Newsletter Nr. 19/2008 (26.09.2008) von wegweiser-bürgergesellschaft.de
Inhalt
- Meldungen aus der Bürgergesellschaft
- Im Fokus: Gender und Partizipation
- Publikationen und Veranstaltungen
Meldungen aus der Bürgergesellschaft
Volksbegehren in Deutschland
Mit 43 laufenden und 27 neuen Volksbegehren und -initiativen war 2007 ein Rekordjahr für die direkte Demokratie in Deutschland. Dies dokumentiert der Verein Mehr Demokratie mit dem jetzt vorgelegten Volksbegehrensbericht 2007. Im Bericht erfasst werden alle Verfahren, die auf Landesebene von Bürgerinnen und Bürgern eingeleitet wurden. Dabei zeigt sich erneut, dass eine anwendungsfreundliche Ausgestaltung der Verfahren zu einer regen Nutzung führt. Besonders groß war der Mitsprachebedarf der Bürgerinnen und Bürger im vergangenen Jahr bei den Themen Bildung und Kultur (30 Prozent) sowie Wirtschaft (22 Prozent).
Zum Volksbegehrensbericht (PDF)
Kampagne »Frauen Macht Kommune«
Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat Mitte September in Berlin die bundesweite Kampagne »Frauen Macht Kommune« gestartet. Ziel ist es, den Anteil von Frauen in kommunalpolitischen Ämtern zu erhöhen. Symbol der Aktion ist ein roter Teppich. Die Kampagne wird von einem breiten zivilgesellschaftlichen Bündnis unterstützt. Im Rahmen der Kampagne finden ab November in verschieden Städten Deutschlands Aktionstage zum Thema statt.
Zur Kampagnenwebsite
Reform des Vergaberechtes
Unter dem Motto »FAIRgabe statt Geiz ist geil« fordert das Netzwerk Unternehmensverantwortung – CorA, ein Zusammenschluss von über 40 Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften, kirchlichen und entwicklungspolitischen Organisationen sowie Verbraucher- und Umweltverbänden, von der Bundesregierung bei der bevorstehenden Reform des deutschen Vergaberechtes eine verbindliche Regelung zur sozialen, ökologischen und nachhaltigen Beschaffung im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe. Vorbild für eine gelungene Reform sind die Niederlande, wo sich die Regierung bis 2020 das Ziel gesetzt hat, 100 Prozent der öffentlichen Beschaffung nachhaltig zu gestalten. Das Netzwerk ruft u.a. dazu auf, Protestkarten an die Fraktionsvorsitzenden der Regierungsparteien zu senden, um den Forderungen Nachdruck zu verleihen.
Zur CorA-Website
Supermarkt-Initiative
In Deutschland und in der Europäischen Union wird der Einzelhandel zunehmend von einer immer kleiner werdenden Anzahl von Supermarktketten mit entsprechender Einkaufsmacht dominiert. Dabei kommt es vielfach zu unfairen Einkaufspraktiken gegenüber Lieferanten und Produzenten gerade in Entwicklungsländern. Vor diesem Hintergrund haben Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen im September die »Supermarkt-Initiative« ins Leben gerufen. Die Supermarkt-Initiative wendet sich mit ihren Forderungen an die Mitglieder des Bundestags und die Bundesregierung sowie an die Supermarktketten selbst. Die Initiative fordert u.a. verbindliche Regeln zur Einhaltung sozialer Menschenrechte und ökologischer Standards in der gesamten Lieferkette. Außerdem schlägt sie vor, auf gesetzlicher Grundlage standardisierte Publikationspflichten der Supermarktketten zu den Arbeitsbedingungen in Deutschland und innerhalb der Lieferkette zu schaffen.
Watchblog rhoenwatch.de
Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di hat im Internet eine Beschwerdestelle für Patient/innen und Mitarbeiter/innen der 47 deutschen Rhön-Kliniken eingerichtet. Die Rhön-Klinikum AG ist der größte private Klinikbetreiber in Deutschland. Das Watchblog hat sich zum Ziel gesetzt, Berichte und Erfahrungen von Betroffenen zu sammeln und zu dokumentieren. Hintergrund der Aktion ist die Befürchtung, dass mit der fortschreitenden Privatisierung öffentlicher Kliniken und Krankenhäuser in zunehmendem Maße die Qualität der medizinischen Versorgung der Bevölkerung leidet.
