eNewsletter Nr. 2/2013 (01.02.2013)
Inhalt
- Meldungen aus der Bürgergesellschaft
- Im Fokus: Transition Town und Zivilgesellschaft
- Publikationen und Veranstaltungen
Meldungen aus der Bürgergesellschaft
50 Jahre Stiftung Mitarbeit
Im Jahr 2013 wird die Stiftung Mitarbeit 50 Jahre alt. Der Blick auf ein halbes Jahrhundert ereignisreicher Stiftungsarbeit zeigt, dass das aktive, beteiligungsorientierte Demokratieverständnis, das Grundlage der Arbeit der Stiftung ist, in Deutschland entschieden an Boden gewonnen hat. Diese Entwicklung verdeutlicht jetzt eine grafische Chronik, die nicht nur die Geschichte der Stiftung von 1963 bis heute detailliert darstellt, sondern auch die Eckpunkte dieser Entwicklung im Kontext von Ereignissen in der Bürgergesellschaft und der Zeitgeschichte betrachtet. Als Signal und Ermutigung an alle Bürgerinnen und Bürger, die sich für eine gute Idee engagieren wollen, ergänzt die Stiftung Mitarbeit in ihrem Jubiläumsjahr zudem ihre Starthilfeförderung durch den »Jubiläumsfonds Starthilfe 2013 – 50 Jahre Stiftung Mitarbeit«. Im Rahmen dieser Sonderförderung wird der Betrag der Starthilfeförderung von 500 Euro um bis zu 1.500 Euro erhöht und an ausgewählte Gruppen, Initiativen oder Vereine vergeben. Der durch die Andreas-Mohn-Stiftung unterstützte Jubiläumsfonds wird in zwei Förderrunden vergeben. Antragsschluss für Runde 1 ist der 30. April 2013.
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Studie: Bürgerbeteiligung bei Infrastrukturprojekten
Die Bürger/innen in Deutschland wünschen sich eine stärkere Einbindung in Infrastrukturvorhaben wie den Bau von Straßen, Bahnhöfen, Flugplätzen oder Stromleitungen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Universität Leipzig. Für die Studie wurden im vergangenen Jahr knapp 400 Kommunen, 150 Unternehmen des Infrastrukturbereichs und 1500 Haushalte zu ihrer Einstellung, Bewertung und Nutzung moderner Beteiligungsformen bei Infrastrukturvorhaben befragt. Während die befragten Kommunen und Unternehmen mit den bestehenden Beteiligungsmöglichkeiten bei Infrastrukturvorhaben weitestgehend zufrieden sind, gilt dies für die breite Mehrheit der Bevölkerung nicht. Die befragten Bürger/innen wünschen sich sowohl eine bessere Einbeziehung in die politischen Entscheidungsprozesse als auch ein Mitspracherecht bei der konkreten Planung und Gestaltung von Infrastrukturprojekten. Um eine Konfrontation von Planungsverantwortlichen und Bürger/innen bei Infrastrukturvorhaben zu vermeiden, empfehlen die Autoren der Studie, dieser Forderung der Bürger/innen nachzukommen. Allerdings zeige die Studie, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligungsverfahren der Bevölkerung vielfach nicht bekannt seien. Dies hat zur Folge, dass die Bürger/innen diese nur ungenügend oder zu spät wahrnehmen. Um dies zu ändern, sollten bestehende Beteiligungsmodelle vereinfacht und verbessert sowie vermehrt alternative Beteiligungsmöglichkeiten wie Open-Space-Konferenzen oder Planungswerkstätten genutzt werden.
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BAGFW: Positionspapier zum Bürgerschaftlichen Engagement
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) hat in sieben Positionspapieren ihre Erwartungen für einige zentrale Felder der Gesellschaftspolitik an die Bundespolitik in der kommenden 18. Legislaturperiode formuliert. Ein Positionspapier widmet sich auch der Bedeutung des bürgerschaftlichen Engagements für die Freie Wohlfahrtspflege. Angesprochen werden darin verschiedene engagementpolitische Themenfelder. Die BAGFW kritisiert in dem Papier die zunehmende Instrumentalisierung und Steuerungsansprüche bürgerschaftlichen Engagements durch den Staat. Folge dieser Tendenz sei, dass der »Eigensinn« und die demokratie- und partizipationsfördernden Aspekte des bürgerschaftlichen Engagements in den Hintergrund treten. Die BAGFW fordert zudem eine bessere Vereinbarkeit von Familie, Erwerbsarbeit und Engagement; auch sollten die Hürden und Hindernisse für das bürgerschaftliche Engagement von Menschen mit Behinderungen abgebaut werden. Zur Weiterentwicklung des Bürgerschaftlichen Engagements müssten in Zukunft bürokratische Hürden verringert und Förderregelungen vereinfacht werden. Reformbedarf sieht die Bundesarbeitsgemeinschaft beim Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, dem Vereinsrecht sowie dem Zuwendungsrecht. Weitere Themen der aktuellen Positionspapiere sind Inklusion, Armut, Migration, Gesundheit und Altenpflege sowie Arbeitsförderung.
