eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 22/2014 (07.11.2014)
Inhalt
- Meldungen aus der Bürgergesellschaft
- Im Fokus: Projekttransfer in der Bürgergesellschaft
- Publikationen und Veranstaltungen
Meldungen aus der Bürgergesellschaft
Engagementpreis NRW: Gute Nachbarschaften und starke Familien
Das Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport lobt in Kooperation mit der Nordrhein-Westfalen-Stiftung Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege erstmalig den Engagementpreis NRW aus. Unter dem Motto »Gute Nachbarschaften und starke Familien« werden ehrenamtlich getragene Aktivitäten gesucht, die das Zusammenleben in den Städten und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen gestalten, Familien in ihrem Alltag unterstützen und Brücken zwischen unterschiedlichen Lebenswelten im Quartier bauen. Ob Mentoringprojekte, Familienpatenschaften, Großelterndienste, Hilfen für Kinder und Jugendliche, Mehrgenerationenhäuser, kulturelles Engagement, Integrationslotsen, Nachbarschaftsdienste, Tauschbörsen oder ehrenamtliche Aktivitäten bei der Dorferneuerung: Die Auslobung richtet sich an Vereine, Stiftungen und Bürgerinitiativen sowie an öffentliche Einrichtungen aus Nordrhein-Westfalen, die Projekte durchführen, in denen das bürgerschaftliche Engagement eine maßgebliche Rolle spielt und die einen Bezug zum Thema haben. Die Ausschreibung läuft bis zum 10. Dezember 2014. Bewerbungen können ausschließlich online auf engagiert-in-nrw.de eingereicht werden.
Studie: Generali Engagementatlas 2015
In Berlin wurde in dieser Woche der Generali Engagementatlas 2015 vorgestellt. Die Studie liefert empirische Daten zu Anzahl, Profil, Ausstattung und Wirkung von Engagement unterstützenden Einrichtungen in Deutschland, also Freiwilligenagenturen, kommunale Stabsstellen, Bürgerbüros oder Mehrgenerationenhäuser. Der vom Generali Zukunftsfonds und dem Institut für wissenschaftliche Analysen und Beratung (ISAB) erstellte Engagementatlas spricht von einem »Wildwuchs« in der Engagementförderung und formuliert Handlungsempfehlungen an Bund, Länder und Kommunen. So wird vorgeschlagen, die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements als kommunale Pflichtaufgabe festzulegen, da bürgerschaftliches Engagement eine immer wichtigere Ressource der Daseinsvorsorge werde. Engagement unterstützende Einrichtungen werden aufgefordert, sich unabhängiger von öffentlichen Fördergeldern zu machen, etwa durch Unternehmenskooperationen, sich stärker für die Nutzung von Synergien zu öffnen und sich als treibende Kraft in die Schaffung von Engagementregionen einzubringen.
Bürgerbegehrensbericht 2014
Die direkte Demokratie ist aus der Kommunalpolitik nicht mehr wegzudenken: Zu diesem Ergebnis kommt der Bürgerbegehrensbericht 2014, den der Verein Mehr Demokratie zusammen mit Wissenschaftler/innen der Bergischen Universität Wuppertal und der Universität Marburg vorgelegt hat. Seit 1956 gab es demnach 6.447 Verfahren, 3.177 mal kam es zum Bürgerentscheid. Mehr als die Hälfte aller Verfahren fand zwischen 2003 und 2013 statt. Die direktdemokratischen Aktivitäten in den einzelnen Bundesländern variieren nach Angaben des Berichts stark: 40 Prozent aller Verfahren fanden in Bayern statt, gefolgt von Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Berücksichtigt man die Gemeindezahl, kommt es besonders häufig in den Gemeinden der Stadtstaaten Hamburg (jedes Jahr) und Berlin (alle drei Jahre) zu einem Verfahren. Bei den Flächenländern liegen die Gemeinden in NRW und Bayern vorn. Schlusslichter sind diejenigen Bundesländer, in denen viele Themen von Bürgerbegehren ausgeschlossen sind: In Rheinland-Pfalz erlebt eine Gemeinde nur alle 278 Jahre ein Bürgerbegehren, in Mecklenburg-Vorpommern kommt es durchschnittlich alle 161 Jahre zu einem Verfahren.
