eNewsletter Nr. 1/2013 (18.01.2013)
Inhalt
- Meldungen aus der Bürgergesellschaft
- Im Fokus: Bürgerhaushalte zwischen Wunsch und Wirklichkeit
- Publikationen und Veranstaltungen
- In eigener Sache
Meldungen aus der Bürgergesellschaft
Werkstatt Vielfalt
Junge Menschen in Deutschland wachsen in einer Gesellschaft auf, die so bunt und vielfältig ist wie nie zuvor. Kontakte zwischen Menschen aus unterschiedlichen sozialen, kulturellen oder religiösen Milieus sind von grundlegender Bedeutung für das gegenseitige Verständnis und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Hier setzt die »Werkstatt Vielfalt« an, ein neues Förderprogramm der Robert Bosch Stiftung in Zusammenarbeit mit der Stiftung MITARBEIT. Ab 2013 werden Projekte gefördert, die die Selbstwirksamkeit und aktive Teilhabe junger Menschen an ihrem Lebensumfeld unterstützen. Bewerben können sich Initiativen und gemeinnützige Vereine, Bürgerbüros, Schulen und Universitäten, städtische Jugendeinrichtungen, Kirchengemeinden, religiöse Vereinigungen oder Migrantenorganisationen. Die Robert Bosch Stiftung fördert ausgewählte Projekte mit insgesamt bis zu 7.000 Euro für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten bis zu höchstens zwei Jahren. Einsendeschluss für die erste Auswahlrunde ist der 15. März 2013.
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Thüringen: Modellprojekt des Landtags zu Bürgerbeteiligung
In Thüringen haben die Bürgerinnen und Bürger ab sofort die Möglichkeit, sich online am parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren zu beteiligen. Dazu wurde im Dezember im Netz ein Diskussionsforum des Thüringer Landtags freigeschaltet. Im Rahmen des Portals informieren die Ausschüsse des Thüringer Landtags über aktuelle Gesetzesvorhaben; Bürgerinnen und Bürger des Freistaats können diese online kommentieren und ihre Meinung den 88 Abgeordneten des Thüringer Landtags mitteilen. Die Auswahl der im Diskussionsforum zu behandelnden Themen obliegt ausschließlich dem Thüringer Landtag. Die erste Diskussion auf dem Portal fand zum Thüringer Gleichstellungsgesetz statt, Ende Januar startet eine neue Diskussionsrunde. Das Thema steht noch nicht fest.
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Fairtrade und ländliche Entwicklung
Welche Wirkung hat Fairtrade auf die ländliche Entwicklung in den Produktionsländern des globalen Südens? Was sind entscheidende Faktoren für einen optimalen Einfluss? Anlässlich seines 20-jährigen Jubiläums hat der Verein TransFair gemeinsam mit der Max Havelaar-Stiftung Schweiz eine Studie in Auftrag gegeben, die die Wirkung von Fairtrade in verschiedenen Produktbereichen auf drei Kontinenten prüft. Für die Studie wurde eine Vielzahl qualitativer und quantitativer Daten erhoben. Untersucht wurden Fallstudien in den Produktbereichen Kaffee, Bananen, Tee, Baumwolle, Kakao und Blumen. Die Studie vergleicht die Entwicklungen von Fairtrade-zertifizierten Kleinbauernkooperativen, Plantagen und Vertragsanbauern mit konventionellen Organisationen. Vergleichsgrößen waren unter anderem Bildung, Gesundheitsversorgung und Gender. Die Studie belegt, dass Fairtrade einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Lebensverhältnisse von Kleinbauern und Landarbeitern im ländlichen Raum leistet. Demnach hat die Präsenz von Fairtrade-Kooperativen positive Auswirkungen auf die ländliche Entwicklung der jeweiligen Region. Die Auswirkungen beziehen sich auf die vermehrte Einbindung und Teilnahme der lokalen Bevölkerung in ländliche Entwicklungsaktivitäten und somit auf die Verbesserung der sozialen, ökonomischen und ökologischen Bedingungen in den ländlichen Gegenden, in welchen die Mitglieder bzw. Arbeiter/innen von Fairtrade-Produzentenorganisationen leben. Hinter Fairtrade stehen verschiedene Organisationen: Der internationale Dachverband setzt sich aus 25 Mitgliedern zusammen, darunter Fairtrade-Siegel-Initiativen und Produzentennetzwerke.
