eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 4/2016 (13.04.2016)
Inhalt
- Meldungen aus der Bürgergesellschaft
- Im Fokus: Beteiligung und Engagement von Kindern und Jugendlichen
- Publikationen und Veranstaltungen
Meldungen aus der Bürgergesellschaft
RBS: Expertenkommission zur Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik
Mit der im März 2015 einberufenen »Expertenkommission zur Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik« hat die Robert Bosch Stiftung zehn Vertreter/innen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zusammengebracht, um konkrete Handlungsoptionen und Reformvorschläge für die deutsche Flüchtlingspolitik zu entwickeln. Der Abschlußbericht der Kommission mit dem Titel »Chancen erkennen - Perspektiven schaffen - Integration ermöglichen« liegt nun vor. Er orientiert sich im inhaltlichen Aufbau am Ablauf einer Flüchtlingsbiographie und den daraus resultierenden Schritten von Zugang, Aufnahme und Integration, Asylverfahren, Anerkennung oder Rückführung bei Nichtanerkennung. Der Bundespräsident und die Robert Bosch Stiftung diskutierten diese Handlungsempfehlungen und die konkreten Herausforderungen in Städten und Gemeinden mit 200 Expertinnen und Experten aus allen gesellschaftlichen Bereichen am 7. April 2016 in Berlin. Eine Dokumentation der Veranstaltung steht online zur Verfügung.
Projektaufruf: Stadtentwicklung und Migration
Die Partner der Nationalen Stadtentwicklungspolitik suchen beispielhafte und beteiligungsorientierte Projekte, die sich mit der Integration von (Neu-)Zuwanderern als Zukunftsaufgabe integrierter Stadtentwicklung befassen. Gesucht werden »innovative Planungsprozesse, in denen stadtgesellschaftliche Diskurse geführt, strategische Konzepte und Aktionsprogramme aufgestellt und erste Umsetzungsschritte gegangen werden, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt vor Ort zu verbessern«. Der Aufruf richtet sich an Städte, die vor Ort mit neuartigen strategischen Ansätzen ihre Konzepte und Planungsprozesse sowie deren Umsetzung erneuern und so den gesellschaftlichen Zusammenhalt verbessern. Grundbedingung für alle Bewerbungen ist, dass durch die Projekte neue Impulse für die Stadtentwicklung und das soziale Miteinander in der Stadt entstehen. Einsendeschluss für Projektvorschläge ist der 31.05.2016.
Der Projektaufruf im Wortlaut (PDF)
Niedersachsen: Initiative »Stiftungen helfen«
Schneller, unbürokratischer und zielsicher die ehrenamtliche Flüchtlingsarbeit fördern – darum geht es der neu gegründeten Initiative »Stiftungen helfen« in Niedersachsen. Bislang haben sich 30 Stiftungen zusammengeschlossen. Die Initiative wurde gestartet von der Klosterkammer Hannover, Landesbehörde und Stiftungsorgan im Dienstbereich des niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur, und der Niedersächsischen Lotto-Sport-Stiftung. Herzstück der Initiative »Stiftungen helfen« ist ein Fonds, mit dessen Mitteln Ehrenamtliche, die sich privat oder in einer Initiative engagieren, unterstützt werden. Zudem wurde eine Koordinierungsstelle eingesetzt und eine Website mit gebündelten Informationen zum Thema eingerichtet. Die Initiative versteht sich über die Unterstützung von Engagierten hinaus auch als Plattform für den Ideenaustausch und Kooperationen unter themennahen Stiftungen.
Studie zur finanziellen Bürgerbeteiligung an Energiewende-Projekten
Mit der finanziellen Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern beispielsweise am Bau neuer Stromnetze oder an neuen Windparks sollen die Akzeptanz und das Vertrauen in notwendige Energieinfrastrukturprojekte gesteigert und deren Realisierung beschleunigt werden. Ob diese Ziele mit den derzeit vorhandenen Instrumenten erreicht werden, hat eine Studie untersucht, die vom Kompetenzzentrum Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge e.V. an der Universität Leipzig erstellt wurde. Die Studie analysiert auf Basis einer Befragung von Energieerzeugern und Netzbetreibern, welche Erfahrungen mit finanzieller Bürgerbeteiligung bestehen, welche Ziele die Bürger/innen damit verbinden und ob diese Instrumente tatsächlich genutzt werden. An der Befragung nahmen 102 Unternehmen aus den Sparten Energieerzeugung und Energienetze teil.
