SINUS-Jugendstudie 2024
Die SINUS-Jugendstudie untersucht seit 2008 alle vier Jahre die aktuelle soziokulturelle Verfassung der jungen Generation. Durch die Erhebung qualitativ-empirischer Daten werden Antworten auf Fragen rund um die Themen Alltag, Zukunftsaussichten, Werte und Lebensstil gesucht. Befragt wurden für die aktuelle Studie 72 Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren. Im Ergebnis entsteht ein Modell mit sieben Milieus, denen die Jugendlichen zugeordnet werden können. In der Befragung geht es unter anderem um Partizipation in und außerhalb der Schule, um Demokratie und die Absenkung des Wahlalters. Die Publikation zur Studie ist online im Volltext abrufbar.
Marc Calmbach et al. (Hrsg.):Wie ticken Jugendliche? SINUS-Jugendstudie 2024 – Lebenswelten von Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren in Deutschland. Bonn 2024, 308 S., ISBN 978-3-7425-1133-1
Tipps und Strategien aus der Praxis, um Freiwillige zu gewinnen
Menschen für's Ehrenamt zu begeistern, ist keine leichte Aufgabe. Daher bietet die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE) nun mit einer umfangreichen Broschüre einen Leitfaden an, um verschiedene Zielgruppen erfolgreich für ein Engagement anzusprechen. Der Fokus liegt darauf, wie die junge Generation, Menschen mit verschiedenen kulturellen Hintergründen und mit unterschiedlichem Bildungsgrad aktiviert werden können. Gemeinnützige Organisationen, die mit dem Förderpreis der DSEE ausgezeichnet wurden, dienen als Beispiele aus der Praxis, anhand derer die Themen Öffentlichkeitsarbeit, Organisationsstruktur und Organisationskultur behandelt werden. Zu den verschiedenen Bereichen gibt es Checklisten, mit denen Organisationen ihre Tätigkeit überprüfen können. Die praktischen Erfahrungen werden zudem mit Daten aus verschiedenen Erhebungen illustriert.
Die Broschüre im Wortlaut (PDF)
Veranstaltungen, Seminare, Tagungen
Web-Talk: »Demokratie stärken: Per Bürgerrat zum Klimaschutzkonzept«
Am 3. Juli 2024 veranstaltet der Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung e.V. (vhw) einen einstündigen Kleinstadt-Web-Talk zum Thema »Demokratie stärken: Per Bürgerrat zum Klimaschutzkonzept«. Dabei berichtet die Hansestadt Osterburg mit ihren knapp 10.000 Einwohner/innen über die Umsetzung des ersten Bürgerrates in Sachsen-Anhalt. Gemeinsam erarbeiteten Teilnehmer/innen aus allen Ortsteilen Leitplanken für die zukünftige Ausrichtung des Klimaschutzes in der Einheitsgemeinde. Die Erfahrungen dieses Prozesses, von der Vorbereitung, der Stichprobenziehung, der Durchführung der Veranstaltungen und dem weiteren Vorgehen nach Abschluss des Verfahrens werden im Web-Talk vorgestellt und diskutiert.
Online-Veranstaltung: Nachhaltigkeitsinitiativen stärken und vernetzen
Für den sozial-ökologischen Wandel der Gesellschaft sind zivilgesellschaftliche Nachhaltigkeitsinitiativen unerlässlich. Doch welcher konkreten Unterstützung bedarf es von staatlicher Seite, damit sich das transformative Potenzial der Initiativen voll entfalten kann? Wie gelingt eine bessere Zusammenarbeit von Zivilgesellschaft und Verwaltung? Welche Finanzierungsformen braucht es und wie werden Nachhaltigkeitsinitiativen besser öffentlich sichtbar? Das Forschungs- und Beteiligungsprojekt »Nachhaltigkeitsinitiativen stärken und vernetzen« hat im Auftrag des Umweltbundesamts (UBA) und des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) diese Fragen in den Blick genommen und in einem partizipativen Prozess Lösungsansätze für Verwaltung und Politik erarbeitet. Im Rahmen einer digitalen Abschlussveranstaltung am 9. Juli 2024 von 16-18 Uhr werden die Erkenntnisse aus dem dreijährigen Prozess präsentiert.