eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 4/2022 (27.04.2022)
Inhalt
- Meldungen aus der Bürgergesellschaft
- Im Fokus: Aktuelle Wettbewerbe, Förderpreise und -programme
- Publikationen und Veranstaltungen
Meldungen aus der Bürgergesellschaft
Atlas der Zivilgesellschaft 2022
Der Atlas der Zivilgesellschaft wird von Brot für die Welt und CIVICUS, einem weltweiten Netzwerk für bürgerschaftliches Engagement, in diesem Jahr zum fünften Mal veröffentlicht. 2022 steht die Digitalisierung im Zentrum des Berichts. Digitale Plattformen werden von zivilgesellschaftlichen Akteuren genutzt um sich auszutauschen oder Informationen zu Kampagnen zu verbreiten. Andererseits schränken immer mehr Regierungen durch Online-Zensur die Meinungs- und Pressefreiheit ein, die Handlungsspielräume für zivilgesellschaftliches Engagement werden geringer. Gemäß dem Civicus-Monitor leben nur drei Prozent aller Menschen in Staaten, in denen zivilgesellschaftliche Grundfreiheiten wie Meinungs- und Versammlungsfreiheit garantiert sind. 14 Länder haben sich in ihrer Einstufung verschlechtert, darunter mit Polen und Ungarn auch zwei EU-Mitglieder. Die Daten wurden zwischen November 2020 und Oktober 2021 erhoben.
Der Atlas der Zivilgesellschaft 2022 im Wortlaut (PDF)
Initiative Nachrichtenaufklärung: Top Ten der vergessenen Nachrichten
Die Initiative Nachrichtenaufklärung e.V. (INA) und die Nachrichtenredaktion des Deutschlandfunks präsentieren jährlich zehn Nachrichten oder Themen, die im jeweils vergangenen Jahr in der medialen Berichterstattung in Deutschland zu kurz gekommen sind. Es handelt sich um Sachverhalte, die für Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft relevant sind, über die aber bislang in Presse, Funk, Fernsehen und Internet kaum Debatten geführt werden. Im Jahr 2021 waren davon insbesondere soziale Themen betroffen, zum Beispiel die fortschreitende Abschaffung der Lernmittelfreiheit in den Bundesländern oder der unzureichende Krankenversicherungsschutz für Geflüchtete. Weitere vergessene Nachrichten sind die fehlende Palliativversorgung von Wohnungslosen, das weitgehend unbekannte Betriebsrätemodernisierungsgesetz, nachhaltige Autobahnen aus Asche und der Sexismus in politischen Parteien.
Universität Stuttgart: Studie zur Akzeptanz von Bürgerforen
Dialogische Gremien, die Bürger/innen die Beratung von politischen Themen und Projekten ermöglichen, haben nicht nur in Deutschland Hochkonjunktur (s. eNewsletter 2/2022 und 3/2022). Wissenschaftler/innen der Universität Stuttgart haben nun im Rahmen eines Forschungsprojekts zu deliberativen Verfahren die Sicht der Bürger/innen auf dialogische Bürgerverfahren repräsentativ untersucht. Besonders in den Fokus gerückt wurde dabei die große Bevölkerungsmehrheit, die an solchen Foren nicht teilnimmt. In einem Umfrageexperiment mit 2.000 ausgewählten Bürger/innen wurde ermittelt, dass der Durchschnitt der Befragten bindende Entscheidungen durch nicht demokratisch legitimierte Bürgerforen ablehnt. Gewünscht werden stattdessen eine enge Anbindung der Prozesse an die repräsentative Politik sowie eine hohe Teilnehmendenzahl, die insbesondere marginalisierte Gruppen berücksichtigt. Insgesamt legt die Studie nahe, dass dialogische Bürgerforen kein Allheilmittel gegen die Krise der Demokratie sind; würden sie mit mehr Entscheidungsmacht ausgestattet, so die Forscher/innen in ihrem Fazit, könnten sie die Krise der Demokratie sogar noch verstärken.
