eNewsletter Nr. 13/2013 (19.07.2013)
Inhalt
- Meldungen aus der Bürgergesellschaft
- Im Fokus: Direkte Demokratie und Bürgerbeteiligung
- Publikationen und Veranstaltungen
Meldungen aus der Bürgergesellschaft
Beteiligungskultur in der Stadtentwicklung
Ein aktuelles Arbeitspapier des Deutschen Städtetages zur »Beteiligungskultur in der integrierten Stadtentwicklung« soll Impulse für Kommunen setzen und die Entwicklung einer umfassenden kommunalen Beteiligungskultur fördern. Trotz eines umfangreichen Angebots an Instrumenten und Verfahren seien die Rahmenbedingungen, also verbindliche Spielregeln und Qualitätsstandards, derzeit noch zu schwach definiert, um eine übergreifende Beteiligungskultur herauszubilden. Das Arbeitspapier stellt daher die Forderung nach unterstützenden Maßnahmen für die kommunale Ebene an Bund und Länder und formuliert erste Eckpunkte, Standards und Empfehlungen an die Städte für eine neue Partizipations- und Planungskultur. Im Literaturverzeichnis findet sich darüber hinaus u.a. ein aktueller Querschnitt innovativer und modellhafter Verfahren. Die bisher ausgearbeiteten Positionen sollen nun weiterentwickelt und zum Ende des Jahres 2013 dem Hauptausschuss des Städtetages vorgelegt werden.
Anerkennungskultur und Migrantenorganisationen
Welche Rolle können Migrantenorganisationen bei der Etablierung einer Willkommens- und Anerkennungskultur übernehmen? Diese Frage stand im Mittelpunkt einer Tagung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Die Ergebnisse der Tagung im Januar 2013 wurden nun in einer Dokumentation veröffentlicht. Die Dokumentation enthält eine Zusammenstellung der Fachvorträge und Workshops, die sich u.a. mit den Möglichkeiten des Engagements von Migrantenorganisationen als zivilgesellschaftliche Akteure in verschiedenen Handlungsfeldern, der Anerkennungskultur in der Projektarbeit vor Ort sowie möglichen Kooperationen zwischen Wirtschaftsverbänden und Migrantenorganisationen auseinandergesetzt hatten. Auch die Vernetzung von Migrantenselbstorganisationen mit kommunalen Strukturen stand auf der Tagesordnung. Interessierte können sich auf der Website des BAMF einen Überblick über alle Ergebnisse der Workshops und aus den Expertengruppen verschaffen, ergänzt durch persönliche Einschätzungen der Teilnehmenden.
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Initiative Nachrichtenaufklärung: Rangliste 2013
Den »blinden Stellen« der Medienlandschaft widmet sich die »Initiative Nachrichtenaufklärung« (INA). Bereits seit 1997 kürt die INA jährlich die zehn wichtigsten Themen in Deutschland, die von den Medien nicht, oder nur vereinzelt, aufgegriffen werden. Die Mitte Juli präsentierte aktuelle Liste wurde durch eine Jury von Vertreter/innen aus Wissenschaft und Praxis zusammengestellt. Sie führt beispielsweise die willkürliche Verteilung von Geldauflagen durch die Justiz auf – insgesamt 100 Millionen Euro jährlich. Auch die fehlende Kontrolle zum Endverbleib deutscher Waffenexporte oder auch die Rechtswidrigkeit polizeilicher Demonstrationsverbote, wie sie beim G8-Gipfel in Heiligendamm angewendet wurden, sind unter den aktuellen Themen. Die Gründe für die Missachtung von Themen sind vielfältig; nach Angaben der Initiative werden insbesondere Berichte über Gruppen ohne Lobbyzugang, die zum Teil mit einem hohen Rechercheaufwand verbunden sind, häufig vernachlässigt.
Freiraumplanung und Gemeinschaftsgärten
Die Urban-Gardening-Bewegung hat sich der Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts, der Erprobung partizipativer Formen sowie der Umweltbildung und Schaffung eines Zugangs zu Natur in der Stadt verschrieben. Auf einer von der Stiftungsgemeinschaft anstiftung&ertomis Tagung diskutierten mehr als 200 Teilnehmer/innen über die gemeinwohlorientierte Gestaltung und Nutzung des öffentlichen Raums und ließen ihre unterschiedlichen Hintergründe aus Stadtplanung, Verwaltung, Wissenschaft und Praxis mit einfließen. Im Zentrum standen vor allem Fragen nach der Notwendigkeit einer Neujustierung der Kategorien von öffentlichem, halböffentlichem und privatem Raum, der dauerhaften Etablierung der Gemeinschaftsgärten und der Erfahrungsaustausch aus den in diesem Zusammenhang neuen Kooperationen zwischen Aktivisten und der öffentlichen Hand. Als ein abschließender Impuls wurde die Forderung verabschiedet, den Umbau von der autogerechten zur menschengerechten Stadt voranzutreiben.