Europäische Bürgerinitiative: EU-Kommission blockiert Reform
Die Europäische Bürgerinitiative (EBI) soll bürgerfreundlicher werden: Mit diesem Ziel haben verschiedene Bürgerrechtsorganisationen eine neue Petition zur Reform der Europäischen Bürgerinitiative gestartet. Sie appellieren damit an die EU-Kommission, die vom EU-Parlament vorgeschlagenen Reformen umzusetzen und die Blockadehaltung aufzugeben. Im Herbst 2015 hatte ein Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen dem EU-Parlament 76.397 Unterschriften von Unterstützerinnen und Unterstützern überreicht, verbunden mit Vorschlägen zur Stärkung der euorpäischen Bürgerinitiative. Das Parlament machte sich viele dieser Ideen zu eigen. Die EU-Kommission hingegen zeigte sich den Vorschlägen gegenüber weniger aufgeschlossen und verhindert bislang deren Umsetzung. Die Europäische Bürgerinitiative soll die politische Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger in der Europäischen Union verbessern, indem sie die EU-Kommission dazu verpflichten kann, sich mit bestimmten Themen zu befassen. Dafür müssen allerdings in zwölf Monaten insgesamt eine Million gültige Unterschriften aus sieben EU-Mitgliedsstaaten gesammelt werden. Fristen und formale Anforderungen variieren dabei von Land zu Land und schaffen bürokratische Hürden, die der Wirksamkeit der Europäischen Bürgerinitiative entgegenstehen. Formale Hürden des Verfahrens abzubauen, ist ein wichtiges Anliegen der Petition.
Geschlechtergerechtigkeit und Hilfsprojekte im Klimabereich
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat Im Vorfeld der Klimakonferenz , die im Dezember 2015 in Paris stattfand, erhoben, inwiefern die Mitgliedsstaaten des Ausschusses für Entwicklungshilfe Geschlechtergerechtigkeit in ihre bilateralen Hilfsprojekte im Klimabereich integrieren. Dabei wurde deutlich, dass im Jahr 2013 29% der Mitgliedsstaaten Geschlechtergerechtigkeit in ihre klimawandelrelevanten Entwicklungshilfeprojekte einbezogen und zwar in einem Umfang von 6,9 Milliarden USD. Bei einem großen Teil (46 %) der Projekte mit Genderbezug steht die Anpassung an die Folgen des Klimawandels im Vordergrund, nur 19% der Projekte fielen in den Bereich des Klimaschutzes, also der Verminderung der Ursachen des Klimawandels. Die OECD ruft in ihrer Publikation die Mitgliedsstaaten dazu auf, ihre Anstrengungen weiter zu verstärken und Geschlechtergerechtigkeit in alle Aspekte ihre klimabezogenen Aktivitäten zu integrieren. Sie betont dabei die wichtige Rolle, die Geschlechtergerechtigkeit für eine nachhaltige Entwicklung spielt.
Im Fokus: Beteiligung und Engagement von Kindern und Jugendlichen
Jugend und Politik: Ergebnisse einer Studie
Das Interesse und die Teilhabe von Jugendlichen an Politik und politischen Prozessen steht regelmäßig im kritischen Blickfeld von Wissenschaft und (Fach-)Öffentlichkeit. Einen weiteren Versuch, sich den damit verbundenen Fragestellungen zu nähern, unternimmt eine aktuelle Studie des Forums »Jugend und Politik« der Friedrich-Ebert-Stiftung. In Kooperation mit dem Deutschen Jugendinstitut wurden im vergangenen Jahr mehr als 2.000 Jugendliche im Alter zwischen 14-29 Jahren zu ihrer politisch-gesellschaftlichen Teilhabe befragt. Die Studie sollte untersuchen, in welcher Weise und in welchem Ausmaß sich junge Menschen gesellschaftlich und politisch engagieren, welche Faktoren Engagement fördern und welche Motive Jugendliche haben, die sich in besonderem Umfang politisch engagieren. Die Ergebnisse der Studie illustrieren einen widersprüchlichen Befund: Zwar lässt sich feststellen, dass bei Jugendlichen generelles Interesse an politischen und gesellschaftlichen Themen besteht; die Mehrheit der befragten Jugendlichen ist jedoch nicht politisch aktiv. Dr. Stefanie Hanke, Leiterin des Forums Jugend und Politik der Friedrich-Ebert-Stiftung, stellt in ihrem Gastbeitrag die Studie vor und erläutert, wie wichtig die Erfahrung der Selbstwirksamkeit für das politische Engagement junger Menschen ist.