Der Bürgerbegehrensbericht 2014 im Wortlaut (PDF)
poliWHAT?! Videoreihe für politische Beteiligung
Das Videoprojekt poliWHAT?! präsentiert auf einem eigenen Youtube-Kanal selbst produzierte Clips rund um die Themen Demokratie und Partizipation. Es soll jungen Menschen Möglichkeiten zeigen, wo sie politisch mitwirken und gestalten können. Die Filme werden gemeinsam mit Jugendlichen entwickelt: Video-Blogs werden dabei mit Animationssequenzen kombiniert und modern in Szene gesetzt. Als wichtiges Instrument dient außerdem die Kommentarfunktion unter den jeweiligen Videos. Dort können die Beiträge von der Community aktiv diskutiert werden. Auf Facebook können Interessierte ebenso eigene Vorschläge machen, die dann nach einer Abstimmung filmisch umgesetzt werden. Zu den bisherigen Themen gehörten beispielsweise Kinderrechte, Wahlen ab 16 Jahren sowie Wirtschaft und Lobbyismus. poliWHAT?! wurde im Rahmen des Projekts »Mitwirkung mit Wirkung« entwickelt, das von edeos gemeinsam mit dem Landesjugendring Brandenburg und dem Verein /e-politik/ e. V. ins Leben gerufen wurde.
Im Fokus: Projekttransfer in der Bürgergesellschaft
»Mehr wert als man denkt«: Sozialbilanz von Werkstätten für behinderte Menschen
Erstmals liegen Zahlen vor, die die Wertschöpfung von Werkstätten für behinderte Menschen sichtbar machen. Die repräsentative Studie zum Social Return on Investment (SROI) der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt beleuchtet die Situation auf verschiedenen Ebenen. Die Ergebnisse sind durchweg positiv zu bewerten. Lebensunterhalts-, Betreuungs- und Sozialversicherungsbeiträge werden durch die Teilhabeangebote gesenkt. So fließen 51 Prozent der investierten Mittel direkt an die öffentliche Hand zurück. Sogar finanzielle Mehrwerte werden erreicht, beispielsweise durch die Schaffung von Arbeitsplätzen. Bundesweit erhöhen die Werkstätten also nicht nur die Lebensqualität von behinderten Menschen, sie sind zugleich regionaler Wirtschaftsfaktor.
Mehr Wirkung erzielen durch Projekttransfer
Durch Projekttransfer wird vorhandenes Wissen nicht nur effizient und effektiv weitergegeben, sondern es ergeben sich daraus auch eine Reihe positiver Effekte für den gemeinnützigen Sektor: Gerade kleinen Organisationen gelingt es durch den Wissenstransfer, mit geringen eigenen finanziellen und personellen Ressourcen anspruchsvolle und wirksame Projekte umzusetzen. Dadurch können mehr Menschen von einer Idee profitieren. Bei einem erprobten Projekt entfällt die sensible Startphase, in der das Risiko des Scheiterns am Größten ist. Das ist attraktiv für soziale Investoren und senkt ihre Risiken. Viele Geldgeber haben diesen Vorteil jedoch noch nicht erkannt und verharren in der bekannten Position des »Modellprojektförderers«. Auch im Stiftungswesen ist diese Förderpraxis noch verbreitet. Gemeinsam mit der Bertelsmann Stiftung hat der Bundesverband Deutscher Stiftungen 2008 das Projekt »Effektⁿ« gestartet. Gemeinnützige Akteure werden dabei unterstützt, die eigene Wirkung zu analysieren und zu vergrößern – auch mithilfe von Projekttransfer. Für Juliane Metzner, wissenschaftliche Referentin im Kompetenzzentrum Stiftungsforschung des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen und Effektⁿ-Projektleiterin, ist klar: Anstatt immer wieder Geld, Zeit und Energie in die Entwicklung immer neuer Projekte fließen zu lassen, ist es sinnvoll, sich auf erfolgreiche Projekte zu konzentrieren, diese zu skalieren und auf andere Orte oder Kontexte zu übertragen. Das erfordert jedoch nicht nur ein Umdenken der Organisationen, die Projekte planen, sondern auch der Geldgeber, die diese finanzieren. Denn Innovation liegt nicht unbedingt im Erfinden immer neuer Projekte – sie spiegelt sich auch im Verbreiten erfolgreicher Modelle und deren Verstetigung.