Das Positionspapier im Wortlaut (PDF)
Europäische Bürgerinitiative gegen Wasserprivatisierung
Seit dem 1. April 2012 können Bürger/innen der EU mit einer Europäischen Bürgerinitiative (EBI), ein bestimmtes Thema auf die Agenda der EU-Kommission setzen. Benötigt werden dafür mindestens eine Million Unterschriften aus mindestens sieben unterschiedlichen EU-Mitgliedsstaaten. Zur Zeit läuft eine intensive Kampagne gegen die die Privatisierung der Wasserversorgung als Unterschriftensammlung für eine Europäische Bürgerinitiative. Gefordert wird in dieser Kampagne ein Gesetzesvorschlag, der das Menschenrecht auf Wasser und sanitäre Grundversorgung entsprechend der Resolution der Vereinten Nationen durchsetzt und eine funktionierende Wasser- und Abwasserwirtschaft als existenzsichernde öffentliche Dienstleistung für alle Menschen fördert.
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Generationenwechsel in der Selbsthilfe
Selbtshilfegruppen und -organisationen stehen wie viele andere zivilgesellschaftlichen Initiativen vor großen Herausforderungen angesichts der Entwicklungen des dempgraphischen Wandels und der veränderten Rolle von modernen Kommunikationsmedien. Die Gewinnung neuer Mitglieder, die Suche nach Nachfolger/innen für Leitungsaufgaben, geänderte Anforderungen und Arbeitsmittel beschäftigen viele Gruppen. Die Deutsche Arbeitsgemeinschaft der Selbsthilfegruppen hat dieses Thema intensiv in Tagungen und Projekten diskutiert und weiterentwickelt. Nun liegt eine umfangreiche kommentierte Literaturzusammenstellung vor. Darin werden sowohl relevante Publikationen aus den letzten 10 Jahren wie auch viele Vorträge und andere Einzelbeiträgebeiträge vorgestellt. Das Handbuch bietet einen Fundus an Hinweisen, die auch über die Selbsthilfe hinaus interessant sind.
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Im Fokus: Transition Town und Zivilgesellschaft
Transition Town: Praxistheorie und Bürgerbewegung
Wie wollen wir in Zukunft leben? Liegt der Schlüssel zur Lösung vieler Umweltprobleme in einer leistungsfähigeren Technik? Oder ist eine nachhaltige Gesellschaft nur über Mäßigung und Verzicht zu erreichen? Diese Fragen lenken den Blick auf einen grundlegenden Konflikt in der Debatte um Nachhaltigkeit, Klimaschutz und ökologische Politik. Im Mittelpunkt stehen dabei die Begriffe Effizienz und Suffizienz. Im Rahmen der weltweiten Transition-Town-Bewegung – der Begriff lässt sich am besten mit »Bewegung für eine Stadt des Übergangs und Wandels« übersetzen – versuchen engagierte Umwelt- und Nachhaltigkeitsinitiativen in Städten, Gemeinden und Regionen die Energiewende und den Übergang in eine postfossile Wirtschaft zu organisieren. Für die Anhänger der wachstumskritischen TT-Bewegung ist die Sache klar: für den Einstieg in ein erdölfreies Zeitalter und für die Planung, Gestaltung und Erhaltung zukunftsfähiger Lebensräume ist ein alternatives Wirtschaften, ein möglichst geringer Rohstoff- und Energieverbrauch und ein ressourcenschonender Konsum ein Ausweg aus der ökologischen Dauerkrise. In der TT-Bewegung bündeln sich zahlreiche bestehende Initiativen und bekannte Ideen aus dem Umweltbereich. Ob Verkehr, Energie, Mobilität und Soziales: die Bürgerbewegung ist anschlussfähig in viele Richtungen und Handlungsfelder. Übereinstimmendes Merkmal aller Initiativen ist die Ansicht, dass der beabsichtigte (Kultur-)Wandel gemeinschaftlich und von unten organisiert gestaltet werden muss. Dr. Thomas Köhler, Bildungssoziologe und Mitgründer einer Transition-Town-Initiative in Hannover, beschreibt in seinem Gastbeitrag die Umrisse einer neuen sozialen Bewegung.
Transition Town: Regionalentwicklung und Energiewende
Die TT-Initiativen ergänzen die globalen Ansätze zur Lösung der Umweltprobleme durch das Umsetzen in direkte, lokale und alltagstaugliche Veränderungen. Dabei warten die Aktivist/innen nicht auf die Politik, sondern werden selbst aktiv. Norbert Rost leitet das Büro für postfossile Regionalentwicklung in Dresden. Am Beispiel der Stadt Dresden zeigt er in seinem Gastbeitrag auf, was die Transition-Town-Bewegung im Spannungsfeld von Regionalentwicklung und Energiewende leisten und wie die zukunftsfähige Hinwendung zu postfossilen Stadt-, Wirtschafts- und Regionalstrukturen aussehen könnte.