Ostbelgien: Institutionalisierung deliberativer Bürgerbeteiligung
In der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens werden parlamentarische Entscheidungsprozesse zu gesellschaftlich wichtigen Themen durch Bürgerräte begleitet. Das Parlament beschloss im Februar 2019 die Einführung des sog. »permanenten Bürgerdialogs« für die Region. Kontinuität, Repräsentativität und Dialogqualität wurden dabei als wichtige Arbeitsprinzipien festgelegt. Im Zentrum des Dialogs steht die Bürgerversammlung mit 25 bis 50 zufallsausgewählte Bürger/innen, die zu bestimmten Themen und Fragestellungen Vorschläge für das Parlament erarbeiten. Die Themen selbst werden von einem Bürgerrat festgelegt. Wie permanente Bürgerräte und Parlaments- und Regierungsarbeit zusammen funktionieren und welche Herausforderungen sich damit verbinden, zeigt jetzt eine aktuelle Veröffentlichung der Bertelsmann Stiftung.
Die Veröffentlichung im Wortlaut (PDF)
Netzwerk Engagementförderung: Stellungnahme zum Demokratiefördergesetz
Im Februar 2022 haben das Bundesfamilienministerium und das Bundesinnenministerium ein gemeinsames Diskussionspapier (PDF) zum geplanten Demokratiefördergesetz vorgelegt. Das Papier formuliert auf wenigen Seiten erste inhaltliche Rahmenbedingungen und Leitplanken zum Vorhaben und dient als Grundlage für eine Beteiligung der Zivilgesellschaft. Als eine von mehr als 200 Dachverbänden und Fachorganisationen hat nun das Netzwerk Engagementförderung eine Stellungnahme zum Thema veröffentlicht. Darin fordert es die Regierung auf, im geplanten Gesetz auch das bürgerschaftliche Engagement mitzudenken, das wesentlich zur Demokratiestärkung beiträgt. Im Netzwerk haben sich die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen, die Bundesarbeitsgemeinschaft Seniorenbüros, die Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen, das Bündnis der Bürgerstiftungen Deutschlands sowie das Bundesnetzwerk Mehrgenerationenhäuser zusammengeschlossen.
Reallabore für eine klimaresiliente Quartiersentwicklung
Hitzestress, vertrocknete Stadtbäume, Überflutungen: Die Folgen des Klimawandels sind längst in den Städten spürbar. Wie die Stadtgesellschaft gemeinsam Quartiere verändern kann, damit die Städte trotz Klimawandels lebenswert bleiben, zeigt ein aktuelles Praxishandbuch, welches das Deutsche Institut für Urbanistik (DIFU) gemeinsam mit weiteren Partnern erarbeitet hat. In dem dahinterstehenden Forschungsprojekt wurde untersucht, welchen Beitrag Reallabore zu einer klimaresilienten Quartiersentwicklung leisten können. Reallabore sind Testräume, in denen neue Ideen unter realen Bedingungen und unter Einbeziehung der lokalen Akteure erprobt werden. Praxispartner waren Quartiere in Köln und Dortmund. Bei der Arbeit in den Quartieren stand im Vordergrund, die Anwohner/innen zu beteiligen und gleichzeitig neue Formen der Kooperation zwischen Verwaltung und Zivilgesellschaft zu eröffnen.
Das Praxishandbuch im Wortlaut (PDF)
Im Fokus: Aktuelle Wettbewerbe, Förderpreise und -programme
DSEE: Mikroförderprogramm für strukturschwache und ländliche Räume
Um ehrenamtlich getragene Strukturen zu stärken und die Ausübung bürgerschaftlichen Engagements und Ehrenamts zu erleichtern, fördert die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE) Organisationen in strukturschwachen und in ländlichen Regionen mit bis zu 2.500 Euro. Mit dem Mikroförderprogramm »Ehrenamt gewinnen. Engagement binden. Zivilgesellschaft stärken« werden Projekte unterstützt, die darauf abzielen, Vereinsstrukturen zu stärken, Mitmachmöglichkeiten zu erweitern oder den Wert des Engagements aufzuzeigen. Bewerbungen sind seit Mitte Februar 2022 fortlaufend möglich und erfolgen online. Die geförderten Projekte müssen bis zum 31. Dezember 2022 beendet sein.
