eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 7/2021 (14.07.2021)
Inhalt
- Meldungen aus der Bürgergesellschaft
- Im Fokus: Aktuelle Studien und Projekte
- Publikationen und Veranstaltungen
Meldungen aus der Bürgergesellschaft
AdB: Politische Bildung mit Kindern
Ein durch den Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten (AdB) getragenes Modellprojekt erprobt deutschlandweit Formate der politischen Bildung mit Kindern im Alter von 6 bis 12 Jahren. Im Vordergrund steht das Ziel, politische Themen für Kinder im Grundschulalter altersgerecht erfahrbar und zum Bildungsgegenstand zu machen. Grundlage des Projekts ist eine Bedarfserhebung, bei der bestehende Erfahrungen in der politischen Bildungsarbeit mit Kindern eruiert werden sowie der wissenschaftliche Fachdiskurs aufgearbeitet wird. An sieben Pilotstandorten, darunter Heidelberg und Hattingen, werden Modellformate der politischen Bildung mit Kindern zu verschiedenen Themen wie zum Beispiel Diversität, nachhaltige Entwicklung oder Flucht und Migration entwickelt und erprobt. Zudem sollen Beteiligungsstrukturen über den Schulkontext hinaus etabliert werden. Nach und nach entstehen praxisnahe Handreichungen und Dokumentationen, die online zur Verfügung stehen.
Handreichung: Bürgerdebatten online gestalten
Die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung hat seit dem ersten Lockdown weit über 100 Webtalks, Online-Seminare, Webkonferenzen oder Barcamps angeboten. Wie solche Webformate technisch und inhaltlich aufgebaut werden sollten und welche Moderationsstrategien es braucht, um Menschen besser und intensiver miteinander ins Gespräch zu bringen, zeigt nun eine Broschüre, die die gemachten Erfahrungen praxisnah, handlungsorientiert und zielgruppenfreundlich aufbereitet.
Die Handreichung zum Download (PDF)
Politische Beteiligung, Selbstidentifikation und Rassismus-Erfahrungen von Menschen mit Migrationsgeschichten in Deutschland
Wie erfahren Menschen mit Migrationsgeschichten politisches und gesellschaftliches »Mitmachen« und welche Rolle spielt dabei der Faktor und viel diskutierte Begriff »Migrationshintergrund«? In einem aktuellen Forschungsprojekt hat die Initiative »dpart« anhand einer mehrsprachigen, repräsentativen Umfrage Menschen mit und ohne Migrationsgeschichten befragt. Ein Kernergebnis ist: Der Abbau struktureller Barrieren zur Beteiligung von Menschen mit Migrationsgeschichten ist wichtig, um das bestehende Partizipationspotential noch viel stärker zu unterstützen. Dabei gilt es, die äußerst heterogenen Erfahrungen innerhalb der Gruppen von Menschen mit statistischem Migrationshintergrund zu berücksichtigen. Da Menschen mit Migrationsgeschichten sich mehr beteiligen möchten, liegt es an Parteien, Institutionen sowie zivilgesellschaftlichen Organisationen, diese Menschen mehr als bisher zu mobilisieren und ihr Engagement zu fördern.
DSEE: Bewerbungen für Förderprogramme möglich
Bürgerschaftliches Engagement und Ehrenamt sind auf dem Land allgegenwärtig. Die Menschen vor Ort machen mit ihrem Engagement in Vereinen und Initiativen das Leben auf dem Land lebenswerter. Mit dem neuen Programm »Engagiertes Land« möchte die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE) lokale Engagement-Netzwerke aus Orten mit bis zu 10.000 Einwohner/innen unterstützen, die sich gemeinsam auf den Weg machen, die Engagement- und Ehrenamtslandschaft vor Ort weiterzuentwickeln. Interessensbekundungen sind bis zum 25. Juli 2021 möglich. Diese Frist gilt auch für Bewerbungen für das Förderprogramm »100xdigital«. Damit unterstützt die DSEE gemeinnützige Organisationen dabei, Lösungen für die Herausforderungen des digitalen Wandels zu entwickeln. Für das ebenfalls neu gestartete Förderprogramm »ZukunftsMUT« können Projekte für junge Menschen und Familien bis zum 15. August 2021 Anträge stellen.