Zämma leaba: Resilienz statt Ohnmacht
Ein Merkmal von TT-Initiativen ist die beabsichtigte Transformation bestehender Ordnungen und Verhaltensweisen. Insofern hat das Thema auch eine demokratiepolitische Bedeutung. »Zämma leaba« (Zusammenleben) ist ein Bürgerbeteiligungs- und Bewusstseinsbildungsprozess auf lokaler und regionaler Ebene im österreichischen Bundesland Vorarlberg. Ziel ist es, das Miteinander in den Gemeinden zu stärken und die Bedeutung des sozialen Kapitals für eine erfolgreiche Zukunftsentwicklung aufzuzeigen. Ein aktives Zusammenleben und ein lebendiger Lebensraum haben positive Auswirkungen auf die Gesundheit, die lokale Wertschöpfung, sie steigern die Innovationsfähigkeit und bringen individuellen Nutzen für alle Bürger/innen. Dr. Kriemhild Büchel-Kapeller vom Vorarlberger Büro für Zukunftsfragen stellt in ihrem Gastbeitrag das seit 2006 laufende Projekt vor. Sie ist sich sicher: Sozialkapital ist auch in Zeiten großer Herausforderungen und bei Krisen von Bedeutung. Abseits wirtschaftlicher Zwänge wird Sozialkapital zu einem Innovationsmotor, der die individuelle als auch die gesellschaftliche Resilienz stärkt und so zu einem wichtigen immateriellen Wohlstandsfaktor avanciert. Werte wie Hilfsbereitschaft, freiwilliges Engagement und vor allem das gegenseitige Vertrauen eröffnen dem einzelnen Menschen als auch Gemeinschaften ungeahnte Handlungsspielräume.
Transition Town im Netz
Viele Transition-Town-Initiativen verfügen über eigene Webseiten im Netz. Die länderübergreifende Webseite transition-initiativen.de dient allen am Konzept Interessierten als Vernetzungs- und Unterstützungsplattform. Ob München, Oldenburg oder Leipzig: Fast 120 TT-Initiativen aus Deutschland, aber auch aus Österreich und der Schweiz sind auf der Seite registriert. Die Seite bietet zudem gebündelte Informationen zu aktuellen Aktionen, Veranstaltungen und Diskussionen rund um die Themen der Initiativen.
Publikationen und Veranstaltungen
Publikation: Politische Partizipation jenseits der Konventionen
Graffiti, Flashmobs, Leserbriefe, Losentscheide, Massenverfassungsbeschwerden, Occupy Wall Street, Predigten und strategische Prozessführung – die Ausdrucksformen politischer Partizipation sind vielfältig. Diese Formen der Partizipation sind unkonventionell, weil sie bestehende Konvention (wieder-)beleben oder politisieren und neue Partizipationsinstrumente erfinden. In der Publikation werden die Potenziale unkonventioneller Formen der Partizipation theoretisch erörtert, empirisch untersucht und typologisch eingeordnet. Diskutiert werden außerdem die Interdependenz zwischen verschiedenen politischen und sozialen Partizipationsformen sowie die Kooptierung und Kommerzialisierung von Partizipationsinstrumenten.
Dorothée de Nève/Tina Olteanu (Hrsg.): Politische Partizipation jenseits der Konventionen. 2012, 305 S., 29,90 Euro, ISBN 978-3-8474-0042-4
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Publikation: Das partizipative Museum
Partizipation wird auch als neue Anforderung für kulturhistorische Ausstellungen wahrgenommen. Was bedeutet das Konzept »partizipatives Museum«? Wie wirkt sich eine solche Ausrichtung der Museumsarbeit auf die Institution selbst aus? Die in diesem Band präsentierten interdisziplinären Beiträge bieten einen umfassenden Überblick darüber, wie und warum kulturhistorische Ausstellungen zu sozialen Räumen werden und welchen individuellen und gesellschaftlichen Mehrwert partizipative Museumsarbeit bietet. Zahlreiche Praxisbeispiele zeigen konkrete Anwendungsmöglichkeiten und reflektieren die Konsequenzen einer gegenwartsorientierten und partizipativen Herangehensweise für das Selbstverständnis des Museums und die Ausgestaltung seiner (klassischen) Aufgaben.
Susanne Gesse/Martin Handschin/Angela Jannelli/Sibylle Lichtensteiger (Hg.): Das partizipative Museum. Zwischen Teilhabe und User Generated Content. Neue Anforderungen an kulturhistorische Ausstellungen. 2012, 304 S., 28,80 Euro, ISBN 978-3-8376-1726-9
Bestellung und Information
Veranstaltungshinweise
Zahlreiche Veranstaltungen sind im Veranstaltungskalender des Wegweisers Bürgergesellschaft zu finden. Besonders hinweisen möchten wir dieses Mal auf:
• 7.3.2013 in Berlin: Zivil.Gesellschaft.Staat. Freiwilligendienste zwischen staatlicher Steuerung und zivilgesellschaftlicher Gestaltung
Eine Fachtagung des Bundesnetzwerkes Bürgerschaftliches Engagement und des Bundesarbeitskreises Freiwilliges Soziales Jahr
• 11. - 12.3.2013 in Berlin: Herausforderung für Politik und Verwaltung: Bürgerbeteiligung an Großprojekten der Stadtentwicklung
Eine Fachtagung des Deutschen Instituts für Urbanistik