openTransfer: Gutes einfach verbreiten
Für viele gesellschaftliche Herausforderungen gibt es bereits gute Lösungen. Doch allzu häufig sind diese problemlösenden Projekte und sozialen Innovationen zu sehr im lokalen Kontext verankert; ihre (bundesweite) Verbreitung scheitert im Alltag der zivilgesellschaftlichen Arbeit. So bleiben die Potentiale und Wirkungen vieler guter Ideen ungenutzt. Mit dem aus unterschiedlichen Formaten bestehenden openTransfer-Programm wurde von der Stiftung Bürgermut in Kooperation mit weiteren Partnern ein Angebot initiiert, das Transfer-Praktiker/innen online und offline zusammenbringt, damit die Verbreitung ihrer Projekte gelingt. Berlin, Köln, München, Hamburg und Frankfurt waren bislang die Stationen sog. openTransfer CAMPs. Jeweils für einen Tag kamen rund 120 Teilnehmer/innen zusammen, um über ganz unterschiedliche Transfer-Herausforderungen zu sprechen: über den richtigen Finanzierungsmix, über Qualitätssicherung, den Einsatz von Social Media oder Freiwilligenmanagement. Henrik Flor, bei der Stiftung Bürgermut verantwortlich für die Umsetzung des Programms, stellt in seinem Gastbeitrag die verschiedenen openTransfer-Angebote und die dahinterstehende Idee vor.

Das Rad immer neu erfinden? Das PULS Engagement Camp
Das PULS Engagement Camp ist ein transferfähiges Format, um Jugendliche für gemeinnütziges Engagement zu begeistern. PULS Camps machen Engagement für Jugendliche praktisch erlebbar und bieten jungen Leuten, die bisher kaum Erfahrungen mit persönlichem Engagement gemacht haben, ein Format, unkompliziert aktiv zu werden. Damit dies gelingt, verbinden PULS Camps Ferienlageratmosphäre mit dem Gefühl etwas Gutes zu tun – und zwar dort, wo Hilfe wirklich gebraucht wird, in gemeinnützigen Einrichtungen vor Ort. Nach einer dreijährigen Pilotphase organisiert der 2012 gegründete PULS Deutschland e. V. nun den systematischen Transfer des PULS Camp Konzepts in verschiedene Städte in Deutschland. Tina Uhlemann, verantwortlich für die Umsetzung der Berliner PULS Camps, stellt die Initiative und das Modell des Social Franchising in ihrem Gastbeitrag vor.

Voneinander lernen: Anmerkungen zur Gestaltung von Projekttransfers
Warum tun wir uns so schwer damit, erfolgreiche soziale Projekte zu transferieren und Wissen zu teilen? Beim Transfer von Projekten geht es immer auch um Lernprozesse. Doch das Lernen – sowohl auf individueller Ebene als auch in Organisationen – ist ein hoch voraussetzungsreicher Prozess. Gerade organisationale Lernprozesse erfordern Zeit, Reflexion und überhaupt eine Offenheit für diese Prozesse des Lernens. Hinzu kommen der notwendige Aufbau von Vertrauen in Fremde und das Erbringen von anschlussfähiger Kommunikation. Dr. Thomas Leppert und Dr. Hilke Posor, Gründer und Vorstand von Heldenrat – Beratung für soziale Bewegungen e. V., zeigen in ihrem Gastbeitrag, worauf es vor diesem Hintergrund ankommt, um Projekttransfers erfolgreich zu gestalten.