Kongressdokumentation: Gemeinsam Stadt gestalten
Der vom Bundesverband Wohnen und Stadtentwicklung (vhw) im Juni 2021 durchgeführte Digitalkongress »Lokale Demokratie« widmete sich den Herausforderungen, die sich der Demokratie in Deutschland heute stellen. Warum wächst die Unzufriedenheit mit der Demokratie? Wie lässt sich die lokale Demokratie miteinander und zukunftsfähig gestalten? Welche Möglichkeiten und Grenzen inklusiver Bürgerbeteiligung gibt es, wie gelingt Alltagsdemokratie in Quartier und Nachbarschaft? Eine multimediale Kongressdokumentation mit Redemanuskripten, Videos und vielen weiteren Angeboten steht nun online zur Verfügung.
Studie: Beziehungskrise? Bürger/innen und ihre Demokratie
Vertrauensverlust, Polarisierung und ein zunehmend aggressiver Ton in der Öffentlichkeit: In zahlreichen westlichen Gesellschaften wächst die Sorge um die Zukunft der Demokratie. Angesichts dieser Entwicklungen fragen sich zivilgesellschaftliche Akteure, wo Projekte und Formate ansetzen können, um die Demokratie wirkungsvoll zu stärken. Vor diesem Hintergrund haben die Robert Bosch Stiftung und die Initiative More in Common eine länderübergreifenden Studie initiiert und in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Polen und den USA das Verhältnis der Bürgerinnen und Bürger zur Demokratie untersucht. Demnach erfreut sich die Idee der Demokratie als solche in den untersuchten Ländern großer Beliebtheit. Allerdings koppeln viele Menschen ihre Demokratiezufriedenheit an konkrete und greifbare Ergebnisse. Zudem ist in allen Ländern trotz grundsätzlicher Zufriedenheit eine Vertrauens- und Diskurskrise zu beobachten, die sich vor allem im fehlenden gesellschaftlichen Dialog bemerkbar macht. Die Studienergebnisse zeigen: Die Zukunft der Demokratie lässt sich nicht hinreichend sichern, wenn sie sich nur auf einen Teil engagierter Demokrat/innen stützt. Es müssen auch diejenigen erreicht werden, die keine aktiven oder lautstarken Unterstützer/innen, aber eben auch keine Gegner/innen der Demokratie sind. Denn auch in Gesellschaften mit langer demokratischer Tradition gibt es Menschen, die der Demokratie nicht nahestehen oder von ihr enttäuscht sind, die nicht wählen und nicht gut in politische Prozesse eingebunden sind. Die Studie liefert für das Verständnis und die Ansprache dieser demokratieambivalenten Gruppen eine wissenschaftliche Grundlage.
Die Studie zum Download (PDF)
Im Fokus: Aktuelle Studien und Projekte
Wer engagiert sich freiwillig und warum? Zentrale Ergebnisse des Deutschen Freiwilligensurveys 2019
Der Deutsche Freiwilligensurvey bildet eine wesentliche Grundlage der Sozialberichterstattung zum freiwilligen Engagement in Deutschland. Der Freiwilligensurvey wird seit 1999 alle fünf Jahre durchgeführt. Im Jahr 2019 engagierten sich demnach 39,7 Prozent der in Deutschland lebenden Personen ab 14 Jahren, das sind 28,8 Millionen Menschen. Neben dem freiwilligen Engagement bestimmter Bevölkerungsgruppen interessierte in der aktuellen Ausgabe besonders die Frage, welche Einstellungen Engagierte und Nicht-Engagierte gegenüber der Demokratie haben. Céline Arriagada und Nora Karnick stellen vor diesem Hintergrund in ihrem Gastbeitrag zentrale Befunde des Deutschen Freiwilligenurveys 2019 vor.
