eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 06/2017 (14.06.2017)
Inhalt
- Meldungen aus der Bürgergesellschaft
- Im Fokus: G20 und Zivilgesellschaft
- Publikationen und Veranstaltungen
Meldungen aus der Bürgergesellschaft
Öffentliche Konsultation zur Europäischen Bürgerinitiative
Schwächen der Europäischen Bürgerinitiative (EBI) erkennen und ausbessern: Dies will die Europäische Kommission unter anderem mit einer Öffentlichen Konsultation der EU-Bürger/innen auf den Weg bringen. Bis zum 16. August 2017 können Interessierte und Engagierte einen Online-Fragebogen ausfüllen sowie relevante Positionspapiere hochladen. Besonders erwünscht sind Hinweise von zivilgesellschaftlichen Organisationen, die Instrumente zur partizipativen Demokratie fördern und von Regierungsbehörden, die mit der EBI arbeiten oder anderweitig Bürgerbeteiligung fördern. Dass die Europäische Bürgerinitiative einiger Überarbeitungen bedarf, zeigte nicht zuletzt die erst vor kurzem getroffene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, die Nichtzulassung der Initiative »Stop TTIP« für rechtswidrig zu erklären. Bereits 2015 benannte die Europäische Kommission zudem in einem Bericht Mängel bei der Umsetzung der EBI. Als Ziele der Konsultation und der anschließenden Überarbeitung der Europäischen Bürgerinitiative nennt die Kommission leichtere Zugänglichkeit und erhöhte Benutzerfreundlichkeit.
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BoostCamp: Kommunikation für Demokratie
Demokratie und Menschenrechte durch gelungene Kommunikation stark machen, ist das Ziel des Vereins »Artikel 1 – Initiative für Menschenwürde«. Das offene Netzwerk von Expert/innen aus den Bereichen Kommunikation, Kreativität, Campaigning und Strategie will anderen Engagierten das Handwerkszeug für gelungene Kommunikation und Kampagnen vermitteln. Wie eine erfolgreiche Kampagne funktioniert, zeigen die Initiator/innen des Vereins mit der Kampagne »Demokratie ist alles«: Unter dem Hashtag #KönnenNichtMüssen versammeln sie Bekenntnisse zu den demokratischen Grundrechten. Außerdem haben sie den Preis »Volker« ins Leben gerufen, der Ideen auszeichnet, die positiv und kreativ für Demokratie werben. In Kooperation mit dem »Campaign Boostcamp Deutschland« bietet der Verein im Rahmen eines sogenannten BoostCamps Argumentationstrainings für Ehrenamtliche zu wechselnden Themen an. Der nächste, kostenlose Tagesworkshop findet am 24.06.2017 in Berlin statt.
Studie: Beteiligungsverfahren für Zuwanderer
Die Studie »Zukunft im Quartier gestalten – Beteiligung für Zuwanderer verbessern« stellt Handlungsbereiche und Maßnahmen vor, welche die Teilhabe der Zuwandererinnen und Zuwanderer im Quartier verbessern können. Zudem zeigt sie auf, wie diese Maßnahmen auf Quartiers- und kommunaler Ebene unterstützt werden können. Die zentralen Ergebnisse der Studie machen deutlich: Die Stärkung der Teilhabe- und Beteiligungschancen von Zuwander/innen an der Quartiersentwicklung muss im Rahmen einer umfassenden lokalen Beteiligungskultur gedacht werden. Basis dafür ist ein inklusives Integrationsverständnis, das auf Assimilation gerichtete Ansprüche überwindet und stattdessen auf die gleichberechtigte Teilhabe aller Quartiersbewohner/innen zielt. Dazu ist es erforderlich, dass sozialraumorientierte Strukturen aufgebaut werden, die das Quartier als Gemeinwesen festigen und die Vernetzung sowie Kooperation aller Quartiersakteure ermöglichen. Im Mittelpunkt der Studie stehen acht Quartiere des Städtebauförderprogramms »Soziale Stadt«. Die Studie entstand im Forschungsprogramms »Experimenteller Wohnungs- und Städtebau« des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und wurde betreut vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung. Die Website zum Forschungsprojekt stellt das Konzept und zentrale Ergebnisse vor und bietet die im Juni 2017 dazu veröffentlichte Broschüre zum Download an.