Kinder und Jugendlich partizipativ fördern: Der Verein Children for a better World e.V.
Die Förderung von Kindern und Jugendlichen gehört für viele zivilgesellschaftliche Initiativen und Organisationen zum Alltag. So widmen sich beispielsweise über ein Viertel aller deutschen Stiftungen ausschließlich oder neben anderen Zwecken der Kinder- und Jugendhilfe. Bisher haben jedoch nur sehr wenige von ihnen Partizipationsformen entwickelt und integriert, die die Mitgestaltung ihrer eigenen Zielgruppe ermöglichen. Seit seiner Gründung im Jahr 1994 hat der in München ansässige gemeinnützige Verein Children for a better World den Anspruch Kinder und Jugendliche möglichst eng in die eigene Arbeit einzubinden. Der Verein möchte damit nicht nur den Anspruch auf ein Grundrecht verwirklichen, sondern den Kindern und Jugendlichen positive Lernerfahrungen ermöglichen und sie in ihrer Selbstwirksamkeit, ihrem Selbstbewusstsein und in ihren sozialen Kompetenzen stärken. Ob Kinderbeiräte oder Förderfonds: Kaija Landsberg und Thea Link stellen in ihrem Gastbeitrag die beteiligungsfreundliche Arbeit des Vereins vor.

Jugendverbandsarbeit: Engagement für eine plurale und gerechte Gesellschaft
Ehrenamtlichkeit und Beteiligung sind zwei zentrale Prinzipien von Jugendverbandsarbeit. So nehmen beispielsweise allein 500.000 Kinder und Jugendliche regelmäßig an den Angeboten der niedersächsischen Jugendverbände teil, die von 50.000 Jugendleiter/innen ehrenamtlich betreut werden. Pro Jahr kommen so über 15.000.000 Stunden ehrenamtliche Arbeit zusammen. Zugleich sorgen demokratisch legitimierte Entscheidungsstrukturen innerhalb der Verbände für eine legitime Interessenvertretung der Anliegen junger Menschen gegenüber Politik und Öffentlichkeit. Marcus Lauter, Referent für Jugendarbeit und Jugendpolitik beim Landesjugendring Niedersachsen, zeigt in seinem Gastbeitrag, wieso Jugendverbandsarbeit wichtig für Demokratie und Gesellschaft ist.

Ausblendung? Idealisierung? Fragen an die Shell-Jugendstudie
Die 17. Shell Jugendstudie 2015 stützt sich auf eine repräsentativ zusammengesetzte Stichprobe von 2.558 Jugendlichen im Alter von 12 bis 25 Jahren aus den alten und neuen Bundesländern, die zu ihrer Lebenssituation, ihren Einstellungen und Orientierungen persönlich befragt wurden. Immer mehr Jugendliche zeigen demnach politisches Interesse. Im Vergleich zu nur 30 Prozent im Jahr 2002 bezeichnen sich 2015 rund 41 Prozent der Jugendlichen als »politisch interessiert«. Mit dem politischen Interesse verbunden ist die Bereitschaft zur Beteiligung an politischen Aktivitäten. Prof. Dr. Ronald Lutz, Fachhochschule Erfurt, lenkt im Gegensatz dazu in einem Beitrag für die Zeitschrift des Hamburger Landesjugendrings den Blick auf die Lücken der Shell Jugendstudie: die aktuelle Ausgabe sei hinsichtlich sozialer Probleme kaum aussagefähig, da Daten zur Jugendarmut nahezu gänzlich fehlten. Durch das Ausblenden der »Schattenseiten der Gesellschaft« würde kein vollständiges und ein idealisiertes Bild der Jugend gezeichnet und ein wichtiger Bestandteil jugendlicher Realität nicht abgebildet. Der Beitrag steht online zum Abruf bereit.