Hans Sauer Stiftung: Förderprogramm zu gesellschaftlichen Aspekten der Nachhaltigkeit
Die gemeinnützige Hans Sauer Stiftung fördert technische und soziale Innovationen, bei denen der gesellschaftliche Nutzen im Vordergrund steht. Aktuell ist das Förderprogramm »Citizen Science zu gesellschaftlichen Aspekten der Nachhaltigkeit« ausgeschrieben, mit dem die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an Forschungsprozessen zum Übergang zu mehr sozial-ökologischer Nachhaltigkeit gefördert wird. Antragsfristen sind der 15. Mai und der 15. September 2022.
#ClimateOfChange: Finanzielle Förderung für Klimagerechtigkeits-Projekte
Im Rahmen der EU-weiten Kampagne #ClimateOfChange werden finanzielle Mittel für zivilgesellschaftliche Organisationen, Vereine und Jugendgruppen bereitgestellt. Wer sich mit eigenen Aktionen gegen die weltweite Klimakrise engagieren möchte, kann diese Förderung in Höhe von 4.000 – 6.000 Euro beantragen. Die vorgeschlagenen Kampagnen oder Projekte sollen sich vor allem an junge Menschen zwischen 16 und 35 Jahren richten und Bewusstsein für die Themen Klimagerechtigkeit und klimabedingte Migration schaffen. finep, das forum für internationale entwicklung + planung, ist für die Ausschreibung und Vergabe der Mittel verantwortlich. Das Projekt #ClimateOfChange wird gefördert durch das Programm für Entwicklungspolitische Bildung und Öffentlichkeitsarbeit (DEAR) der Europäischen Union. Die Ausschreibung startet Anfang Mai 2022.
Ideen für eine klimafreundliche Nachbarschaft
Erstmalig im Frühjahr 2022 startet der Wettbewerb »Klimaschutz nebenan«. Egal ob Repair-Cafés oder Müllsammelaktionen: gesucht werden einfache und konkrete Ideen um die eigene Nachbarschaft klimafreundlich zu gestalten. Die eingereichten Ideen müssen noch nicht umgesetzt sein. Dafür erhalten die ausgewählten Vorhaben ein Startkapital von jeweils bis zu 3.000 Euro. Der Wettbewerb wurde ins Leben gerufen durch die nebenan.de Stiftung mit Unterstützung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, der Robert Bosch GmbH und der Allianz Umweltstiftung. Bewerbungen können bis zum 15. Mai 2022 online eingereicht werden.
Ich kann was! Kompetenzen für die digitale Welt
Mit der bundesweiten Initiative »Ich kann was!« unterstützt die Deutsche Telekom Stiftung Projekte und Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit. Ziel ist es, insbesondere jungen Menschen aus benachteiligtem Umfeld Kompetenzen zu vermitteln, die es ihnen ermöglichen, selbstbestimmt und aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und die eigene Zukunft erfolgreich zu gestalten. In diesem Jahr werden Projekte unterstützt die einen kreativen und zugleich reflektierten Umgang mit Medien und der digitalen Welt fördern. Kinder und Jugendliche sollen so handlungsorientiert die souveräne Anwendung digitaler Werkzeuge erlernen. Einzelne Projekte unterstützt die Initiative mit bis zu 10.000 Euro. Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit können ihre Förderanträge bis zum 30. Juni 2022 online einreichen.
Helfende Hand: Förderpreis für ehrenamtliches Engagement im Bevölkerungsschutz
Das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) unterstützt mit dem Förderpreis Helfende Hand ehrenamtliches Engagement im Bevölkerungsschutz. Hintergrund dieser Initiative sind die zu erwartenden demographischen Veränderungen und ihre Folgen für den Nachwuchs ehrenamtlicher Organisationen, die die Einrichtungen im Bevölkerungsschutz in Deutschland tragen. Gesucht werden Ideen, Konzepte und Projekte die Ehrenamtsarbeit nachhaltig stärken. Organisation, Einzelpersonen sowie Unternehmen können sich mit ihrem Projekt online »für die helfende Hand« bewerben. Bewerbungsfrist ist der 30. Juni 2022.