Friedensgutachten 2017
Die fünf führenden deutschen Friedens- und Konfliktforschungsinstitute fordern im Friedensgutachten 2017 mehr humanitäre Hilfe und eine internationale Debatte über Schutzzonen. Deutsche Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien oder in die Türkei verurteilen die Herausgeber angesichts der Konflikte in der Region scharf. Die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union solle zu einer EU-Krisenpräventionsagenda ausgebaut werden. Das Friedensgutachten ist ein seit 1987 erscheinendes Jahrbuch. In einer einleitenden Stellungnahme der Herausgeberinnen und Herausgeber sowie in rund 20 Einzelanalysen werden darin aktuelle Konflikte analysiert, bilanziert und bewertet. Zudem werden außen- und sicherheitspolitische Fragen betrachtet und konkrete Empfehlungen für die Friedens- und Sicherheitspolitik in Deutschland und Europa formuliert.
NRW: Kommunale Entwicklungswerkstätten für Engagement
Das 2011 vom Familienministerium NRW gestartete Projekt »Zukunftsfaktor Bürgerengagement« unterstützt Kommunen in Nordrhein-Westfalen bei der Förderung von bürgerschaftlichem Engagement. Im Rahmen des Projekts nehmen je 20 kommunale Verwaltungsmitarbeiter/innen an sogenannten Entwicklungswerkstätten teil, einer Workshop-Reihe über einen Zeitraum von circa 15 Monaten. Neben fachlichem Input bietet die Entwicklungswerkstatt Raum, individuelle Konzepte und Strategien zu entwickeln und diese mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Kommunen zu diskutieren. Interessierte Städte, Gemeinden und Kreise können sich noch bis zum 30. Juni 2017 um die Mitwirkung in der vierten Entwicklungswerkstatt bewerben.
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Allianz Europäischer Stiftungen: Gemeinsame Erklärung zur Stärkung der Zivilgesellschaft
Die Freiheit der Zivilgesellschaft ist in ganz Europa in Gefahr. Der unabhängige Wirkungsraum von Stiftungen, NGOs, akademischen Institutionen und der freien Presse wird durch politische Radikalisierung und Polarisierung immer mehr eingeschränkt: Zu dieser Einschätzung kommen verschiedene europäische Stiftungen in ihrer gemeinsamen, im Juni 2017 veröffentlichten »Warschauer Erklärung«. Das Positionspapier bekräftigt die Wichtigkeit autonomer zivilgesellschaftlicher Akteure und verurteilt Verstöße gegen grundlegende demokratische Werte wie Freiheit, Menschenwürde und Gerechtigkeit. Als »Philantropic Alliance for Solidarity and Democracy in Europe« werden die etwa 20 beteiligten Stiftungen einen gemeinsamen Solidaritätsfond einrichten. Dieser soll mit finanziellen und ideellen Ressourcen die Arbeit und Unabhängigkeit von bedrohten zivilgesellschaftlichen Akteuren sichern.
Im Fokus: G20 und Zivilgesellschaft
G20 zwischen hoher Politik und Zivilgesellschaft
Am 7. und 8. Juli 2017 findet in Hamburg das zwölfte Gipfeltreffen der Gruppe der Zwanzig, kurz G20, statt. Neben den Ländern USA, Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Italien, Japan und Kanada gehören auch Russland, die Schwellenländer China, Brasilien, Indien, Indonesien, Argentinien, Mexiko und Südafrika sowie Australien, Südkorea, Saudi-Arabien, die Türkei und die Europäische Union zu den Teilnehmern. Zusätzlich nehmen die Chefs vieler internationaler Organisationen wie der UNO, der Weltbank oder der OECD teil. Die G20-Staaten vertreten zwei Drittel der Weltbevölkerung, die für 90 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Welt, 80 Prozent des Welthandels sowie für vier Fünftel der weltweiten Treibhausgase verantwortlich sind. Der Hamburger Gipfel wird das erste Treffen der G20 in einem Industrieland nach der Verabschiedung der Globalen Nachhaltigkeitsziele durch die Vollversammlung der Vereinten Nationen im September 2015 sein. Klaus Milke stellt in seinem Gastbeitrag die Themen und Geschichte des Treffens vor.