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Studie: Crowdfunding und Online-Fundraising
Die Idee ist verblüffend einfach: kleine Initiativen und Projekte, die unterhalb des »Radars« der traditionellen Entwicklungszusammenarbeit liegen, sollen eine Chance erhalten, ihr Anliegen auf einem Internetportal zu veröffentlichen und dort direkt um Unterstützung zu werben. Ob Hilfe für Flüchtlinge aus Syrien oder der Aufbau einer demokratischen Schule in Peru: Das Anliegen, Entwicklungshilfe mithilfe des Internets transparent und partizipativ zu gestalten, findet immer mehr Anhänger. Eine aktuelle Studie zeigt: Rund 6,6 Millionen Deutsche haben bereits soziale Projekte durch ihre Spende via Internet unterstützt. Das entspricht jedem/r achten Internetnutzer/in (12 Prozent), so eine repräsentative Studie des Branchenverbands BITKOM. Neben den klassischen Online-Spenden für Hilfsorganisationen bieten seit einiger Zeit spezielle Internetplattformen die Möglichkeit, soziale, kulturelle oder andere Projekte schon mit kleinen Beträgen zu unterstützen. Diese Finanzierungsform wird als Crowdfunding bezeichnet. In Deutschland hat sich inzwischen eine Reihe von Crowdfunding-Plattformen etabliert. Die bislang erfolgreichste Seite ist Kickstarter aus den USA mit mehr als 33.000 realisierten Projekten und einem Finanzierungsvolumen von bislang 373 Millionen Dollar.
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Internetportal Leerstandsmelder.de
Das Webangebot leerstandsmelder.de engagiert sich für mehr Transparenz und neue Möglichkeitsräume in der Stadt. In vielen Städten suchen Menschen bezahlbare Wohnungen und Arbeitsräume. Gleichzeitig stehen unzählige Flächen leer – ob alt oder neu, ob Wohn- oder Gewerberäume, ob zentral oder außerhalb gelegen, ob privat oder in städtischer Hand. Der Leerstandsmelder hat sich zum Ziel gesetzt, allen Interessierten bundesweit einen Überblick über die aktuelle Leerstandssituation zu geben. Leerstände können auf einer Landkarte von allen Nutzer/innen direkt eingetragen werden. Dadurch soll nach dem Willen der Betreiber nach und nach ein kollektiver und frei zugänglicher Daten- und Raumpool entstehen, unabhängig von städtischen Informationskanälen. Darüber hinaus können registrierte Nutzer/innen des Leerstandsmelders Informationen zu den Leerstandsgebäuden und Ideen zum konstruktiven Umgang mit ihnen austauschen. Bislang finden sich auf der Karte bereits zahlreiche Einträge aus Berlin, Bonn, Bremen, Dortmund, Frankfurt am Main, Hamburg, Kaiserslautern, Tübingen und Görlitz.
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Im Fokus: Bürgerhaushalte zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Bürgerbeteiligung an der Haushaltsplanung in Deutschland
Bürgerhaushalte gehören in Deutschland seit einigen Jahren zunehmend zum methodischen Repertoire kommunaler Bürgerbeteiligung. Allerdings sind Bürger- oder Beteiligungshaushalte längst kein kommunaler Alltag: zurzeit sind bundesweit 274 Kommunen auf der Karte der Bürgerhaushalte verzeichnet. Über das Für und Wider von Bürgerhaushalten wird in letzter Zeit zunehmend kontrovers diskutiert. Dr. Oliver Märker, geschäftsführender Gesellschafter der Agentur Zebralog, hat viele Bürgerhaushalte in Deutschland aus nächster Nähe begleitet. In seinem Gastbeitrag skizziert er die Situation in Deutschland und nimmt die Kritik am Verfahren auf. Für ihn ist klar: Nach der anfänglichen Euphorie und den vielen an Bürgerhaushalten herangetragenen Erwartungen auch zur Weiterentwicklung der lokalen Demokratie zeigt sich nun, dass Bürgerhaushalte auf ein möglicherweise realistischeres Niveau zurückpendeln und eine klarere Einschätzung ihrer Leistungsfähigkeit erlauben. Grundfalsch wäre es jedoch, diese Bewegung hin zu mehr Realismus und Pragmatismus als Scheitern des Projekts Bürgerhaushalts zu interpretieren.