Publikationen und Veranstaltungen
Publikation: Vereinsrecht und Ehrenamt
23 Millionen Frauen und Männer in Deutschland engagieren sich ehrenamtlich in Vereinen, Initiativen und Projekten. Nicht selten kommt es dabei zu Unsicherheiten, welche Spielregeln einzuhalten sind und wann Probleme etwa bei Steuer-, Versicherungs- oder Haftungsfragen auftauchen können. Der neue Ratgeber der Verbraucherzentrale NRW informiert über verschiedene Organisationsformen sowie die Rechte und Pflichten von Vereinsmitgliedern und Vorständen. Dabei geht es um die richtige Leitung einer Versammlung, um Antragsstellung und Beschlussformulierung oder um Versicherungsfragen. Ehrenamtliche erfahren zudem, welche Regeln bei Lohn, Steuern und der Anrechnung von Zahlungen auf Sozialleistungen gelten und in welchen Fällen sie im Zweifelsfall im Rahmen ehrenamtlicher Tätigkeiten haften.
Bernd Jaquemoth: Vereinsrecht und Ehrenamt. Das Handbuch für Ehrenamtler. Düsseldorf 2014, 192 S., 12,90 Euro, ISBN 978-3-86336-621-6
Publikation: Transformationsdesign
Wie viel braucht der Mensch? Unter den momentanen Voraussetzungen der expansiven, ressourcenverbrauchenden Moderne, lautet die Antwort auf diese Frage: Immer mehr! Die Autoren plädieren hingegen für die Einleitung eines Transformationsprozesses, dessen vorläufiges Ende durch einen Zustand struktureller Nachhaltigkeit markiert ist. Den drängenden Problemen wie Hyperkonsum, Verbrauch von fossilen Brennstoffen oder fortschreitender Flächenversiegelung soll mithilfe von Transformationsdesign entgegengetreten werden. Darunter verstehen die Autoren die Gestaltung eines Zukunftkonzepts, das den Übergang zur reduktiven Moderne und damit zu einem Weniger statt Mehr einleitet. Dieser Weg führt unter anderem über einen radikal reduzierten Naturverbrauch, betrifft aber letztlich alle Gesellschaftsbereiche. Veränderungsprozesse können entweder durch gelungenes Design oder eine Katastrophe ausgelöst werden: Die Autoren möchten es mit Design versuchen.
Sommer, Bernd / Welzer, Harald: Transformationsdesign. Wege in eine zukunftsfähige Moderne. München 2014, 240 S., 19,95 Euro, ISBN 978-3-8658-1662-7
Veranstaltungshinweise
Zahlreiche Veranstaltungen sind im <link mitteilen nuetzliches termine-veranstaltungen veranstaltungskalender internal-link internal link in current>Veranstaltungskalender des Wegweisers Bürgergesellschaft zu finden. Besonders hinweisen möchten wir dieses Mal auf:
• 7.-12.12.2014 in Hattingen: Lobbyismus, Sachzwänge, Expertenherrschaft: Wie gefährdet ist die Demokratie?
Ein Seminar des DGB Bildungswerks e.V.
• 10.12.2014 in Berlin: <link mitteilen nuetzliches termine-veranstaltungen veranstaltungskalender va _blank external-link-new-window external link in new>Big Data, Open Data und die Rolle der Städte
Eine Veranstaltung des Deutschen Instituts für Urbanistik