Die Beteiligung der Zivilgesellschaft am G20-Prozess
Ob durch Dialog oder Protest: die Bedeutung der internationalen Zivilgesellschaft im G20-Prozess hat in den letzten Jahren zugenommen. Das demokratische Legitimationsdefizit der G20 und die gravierenden Konsequenzen ihrer Politik für eine nachhaltige, globale Entwicklung sind seit ihrer Gründung Grund und Anlass für vielstimmige zivilgesellschaftliche Kritik. Mittlerweile gibt es sieben sog. G20-Engagement Groups, mit denen die G20 in Dialog treten: Business20 (B20), Labour20 (L20), Science20 (S20), Think Tank20 (T20), Women20 (W20), Youth20 (Y20) und Civil Society20 (C20). Der Zugang zum G20-Prozess ist für die Engagement Groups allerdings ausgesprochen unterschiedlich. Die C20 zielt darauf, eine Gegenöffentlichkeit herzustellen und Alternativen zur G20-Politik zu entwickeln. Ein Anliegen der C20 ist es, einen strukturierten Dialog der G20 mit der internationalen organisierten Zivilgesellschaft zu ermöglichen. Ob dies gelingt und welche Stolpersteine es gibt, zeigt Sonja Grigat in ihrem Gastbeitrag.
Der C20-Gipfel im Dialog mit der G20-Präsidentschaft?!
Um Lösungen auf die drängenden Fragen unserer Zeit zu finden, setzt die G20 zunehmend auf die Unterstützung aus der Zivilgesellschaft. So sind Nichtregierungsorganisationen unter dem Zusammenschluss Civil20 (C20) seit 2013 offiziell als sog. Engagement Group der G20 anerkannt. Im Zentrum der Arbeit der C20 steht eine gemeinsame Meinungs- und Positionsbildung. Diese werden im direkten Austausch in den G20-Prozess eingebracht und abschließend in einem Dialogforum am 18./19. Juni 2017 der G20-Präsidentschaft übergeben und mit Kanzlerin Merkel diskutiert. Ein Schwerpunktthema des C20-Gipfels, zu dem mehr als 350 Teilnehmende aus der ganzen Welt erwartet werden, ist die zunehmende Bedrohung der Handlungsspielräume der internationalen Zivilgesellschaft. Elisabeth Staudt und Clemens Schwanhold werfen in ihrem Gastbeitrag einen kurzen Blick auf Ablauf und Inhalte des C20-Gipfels.
G20: Protestwelle und Gegenöffentlichkeit
Im Vorfeld des G20 Treffens findet am 2. Juli 2017 in Hamburg eine große Protestaktion statt, zu der ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis aufgerufen hat. Der Aufruf formuliert Forderungen zu gerechtem Welthandel, Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit. Ebenso wird dazu aufgerufen, die Demokratie zu verteidigen und weiterzuentwickeln, die Parlamente zu stärken, Transparenz zu schaffen und Bürgerinnen und Bürger an wichtigen Entscheidungen wirksam zu beteiligen. Der Protest und die Forderungen richten sich an die G20-Teilnehmenden und die Bundesregierung. Zu der »Protestwelle« zu Lande und zu Wasser werden zehntausende Menschen erwartet.