Projekt: jugend.beteiligen.jetzt
Wie lässt sich gesellschaftliche und politische Teilhabe von Jugendlichen durch digitale Partizipation fördern? Das neue Projekt »jugend.beteiligen.jetzt – für die Praxis digitaler Partizipation« will Erfahrungen, Werkzeuge, Tools und Strategien auf einer Online-Plattform bereit stellen. Das Projekt möchte Kommunen, Jugendhilfeträger und Vereine mit Qualifizierungen zum Thema Jugendbeteiligung und über geeignete Tools zur digitalen Partizipation unterstützen. Dazu wird das Wissen aus erfolgreichen Projekten zusammengeführt. Mit der Projektplattform soll neben der Dokumentation von guten Beispielen und ausgewählten Jugendbeteiligungsprojekten ein stetig wachsendes und vielfältiges Netzwerk für digitale Jugendbeteiligung als Beitrag zu einer jugendgerechten Gesellschaft entstehen. Das Vorhaben ist ein Gemeinschaftsprojekt der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, des Deutschen Bundesjugendrings und der Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland, initiiert und gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die Koordinierungsstelle »Handeln für eine jugendgerechte Gesellschaft« unterstützt die Einbindung des Vorhabens in die gleichnamige Jugendstrategie des BMFSFJ.
Publikationen und Veranstaltungen
Publikation: Funktionslogiken organisierten freiwilligen Engagements
Die Funktionsweisen und strategischen Herausforderungen organisierten freiwilligen Engagements sind ein weißer Fleck in der Zivilgesellschaftsforschung. Der Autor untersucht in der vorliegenden Publikation im Rahmen einer sozialwissenschaftlichen Einzelfallstudie über das Kolpingwerk Deutschland, wie freiwilliges Engagement organisiert wird. Die für eine Organisationsanalyse freiwilliger Vereinigungen erforderlichen Kategorien und Tools werden vom Autor erarbeitet, organisations-soziologisch operationalisiert und angewandt. Über die Interessenverfolgung der einzelnen Organisationsebenen und ihre spezifische Kommunikation werden Dilemmata und Widersprüche einer komplexen freiwilligen Organisation erfasst.
Feiler, Victor: Funktionslogiken organisierten freiwilligen Engagements. Eine Studie über das Kolpingwerk Deutschland. 2016, 429 S., 59,99 Euro, ISBN 978-3-658-12304-8
Information und Bestellung
Publikation: Warum Europa eine Republik werden muss
Es ist Zeit, Europa neu zu denken: Nach Ansicht der Autorin steht bisher im Mittelpunkt Europas die Trilogie aus Rat, Kommission und Parlament; die Idee der Nationalstaaten drängt die europäische Idee mancherorts in den Hintergrund. Mit einem Text, der als politische Utopie formuliert ist, geht die Autorin zunächst davon aus, dass Europa gleiche politische Rechte für alle Bürgerinnen und Bürger bedeutet. Sie plädiert für die Schaffung eines gemeinsamen republikanischen Daches und fordert einen europäischen Parlamentarismus, der dem Grundsatz der Gewaltenteilung folgt.
Guérot, Ulrike: Warum Europa eine Republik werden muss! Eine politische Utopie. Bonn 2016, 304 S., 18,00 Euro, ISBN 978-3-8012-0479-2
Veranstaltungshinweise
Zahlreiche Veranstaltungen sind im Veranstaltungskalender des Wegweisers Bürgergesellschaft zu finden. Besonders hinweisen möchten wir dieses Mal auf:
• 13.-17.5.2016 in Berlin: Pfingstakademie Jugendbeteiligung: Identität(en) – Wer wir sind und wer wir werden wollen? Eine Veranstaltung der Stiftung wannseeFORUM
•21.-22.6.2016 in Berlin: Integration heißt Teilhabe. Partizipation und Engagement für, mit und von Flüchtlingen Eine Tagung der Stiftung Mitarbeit