Beteiligungshaushalt Freiburg: Rückblick, Einschätzung, Ausblick
Alle zwei Jahre stellt die Stadt Freiburg einen Doppelhaushalt auf. In diesem Jahr bietet die Stadt zum dritten Mal ihren knapp 230.000 Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, sich aktiv in die Diskussionen über den kommunalen Haushalt einzuschalten. Franz-Albert Heimer, Geschäftsführer des Treffpunkts Freiburg, einer Einrichtung zur Förderung Bürgerschaftlichen Engagements, stellt in seinem Gastbeitrag das Freiburger Modell des Bürgerhaushalts und die damit verbundenen Rahmenbedingungen und Herausforderungen vor und erklärt praxisnah, welche Erfolgsfaktoren in der Gestaltung von Beteiligungshaushalten zu beachten sind.
Bürgerhaushalt Gütersloh: Anleitung zum Scheitern
Seit 2009 gibt es auch im nordrhein-westfälischen Gütersloh, einer Stadt mit etwa 97.000 Einwohner/innen, einen Bürgerhaushalt. Die Initiative dazu ging von engagierten Bürgerinnen und Bürgern der Stadt aus. Doch offenbar steht die Fortführung des Beteiligungsinstruments unter keinem guten Stern, maßgebliche Teile der örtlichen Politik und Verwaltung sträuben sich gegen das Projekt und seine Ergebnisse. Dr. Anke Knopp hat mit der von ihr mitgegründeten Bürgerinitiative die Einführung und die Entwicklung des Gütersloher Bürgerhaushalts von Anfang an konstruktiv und kritisch begleitet. In ihrem Beitrag zeigt die Politikwissenschaftlerin die Stolpersteine des Verfahrens auf. Zugespitzt geht es dabei um die Frage: Was müssen Politik und Verwaltung einer Stadt tun, damit ein Bürgerhaushalt scheitert?
Bürgerhaushalte am Beispiel Brasiliens
Brasilien gilt als Mutterland der Bürgerhaushalte. Ausgehend von Porto Alegre hat die Idee, Bürger/innen partizipativ an der Aufstellung des Haushalts zu beteiligen, in den letzten Jahren Anhänger in vielen Ländern der Welt gefunden. Das brasilianische Beteiligungsmodell unterscheidet sich dabei erheblich von vielen der in Deutschland praktizierten Bürgerhaushalte. Dort fungieren Bürgerhaushalte insbesondere als sozialpolitische Planungsinstrumente, um eine gerechtere Verteilung öffentlicher Ressourcen zu erreichen. So werden beispielsweise die Bürger/innen der brasilianischen Millionenmetropole Recife über Bürgerhaushalte in die Weiterentwicklung ihrer Stadt aktiv eingebunden: ausgestattet mit umfassenden Entscheidungskompetenzen können sie mit Hilfe von Stadtteilbudgets unmittelbar über einen Teil der Haushaltsmittel entscheiden. Durch die Ausrichtung auf die Förderung ärmerer Stadtteile und die größere Nähe zur Verwaltung gelingt es in Recife zudem, in hohem Maße unterrepräsentierte Teile der Bevölkerung politisch einzubinden. Paulo Alfredo Schönardie, Promotionsstipendiat an der Universität Hamburg im Bereich Politikwissenschaften und als Brasilianer in seiner Heimat selbst an Bürgerhaushalten beteiligt, unterstreicht in seinem Gastbeitrag, dass es kein Patentrezept für das Gelingen von Bürgerhaushalten gibt, sondern dass sich Bürgerhaushalte stets an die jeweiligen Bedingungen vor Ort anpassen müssen, um erfolgreich zu sein.