Syrien: Bürgerkrieg und Zivilgesellschaft
Ein Hintergrundpapier des Bundes für Soziale Verteidigung (BSV) aus dem Juni 2013 stellt die Frage nach zivilen Protestformen in Syrien. Werden diese durch die mediale Fokussierung auf Gewaltakte oder die unsichere Quellenlage überblendet oder existieren sie schlichtweg nicht mehr? Die Autorin macht sich auf die, angesichts zerfallender Bürgerkriegsfraktionen, schwierige Suche nach der syrischen Zivilgesellschaft und schildert Beispiele für gewaltfreie Alternativen. Das Papier setzt sich zudem intensiv mit der Rolle medialer Vermittlung und sozialer Netzwerke auseinander, die sowohl der zivilgesellschaftlichen Kooperation als auch politischem Missbrauch dienen können.
Das Hintergrundpapier im Wortlaut (PDF)
Im Fokus: Direkte Demokratie und Bürgerbeteiligung
Direkte Demokratie und Bürgerbeteiligung: Zwei Seiten einer Medaille
Die Diskussionen um den beteiligungsfreundlichen Umbau unserer Demokratie werden in der Öffentlichkeit häufig unter direktdemokratischen Vorzeichen geführt. Dabei bedeutet ein Mehr an Demokratie nicht zwangsläufig mehr Direkte Demokratie, denn Bürgerbeteiligung meint mehr als die Anwendung von Bürgerbegehren und Volksentscheiden. Dennoch sind Bürgerbeteiligung und Direkte Demokratie kein Widerspruch, sondern grundsätzlich zwei Seiten einer Medaille. Fabian Reidinger, Mitarbeiter in der Stabsstelle der Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung im Staatsministerium Baden-Württemberg, analysiert in seinem Gastbeitrag das Zusammenspiel beider Ansätze. Er ist überzeugt: Diskursive Bürgerbeteiligungsverfahren und Direkte Demokratie sind wichtig für die notwendige Stärkung der partizipativen Demokratie; sie stehen in einem konkreten Wirkungszusammenhang und können sich gut ergänzen.
Hybride Partizipation: Demokratische Innovation mit Zukunft
Während die repräsentative Demokratie partei- und personenorientiert ist, stehen bei der direkten Demokratie eher sachbezogene Entscheidungen im Vordergrund. Als dritter Bereich politischer Partizipation bzw. Konzeption von Demokratie ist ihre deliberative Variante zu nennen. Die Verknüpfung von Direkter Demokratie und diskursiven Bürgerbeteiligungsverfahren – auch hybride Partizipation genannt – ist ein vergleichsweise neues Konzept mit bislang noch wenigen Anwendungen, die zudem kaum systematisch ausgewertet wurden. Norbert Kersting, Professor für Kommunal- und Regionalpolitik am Institut für Politikwissenschaft der Universität Münster, diskutiert in seinem Gastbeitrag anhand zweier internationaler Beispiele aus British Columbia (Kanada) und Island die Verknüpfung von direkter und deliberativer Demokratie. Er plädiert für die Stärkung dieser demokratischen Innovation und skizziert, wie deren jeweilige Schwächen ausgeglichen und ihre Stärken kombiniert werden können.
Bürgerbegehren vs. Bürgerbeteiligung: Der Konflikt um den Giersberg in Kirchzarten
Welche Wechselwirkungen existieren zwischen diskursiver Bürgerbeteiligung und direktdemokratischen Verfahren? Beispielsweise kann das bloße Vorhandensein direktdemokratischer Instrumente den Einsatz diskursiver Bürgerbeteiligungsverfahren begünstigen. Gleichzeitig bieten diskursive Beteiligungsverfahren den beteiligten Akteuren die Möglichkeit, Kompromisse auszuhandeln und Alternativen auszuarbeiten. Diskursive Beteiligungsprozesse können letztlich sogar dabei helfen, direktdemokratische Verfahren zu vermeiden. Christian Büttner, Geschäftsführer des baden-württembergischen Landesverbandes von Mehr Demokratie, stellt in seinem Gastbeitrag eines der wenigen Beispiele aus der kommunalpolitischen Praxis vor, an dem sich das direkte Wechselspiel eines diskursiven Beteiligungsprozesses und eines Bürgerbegehrens beobachten lässt: dem Kirchzartener Konflikt um die Mountainbike-Arena am Giersberg im Schwarzwald. Er schlägt als Konsequenz aus der seit 2011 andauernden Auseinandersetzung vor, dass es in der baden-württembergischen Gemeindeordnung künftig einen »Antrag auf Bürgerbeteiligung« geben sollte. Damit ließe sich die Verbindung beider Verfahrensarten in Zukunft weiter verbessern.