Gemeinwesenarbeit in der sozialen Stadt: Entwicklungspotenziale zwischen Daseinsvorsorge, Städtebauförderung und Sozialer Arbeit
Welche Möglichkeiten haben Kommunen und weitere in der Quartiersentwicklung engagierte Akteure, um Gemeinwesenarbeit, insbesondere in benachteiligten Nachbarschaften, strukturell zu verankern? Dies war die zentrale Frage einer aktuellen Studie zur Gemeinwesenarbeit in der sozialen Stadt. Unter Gemeinwesenarbeit wurden dabei Maßnahmen verstanden, die auf die Verbesserung der Lebensbedingungen und des Zusammen-lebens in einem Quartier zielen – mit einem breit gefassten sozialräumlichen Verständnis von Gemeinwesenarbeit als sämtliche Strategien, die sich ganzheitlich auf den Stadtteil und nicht auf einzelne Individuen richten. Die Studie zielt darauf, die strukturelle Verankerung von Gemeinwesenarbeit und sozialraumorientiertem Handeln zur Sicherstellung von sozialer Teilhabe und Daseinsvorsorge und für die Stärkung nachbarschaftlicher Unterstützungsstrukturen zu untersuchen. Petra Potz stellt die Studie in ihrem Gastbeitrag vor.
Potenziale der Gemeinwesenarbeit für lokale Demokratie
Gemeinwesenarbeit als Arbeitsfeld und konzeptioneller Ansatz der Sozialen Arbeit hat die Verbesserung der Lebensverhältnisse in einem Gemeinwesen zum Ziel. Gemeinwesenarbeit (GWA) baut Brücken zu den Menschen in Quartier und Nachbarschaft und will gemeinsam mit ihnen Möglichkeiten der Teilhabe und der Partizipation verbessern. Dabei gilt Partizipation als demokratisches Kernstück von Gemeinwesenarbeit. Mit der vorliegenden Studie sollte erhoben werden, inwieweit der Anspruch der Gemeinwesenarbeit, Empowerment, Aktivierung, Beteiligung, Netzwerkbildung und Demokratieförderung umzusetzen, unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen sowie Akteurs- und Förderstrukturen gelingt. Es galt vor allem, Potenziale und Hindernisse der Gemeinwesenarbeit im Hinblick auf die direkte und indirekte Förderung der lokalen Demokratie zu analysieren und Empfehlungen für die Weiterentwicklung von Strukturen zu erarbeiten. Frank Gesemann skizziert in seinem Gastbeitrag zusammen mit Lea Freudenberg und Leif Höfler die wichtigsten Ergebnisse und Erkenntnisse der Studie.
Zivilgesellschaft in und nach der Pandemie
Aufbauend auf den Ergebnissen einer explorativen Studie, die im Oktober 2020 einen ersten Einblick in einzelne Bereiche der Zivilgesellschaft in Zeiten der ersten Phase der Corona-Krise gab, untersuchte das Maecenata Institut für Philanthropie und Zivilgesellschaft mithilfe einer nicht repräsentativen bereichsübergreifenden Organisationsbefragung und Experteninterviews im Frühjahr 2021 erneut, wie die Krise auf die Zivilgesellschaft wirkt und vor welchen Herausforderungen die befragten Akteur/innen stehen. Mit dem Ziel, ein aktuelles Stimmungsbild der Zivilgesellschaft zu erfassen, wurden die Auswirkungen der Krise auch im vorschreitenden Pandemieverlauf festgehalten. Zudem wurde ermittelt, wer von den staatlichen Hilfsprogrammen profitiert und wie zielführend diese sind. Ein zentrales Ziel der Studie ist es, den spezifischen Beitrag der Zivilgesellschaft zur Überwindung der Krise genauer zu untersuchen und ihre Potenziale während der Pandemie hervorzuheben. Malte Schrader stellt in seinem Gastbeitrag den zweiten Teil der Studie vor.