Publikationen und Veranstaltungen
Publikation: Werkstatt Stadtkultur
Ob »Kultur für alle«, »soziale Inklusion« oder »kulturelle Partizipation«: im Alltag der Kulturarbeit sind immer wieder neue Denk- und Aktionsstrategien vonnöten. Die Autorin – 30 Jahre als Kulturamtsleiterin in Berlin-Neukölln tätig – entwickelt im Dialog und Diskurs mit nationalen und internationalen Debatten praxisnahe Konzepte kommunaler Kulturarbeit. Themen des Buches sind Armut, Interkulturalität, Netzwerken als Basis von Stadtkulturarbeit, Kunst als Impetus von Stadtentwicklung, Leitkulturen, Potenziale und Behinderungen, Diversität als Grundlage für demokratische, innovative Stadtkultur und Inklusion. Es geht weniger um Geld, es geht viel mehr um genaues Hinsehen, um Respekt und Innovation. Die Publikation möchte mithelfen, neue Governance-Strukturen zu etablieren, die demokratisches, inklusives Gemeinwesen ernst nehmen.
Dorothea Kolland: Werkstatt Stadtkultur. Potentiale kultureller und künstlerischer Vielfalt. 2012, 319. S., 19,00 Euro, ISBN 978-3-8375-0794-2
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Publikation: Handbuch Aktivierende Befragung
Aktivierende Befragung ist eine Methode, die in der Gemeinwesenarbeit entwickelt wurde. Die Bürgerinnen und Bürger eines Wohngebiets oder Stadtteils werden nicht nur nach ihren Meinungen und Einstellungen befragt, sondern gleichzeitig angeregt und ermutigt, aktiv zu werden, für ihre Interessen einzutreten und bei der Lösung von Problemen im Gemeinwesen mitzuwirken. Die von dem amerikanischen Bürgerrechtler Saul David Alinsky Mitte des 20. Jahrhunderts entwickelte Aktivierende Befragung ist verwandt mit dem methodischen Ansatz des Community Organizing. Sie versteht sich als kommunikatives Handeln und unterscheidet sich damit von anderen Umfrageformen, die ausschließlich der Datenerhebung dienen. Sie ist ein Beitrag zur Demokratieentwicklung von unten, weil sie sich vor allem an jene Gruppen richtet, die bei anderen Beteiligungsprozessen zu kurz kommen oder nicht beachtet werden. Eine neu aufgelegte Publikation der Stiftung MITARBEIT stellt das handlungsorientierte Konzept vor und gibt Tipps für die Praxis.
Maria Lüttringhaus/Hille Richers (Hrsg.): Handbuch Aktivierende Befragung. Konzepte, Erfahrungen, Tipps für die Praxis. 2012, 3. Auflage, 244 S., 10,00 Euro, ISBN 978-3-928053-82-2
Bestellung und Information
Veranstaltungshinweise
Zahlreiche Veranstaltungen sind im <link aktuelles termine-und-veranstaltungen _blank>Veranstaltungskalender des Wegweisers Bürgergesellschaft zu finden. Besonders hinweisen möchten wir dieses Mal auf:
• 12.-15.02.2013 in Münster: 14. Politische Schülerakademie – Demokratie und Protest
Eine Veranstaltung der Akademie Franz Hitze Haus
• 20.02.2013 in Lahnstein: Web 2.0 & Social Media für Einsteiger
Eine Veranstaltung des Kulturbüros Rheinland-Pfalz
In eigener Sache
Praktikum Online-Redaktion
Die Stiftung MITARBEIT in Bonn sucht ab sofort eine/n Praktikant/in zur Unterstützung der Redaktionsarbeit im Internetportal www.buergesellschaft.de. Es geht um ein Vollzeit-Praktikum. Die Aufgaben umfassen in erster Linie die Pflege des Webportals, die Umsetzung von Printmedien für das Web, die redaktionelle Bearbeitung von Texten, Recherche und Bildbearbeitung. Interesse an Einarbeitung in das Open-Source-CMS Typo3 sowie Grundkenntnisse in Photoshop sind Voraussetzungen. Das Praktikum sollte 4 bis 6 Monate dauern und wird mit 400,00 Euro monatlich vergütet. Im Anschluss an das Praktikum besteht je nach Qualifikation die Möglichkeit einer freien Mitarbeit.