Zum Watchblog
Im Fokus: Gender und Partizipation
Frauen in der deutschen Politik: Neue Daten zur Partizipation
Ministerinnen, Bundeskanzlerin, eine mögliche Bundespräsidentin – alles scheint machbar für Frauen in der deutschen Politik. Trotz dieser Erfolgsgeschichten erfordert es jedoch kein allzu genaues Hinsehen, um festzustellen, dass Frauen noch nicht mit gleicher Selbstverständlichkeit in politischen Ämtern positioniert sind wie Männer. In Zeiten von schwindender Wahlbeteiligung und eines verringerten Interesses an Demokratie stellt sich aber nicht mehr nur die Frage, ob Frauen gehindert werden politische Ämter einzunehmen, sondern, ob sie dies wollen, ob politische Partizipation für Frauen attraktiv ist. Dr. Ulrike Heß-Meining, Lehrbeauftragte an der Katholischen Universität Eichstätt und der Universität der Bundeswehr in München, zieht vor diesem Hintergrund ein ambivalentes Fazit zum Stand der Partizipation von Frauen in der Politik: Obwohl historisch betrachtet auf einem Höhepunkt der politischen Partizipation angelangt, bleibt es nach wie vor eine wichtige bürgerschaftliche Aufgabe, Frauen den Weg in politisches Engagement zu ebnen, ihr politisches Interesse zu fördern und auch bisher männlich dominierte Politikfelder für sie attraktiv zu machen.
Wie Gender die Partizipation bestimmt
Das Arbeitsfeld bürgerschaftlichen Engagements ist geschlechtsspezifisch strukturiert. Die kulturelle Geschlechtsrolle (Gender), die männliche wie die weibliche, wirkt somit als Platzanweiser im Bereich des Bürgerengagements, der Freiwilligenarbeit und der politischen Partizipation. Gender wirkt darüber hinaus auch als Vermittler von Ressourcen, die für Bürgerengagement von Bedeutung sind: Geld, Zeit und »soziales Kapital« sind geschlechtsspezifisch unterschiedlich verteilt. Die Förderung bürgerschaftlichen Engagements, ob im sozialen oder politischen Bereich, muss daher die Geschlechterdifferenz wahrnehmen, wie Dr. Barbara Stiegler, Leiterin des Arbeitsbereichs Frauen- und Genderpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung, in ihrem Gastbeitrag erläutert. Das heißt: In die Zielorientierungen staatlichen oder verbandlichen Handelns muss unter dem Stichwort »Geschlechterdemokratie« der Genderaspekt miteinbezogen werden, um geschlechtsspezifische Partizipationsbarrieren abbauen zu können.
Gender Budgeting im Beteiligungshaushalt
Der 1999 geschlossene Vertrag von Amsterdam verpflichtet die EU-Mitgliedsstaaten, Gender Mainstreaming in allen relevanten Politikbereichen – und damit auch in der Haushaltspolitik – umzusetzen. Im Rahmen eines kommunalen Beteiligungshaushalts kann diese Vorgabe durch die Strategie des sog. Gender Budgeting erreicht werden. Gender Budgeting schafft geschlechterdifferenzierte Kostentransparenz und zielt auf die Berücksichtigung der unterschiedlichen Bedürfnisse von Frauen und Männern. Dr. Christine Färber, Professorin an der HAW Hamburg und Autorin der für die Bundesregierung erstellten Machbarkeitsstudie Gender Budgeting, zeigt in ihrem Gastbeitrag auf, wie es Kommunalverwaltungen gelingen kann, für die Bürgerinnen und Bürger im Beteiligungsverfahren Informationen über die finanzrelevanten Geschlechterverhältnisse bereitzustellen und so Gender Budgeting mit dem Beteiligungshaushalt zusammenzubringen. Eine Voraussetzung dafür ist allerdings, das Beteiligungsverfahren so auszugestalten, dass es Frauen die gleichen Beteiligungsmöglichkeiten bietet wie Männern.