Engagement 2030: Neue Formate entwicklungspolitischer Beteiligung
Im Rahmen des Projekts »Engagement 2030« haben Studierende von drei baden-württembergischen Hochschulen gemeinsam mit entwicklungspolitischen Vereinen aus der Region in den vergangenen zwei Jahren innovative Engagementformen entwickelt. Ausgangspunkt für das Projekt war die Bildungs- und Informationsarbeit für die Nachhaltigkeitsziele und für entwicklungspolitische Themen, die maßgeblich von Vereinen getragen wird. Anna-Maria Schuttkowski erläutert in ihrem Gastbeitrag die Rahmenbedingungen des Modellprojekts und gibt einen praxisnahen Einblick in die entstandenen entwicklungspolitischen Bildungsmaßnahmen.
Publikationen und Veranstaltungen
Publikation: Der Humus der Gesellschaft
Was bewegt Menschen, sich für andere zu engagieren und in welchen Formen tun sie dies? Dieses Buch setzt sich mit bürgerschaftlichem Engagement aus verschiedenen Perspektiven auseinander. So wird bürgerschaftliches Engagement unter anderem als demokratisches Heilmittel, Innovationsmotor oder Gestaltungskraft für demografischen Wandel diskutiert. Seine Wirkung entfaltet bürgerschaftliches Engagement besonders dann, wenn zivilgesellschaftliche Netzwerke und eine vorausschauende Engagementpolitik für entsprechende Rahmenbedingungen und Förderung sorgen.
Thomas Röbke: Der Humus der Gesellschaft. Über bürgerschaftliches Engagement und die Bedingungen, es gut wachsen zu lassen. Heidelberg 2021, 360 S., 64,99 Euro, ISBN 978-3-658-33500-7
Publikation: Visionen der Veränderung
Das Forumtheater nach Augusto Boal bringt Veränderungsprozesse in Gang. Es ist Theater, das »Politik macht«. Die gemeinsame spielerische Suche nach ungewöhnlichen Problemlösungen spricht nicht nur die rationale Seite des Menschen an, sondern auch seine emotionale und setzt somit Impulse zu neuen Denk- und Handlungsweisen frei. Der vorliegende Band gibt einen umfassenden Einblick in die aktuellen Auseinandersetzungen zu Theorie und Praxis des Forumtheaters nach Augusto Boal in der Bundesrepublik Deutschland, Österreich, der Schweiz, Spanien und Rumänien. Die Praxisbeispiele zeigen die vielfältige Theaterarbeit mit Kindern, in Schule und Stadtteil, zur Suchtprävention und Inklusion, zur Arbeit in Strafanstalten und zum Umgang mit Rechtsextremismus.
Simone Odierna (Hrsg.): Visionen der Veränderung. Forumtheater nach Augusto Boal. Theorie, Entwicklungen, aktuelle Positionen und Perspektiven. Neu-Ulm 2021, 220 S., 19,00 Euro, ISBN 3930830602
Veranstaltungshinweise
Zahlreiche Veranstaltungen sind im regelmäßig aktualisierten Veranstaltungskalender des Wegweisers Bürgergesellschaft zu finden. Im Rahmen der Corona-Pandemie ist bei manchen Veranstaltungen weiterhin unklar, ob sie in Präsenz stattfinden können oder in den virtuellen Raum verlegt werden. Bitte infomieren Sie sich frühzeitig im Internet über die Angebote von zivilgesellschaftlichen Organisationen. Besonders hinweisen möchten wir dieses Mal auf:
3.–4.9.2021 in Frankfurt: Bürgerbeteiligung in der digitalen Stadt
Ein Seminar der Stiftung Mitarbeit
10.–19.9.2021 bundesweit: Engagement macht stark
Woche des bürgerschaftlichen Engagements, ausgerichtet vom Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE)
10.–11.9.2021 in Magdeburg: Wir können das und wir schaffen das! Appreciative Inquiry als unterstützende Methode in der Quartiersarbeit
Ein Methodenworkshop der Stiftung Mitarbeit
16.–17.9.2021 in Kassel: bagfa to go: Distanz und Nähe im Engagement - Austausch und Impulse
Eine Veranstaltung der Bundesarbeitsgemeinschaft für Freiwilligenagenturen