Gipfel für globale Solidarität
Der für alle Interessierten offene Gipfel für globale Solidarität vom 5.-6. Juli in Hamburg versteht sich als »Alternativgipfel« zum G20-Treffen. Mit Vorträgen, Podien und Workshops mit internationalen Akteuren wollen die Teilnehmenden die Zusammenhänge der globalen Probleme untersuchen, ihre Kritik zusammentragen und vertiefen, sich über Alternativen austauschen und Bündnisse und Strategien zu ihrer Durchsetzung entwickeln. Das Programm des Alternativgipfels spiegelt die Breite des zivilgesellschaftlichen Bündnisses, wie auch dessen vielfältige Perspektiven und Themen wider. Auf elf Podien werden Wissenschaftler/innen, Aktivist/innen und Politiker/innen aus über 20 Ländern über Gegenentwürfe zum neoliberalen Wirtschaftsmodell und dessen ungehemmter Ressourcenausnutzung diskutieren, über wachsende Kriegsgefahr und erstarkenden Nationalismus und Rassismus. Bereits im Vorfeld des eigentlichen Treffens haben Referent/innen des Gipfels für globale Solidarität die Pläne der Bundesregierung kritisiert, im Rahmen des »Compact with Africa« Infrastrukturprojekte für privates Kapital zu öffnen und Investoren Risiken abzunehmen.
Publikationen und Veranstaltungen
Publikation: Gemeinwesenarbeit und Migration
Gemeinwesenarbeit hat eine lange Tradition. Seit etwa 125 Jahren werden Methoden und Prinzipien der ursprünglich aus England und den USA kommenden Gemeinwesenarbeit in Gebieten mit besonderem Entwicklungsbedarf erfolgreich angewandt. Gemeinwesenarbeit ist historisch eng mit dem Thema Migration verbunden. Die vorliegende Publikation knüpft an diese gewachsene Verbindung an. Egal ob in den Städten oder auf dem Land: die verstärkte Zuwanderung nach Deutschland führt zu Veränderungen in vielen Nachbarschaften. Dies fordert die Profession Soziale Arbeit heraus, gemeinwesenorientierte Handlungskonzepte mit den Bürgerinnen und Bürgern und den geflüchteten Menschen vor Ort ebenso zu entwickeln, wie die interkulturelle Öffnung sozialer Dienste in das Gemeinwesen zu forcieren. Im ersten Teil des Buches werden von den Autorinnen und Autoren theoretisch-konzeptionelle Grundlagen dargestellt, die für eine kritische Reflexion des Zusammenhangs von Gemeinwesenarbeit und Migration wichtig sind. Kurzdarstellungen von guten Beispielen aus der Praxis der Gemeinwesenarbeit runden im zweiten Teil die Publikation ab.
Milena Riede, Michael Noack (Hrsg.): Gemeinwesenarbeit und Migration. Aktuelle Herausforderungen in Nachbarschaft und Quartier. Bonn 2017, 106 S., 8,00 Euro, ISBN 978-3-941143-33-3
Publikation: Politische Diskurse online
Online-Diskurse haben als Mittel der politischen Diskussion in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Nur ist die Qualität der Debatten im Netz häufig schlecht, denn schnell wird zu polarisierend oder zu vereinfachend diskutiert, so scheint es. Woran liegt es, dass manche Diskurse in Online-Foren sachgebunden und konstruktiv bleiben und es in anderen schnell vorrangig um persönliche Befindlichkeiten geht? Die vorliegende Publikation untersucht, welche Faktoren die Qualität der kollektiven Meinungsbildung in Beteiligungsverfahren im Netz beeinflussen und leistet dadurch einen aktuellen Beitrag zur Praxis von Online-Beteiligungsformaten.
Kolleck, Alma: Politische Diskurse online. Einflussfaktoren auf die Qualität der kollektiven Meinungsbildung in internetgestützten Beteiligungsverfahren. Baden-Baden 2017, 312 S., 64,00 Euro, ISBN 978-3-8487-3734-5
Veranstaltungshinweise
Zahlreiche Veranstaltungen sind im Veranstaltungskalender des Wegweisers Bürgergesellschaft zu finden. Besonders hinweisen möchten wir dieses Mal auf:
07.-08.07.2017 in Duisburg: Auf Augenhöhe? Gemeinsam mit Geflüchteten vor Ort etwas bewegen.
Ein Workshop der Stiftung Mitarbeit
13.-14.07.2017 in Bad Boll: Gemeinwohl gestalten. Innovative Kooperationen in den Kommunen.
Eine Veranstaltung der Evangelischen Akademie Bad Boll