Jungen und Partizipation
Die Heimvolkshochschule »Alte Molkerei Frille« ist eine Einrichtung der politischen Jugend- und Erwachsenenbildung, die in ihrer Arbeit einen explizit geschlechtsbezogenen Arbeitsansatz entwickelt hat. Michael Drogand-Strud, Sozialwissenschaftler und pädagogischer Mitarbeiter, erläutert in seinem Gastbeitrag die Arbeit der Einrichtung und beschäftigt sich insbesondere mit dem Zusammenhang von geschlechtsbezogener Pädagogik, politischer Partizipation und Jungenarbeit. Er zeigt auf, wie Jungen in männlich dominierten Politik- und Gesellschaftstrukturen unter Druck stehen, erfolgreich und sichtbar zu agieren und männliche Überlegenheit und Unverletzlichkeit zu präsentieren. Trotzdem lautet seine These: die Differenzlinie »Soziale Herkunft« überlagert unter genderorientierten Gesichtspunkten die Kategorie »Geschlecht«.
Publikationen und Veranstaltungen
Publikation: Methoden der Zukunfts- und Szenarioanalyse
Die Arbeit mit Szenarios ist ein Werkzeug, um Entscheidungen vorausschauend zu reflektieren und zukunftsfähig auszurichten. Dies wird in der Komplexität und Unsicherheit gesellschaftlicher und natürlicher Bedingungen immer zentraler. Die vorliegende IZT-Studie »Methoden der Zukunfts- und Szenarioanalyse« gibt einen strukturierten Überblick über die vielfältigen Varianten der Szenario-Methodik einschließlich wichtiger Rand- und Übergangsbereiche zu weiteren Methoden der Zukunftsforschung. Auch eine praktische »Checkliste« ist enthalten, welche es anhand konkreter Entscheidungsfragen ermöglicht, rasch zu klären, ob und wie Szenario-Arbeit zielführend eingesetzt werden kann.
Kosow, Hannah/Gaßner, Robert: Methoden der Zukunfts- und
Szenarioanalyse. Überblick, Bewertung und Auswahlkriterien. Berlin 2008, IZT-WerkstattBericht Nr. 103, ISBN 978-3-941374-03-4
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Publikation: Gerechtigkeit, Geschlecht und demographischer Wandel
Die meisten pflegebedürftigen alten Menschen werden heute von Angehörigen betreut. Bei einer genauen Analyse wird allerdings deutlich, dass trotz sich wandelnder Geschlechter- und Generationsverhältnisse nach wie vor innerhalb der Familie hauptsächlich Frauen pflegen. Die Autor/innen beleuchten das Verhältnis von Geschlecht, Gerechtigkeit und demografischem Wandel aus verschiedenen disziplinären Perspektiven und sensibilisieren für einen oft vernachlässigten Aspekt von Pflegebeziehungen.
Bauer, Annemarie/Gröning, Katharina (Hg.): Gerechtigkeit, Geschlecht und demografischer Wandel. Frankfurt am Main 2008, 277 S., 25,90 Euro, ISBN 978-3-938304-84-6
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Veranstaltungshinweise
Zahlreiche Veranstaltungen sind im <link aktuelles veranstaltungskalender _top external-link-new-window>Veranstaltungskalender des Wegweisers Bürgergesellschaft zu finden.<link aktuelles veranstaltungskalender _top>
Besonders hinweisen möchten wir dieses Mal auf:
• 23.-24.10.2008 in Speyer: <link aktuelles veranstaltungskalender va external-link-new-window>Integrität öffentlicher Amtsträger und privater Wirtschaftsfunktionäre – 11. Speyerer Demokratietagung
Eine Tagung der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften
• 26.-28.10.2008 in Bonn: <link aktuelles veranstaltungskalender va external-link-new-window>Auf dem Weg durch den Antragsdschungel zur erfolgreichen EU-Förderung
Eine Veranstaltung der Evangelischen Akademie Rheinland