Bürgerbeteiligung, Direkte Demokratie und Rechtsschutz in Planungsvefahren
In einer modernen Demokratie muss Öffentlichkeitsbeteiligung in Planungsverfahren auf Augenhöhe erfolgen. Dr. Anton Hofreiter, MdB und verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis90/Die Grünen, und Ingrid Hönlinger, MdB und demokratiepolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion, benennen in ihrem Gastbeitrag aus »grüner« Perspektive aktuelle »Baustellen« in der Gesetzeslage und zeigen den aus ihrer Sicht notwendigen Reformbedarf auf. Das von ihnen vorgeschlagene alternative planungsrechtliche Verfahren setzt auf Frühzeitigkeit, Transparenz, Verbindlichkeit, Öffentlichkeitsbeteiligung und Direkte Demokratie. Im Zentrum steht dabei eine dreistufige Planungskaskade, in der zunächst unter frühzeitiger Einbeziehung der Öffentlichkeit über das »Ob« eines Vorhabens entschieden werden soll. Auf der zweiten Stufe soll das »Wie«, also die konkrete Ausgestaltung vor Ort, geklärt werden, während sich die dritte Stufe – in der Regel das eigentliche Planfeststellungsverfahren – nur noch mit den Details des Projektes auseinandersetzen soll.
Publikationen und Veranstaltungen
Publikation: Die internationale Klimabewegung
Die Klimabewegung ist eine erst vor wenigen Jahren entstandene soziale Bewegung. Zu ihren Mitgliedern zählen Nichtregierungsorganisationen, Netzwerke, Aktivisten und andere Akteure. Sie engagieren sich auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene gegen die gesellschaftlichen Ursachen des Klimawandels und für die gerechte Eindämmung seiner Folgen. Auch aufgrund ihrer vielfältigen Akteure und Aktionsformen ist die Klimabewegung bereits heute zu einem wichtigen Faktor für die Zukunft des Politikfelds herangewachsen. Das Handbuch gibt einen aktuellen und systematischen Überblick über das noch junge Forschungsfeld – über die Klimabewegung als Gesamtphänomen wie auch ihre wichtigsten Akteure und Strukturen. Verschiedene methodische und theoretische Zugriffe werden genutzt sowie ausgewählte Länder in Fallstudien untersucht. Das Handbuch ist eine Einladung und erste Anlaufstelle für alle, die sich grundlegend mit den Formen der Klimabewegung, ihren Herausforderungen und Chancen befassen wollen.
Matthias Dietz/Heiko Garrelts (Hrsg.): Die internationale Klimabewegung. 2013, 475 S., 54,99 Euro, ISBN 978-3-658-01970-9
Informationen und Bestellung
Zum Gastbeitrag des Autors im eNewsletter 7/2012:
Publikation: Blackbox Abschiebung - Geschichten und Bilder
Wir leben in einer Welt der erwünschten Mobilität: Indische Informatiker programmieren im Silicon Valley; Frauen aus Osteuropa arbeiten hierzulande im Pflegesektor; Studierende verbringen Auslandssemester in aller Welt. Die Mobilität kennt aber auch eine Schattenseite: Menschen, die in den reichen Staaten des Westens ihr Glück suchen und denen permanent die Abschiebung droht. Doch was bedeuten Abschiebung und Abschiebepolitik? Was passiert in der »Blackbox« Abschiebegefängnis? Der Autor portraitiert Menschen, die abgeschoben wurden. Mit Digitalkameras dokumentierten sie ihr Leben in der alten und neuen Heimat und erzählen ihre Geschichte. Die entstandenen Bilder waren und sind im Rahmen einer gleichnamigen Ausstellung in zahlreichen deutschen Städten zu sehen.
Miltiadis Oulios: Blackbox Abschiebung – Geschichten und Bilder von Leuten, die gerne geblieben wären. Berlin 2013, 482 S., 20,00 Euro, ISBN 978-3-518-12644-8
Informationen und Bestellung
Veranstaltungshinweise
Zahlreiche Veranstaltungen sind im Veranstaltungskalender des Wegweisers Bürgergesellschaft zu finden. Besonders hinweisen möchten wir dieses Mal auf:
• 30.09.–02.10.2013 in Bad Boll: Bürger/innenräte moderieren mit Dynamic Facilitation
Eine Fortbildung der Evangelischen Akademie Bad Boll
• 29.08.–01.09.2013 in Rolandseck: Freiwilliges Engagement in der Suchthilfe
Ein Seminar der Arbeiterwohlfahrt