Jugenddemokratiepreis »Boost Democracy«
Mit dem Jugenddemokratiepreis zeichnet die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) seit 2008 Jugendliche und junge Erwachsene aus, die sich für die Demokratie in Deutschland engagieren. Klimakrise, Fake-News, wachsende gesellschaftliche Ungleichheit: Vielfältige Herausforderungen stellen die Demokratie und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft Tag für Tag auf die Probe. Gesucht werden daher bundesweit Initiativen und Projekte von Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter von 14-27 Jahren, die frischen Wind in unsere Gesellschaft bringen und die Demokratie vor Ort unterstützen. Bewerbungen werden bis zum 31. Mai 2022 angenommen.
Publikationen und Veranstaltungen
Publikation: Forschungsjournal Soziale Bewegungen, Heft 1/2022
Die aktuelle Ausgabe des Forschungsjournals Soziale Bewegungen widmet sich in seinem lesenswerten Themenschwerpunkt der Engagement- und Demokratiepolitik in Deutschland. Verschiedene Autor/innen aus Wissenschaft, Politik und Praxis vermessen darin in unterschiedlichen Perspektiven die Umrisse eines Politikfelds, das wesentlich nicht nur zum Zusammenhalt der Gesellschaft, sondern auch zur Zukunft der repräsentativen Demokratie beiträgt.
Forschungsjournal Soziale Bewegungen – Analysen zu Demokratie und Zivilgesellschaft. 2022, Heft 1: Engagement- und Demokratiepolitik, 263 S., ISSN 2192-4848
Publikation: LOVE-Storm – Trainingshandbuch gegen Hass im Netz
Seit 2017 hilft LOVE-Storm Menschen dabei, Hass im Netz mit digitaler Zivilcourage zu begegnen. Das Trainingshandbuch kombiniert praktische Strategien und relevantes Hintergrundwissen mit Übungen und Lehrmaterialien. Wer sich und andere vor Shitstorms, Cybermobbing und Hatespeech schützen will, findet im Trainingshandbuch viele nützliche Strategien, Übungen und Anleitungen. Mit anschaulichen Beispielen und Illustrationen führt das Buch in die Eigenarten digitaler Konfliktaustragung ein und gibt beispielsweise Tipps für den alltäglichen Umgang mit übergriffigen Botschaften. Die Übungen und Materialien im Handbuch bauen auf dem preisgekrönten Online-Rollenspielraum von LOVE-Storm auf, lassen sich aber auch unabhängig davon anwenden.
Björn Kunter, Margaretha Eich, Bea Tholen, Markus Wutzler: LOVE Storm. Das Trainingshandbuch gegen Hass im Netz. Frankfurt am Main 2022, 120 S., ISBN 978-3-7344-1346-9
Veranstaltungshinweise
Zahlreiche Veranstaltungen sind im regelmäßig aktualisierten Veranstaltungskalender des Wegweisers Bürgergesellschaft zu finden. Im Rahmen der Corona-Pandemie ist bei manchen Veranstaltungen weiterhin unklar, ob sie in Präsenz stattfinden können oder in den virtuellen Raum verlegt werden. Bitte infomieren Sie sich frühzeitig im Internet über die Angebote von zivilgesellschaftlichen Organisationen. Besonders hinweisen möchten wir dieses Mal auf:
4.5.2022 – 22.6.2022 online: Auf dem Weg in eine zukunftsorientierte Demokratie?
Eine Online-Veranstaltungsreihe der Stiftung Mitarbeit in Kooperation mit der Allianz für Beteiligung e.V.
21.05.2022 in Freiburg & online: Sozial-ökologische Transformation und gewaltfreie Aktion.
Öffentliches Jahrestreffen der Werkstatt für gewaltfreie Aktion Baden