eNewsletter Nr. 3/2011 (18.02.2011)
Inhalt
- Meldungen aus der Bürgergesellschaft
- Im Fokus: Armut und Partizipation
- Publikationen und Veranstaltungen
Meldungen aus der Bürgergesellschaft
Zivilgesellschaftlicher Aufruf zur EU-Investitionspolitik
Derzeit wird im Europäischen Parlament um die Ausrichtung der zukünftigen EU-Investitionspolitik gestritten. Durch den Lissabon-Vertrag haben die 27 EU-Mitgliedsstaaten ihre Kompetenz und Eigenständigkeit gegenüber Auslandsdirektinvestitionen nach Brüssel ausgelagert. Die einzelnen Staaten haben sog. bilaterale Investitionsabkommen abgeschlossen, die es transnationalen Konzernen ermöglichen, gegen soziale, ökologische und ökonomische Regulierungsmaßnahmen seitens des Staates zu klagen, sofern sie diese als Bedrohung für geplanten Gewinne auffassen. In diesen Investitionsabkommen sehen viele zivilgesellschaftliche Organisationen eine Gefahr für demokratische und gemeinwohlorientierte Politik in Europa. Deshalb fordern sie einen grundsätzlich neuen Ansatz in der internationalen Investitionspolitik. Im Zentrum steht dabei der Wunsch nach einer staatlichen Regulierung mit klaren sozialen und ökologischen Richtlinien. Dem öffentlichen Interesse müsse gegenüber Konzerninteressen wieder Vorrang eingeräumt werden. Initiativen, Organisationen und auch Einzelpersonen können den Aufruf aktiv im Netz unterstützen.
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Bündnis für Soziale Stadt
Nachdem die Regierungskoalition beschlossen hat, die Mittel für das Programm »Soziale Stadt« für das Jahr 2011 massiv zu kürzen, steht die strategische Arbeit faktisch vor dem Aus. Trotzdem hat sich der deutschlandweite Bedarf an städtebaulichen, sozial-, bildungs- und arbeitsmarktpolitischen integrierten Maßnahmen nicht reduziert. Der Wettbewerb »Soziale Stadt 2010« hat mit insgesamt 178 eingereichten Projekten aus ganz Deutschland außerdem gezeigt, dass es weder an Engagement noch an Konzepten mangelt. Als Konsequenz haben die Organisatoren des Wettbewerbs, darunter der Deutsche Städtetag, der Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung und die Schader Stiftung, im Januar das offene »Bündnis für eine Soziale Stadt« gegründet. Das Bündnis fordert, das Programm auch in Zukunft als ein zentrales Instrument der Städtebauförderung zu erhalten, um die Initiativen zahlreicher Akteure bei der sozialen Stabilisierung benachteiligter Quartiere wirksam unterstützen zu können. Ziel ist es, das Programm »Soziale Stadt« 2012 auf dem Niveau des Jahres 2010 wieder aufnehmen zu können.
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Neue Förderphase für Mehrgenerationenhäuser
Die Mehrgenerationenhäuser, deren Förderung im Herbst 2011 ausläuft, müssen sich für die Zeit bis Anfang 2012 neue Finanzierungen suchen. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der SPD-Fraktion hervor. Demnach ist eine Übergangsfinanzierung für die Häuser nicht geplant. Von der Regelung betroffen sind 58 Einrichtungen. Ein neues Förderprogramm für Mehrgenerationenhäuser soll laut Bundesregierung Anfang 2012 starten. Neben den bestehenden Einrichtungen können sich dann auch neue Projekte bewerben. Geplant ist eine Förderung von 450 Standorten, so dass in jedem Landkreis und in jeder kreisfreien Kommune je ein Mehrgenerationenhaus angesiedelt ist. In Großstädten und Metropolregionen soll es zusätzliche Häuser geben. Mehrgenerationenhäuser werden generationenübergreifend als Wohnraum oder offene Treffpunkte mit Angeboten etwa für junge Familien und Senioren genutzt. Im Aktionsprogramm Mehrgenerationenhäuser arbeiten seit dem Jahr 2008 bundesweit 500 Einrichtungen.
Die Antwort der Bundesregierung im Wortlaut (PDF)
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Web 2.0 und politische Bildung
Die Möglichkeiten des Web 2.0 gewinnen auch in der politischen Bildung eine immer stärkere Bedeutung. Nach einer Tagung im Jahr 2010 haben die Bundeszentrale für politische Bildung und das DGB Bildungswerk gemeinsam ein Internetportal zum Thema aufgebaut. Auf der Plattform werden praxisnah Beispiele und Online-Werkzeuge vorgestellt, die sich in der politischen Bildung nutzen lassen. Zur Zeit können Interessierte auch weitere Themenvorschläge zur Ausrichtung des Portals einbringen.
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Im Fokus: Armut und Partizipation
EU-Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung: Eine kritische Bilanz
Circa 80 Millionen Menschen oder 16 Prozent der europäischen Bevölkerung sind von Armut bedroht. In Deutschland waren 2008 14,4 Prozent der Bevölkerung und rund ein Fünftel der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren arm, rund 1,6 Millionen Menschen sind trotz der Ausübung einer Erwerbstätigkeit armutsgefährdet. Mit der Ausrufung des Europäischen Jahres gegen Armut und soziale Ausgrenzung für das Jahr 2010 durch das Europäische Parlament und den Europäischen Rat sollte die politische Verpflichtung der Lissabon-Strategie bekräftigt werden, eine aktive Armutsbekämpfung zu betreiben. Michaela Hofmann, stellvertretende Sprecherin der Nationalen Armutskonferenz, erläutert in ihrem Gastbeitrag den negativen Zusammenhang von Armut und politischer Partizipation und zieht ein insgesamt ernüchterndes Fazit des Aktionsjahres: Eine Verbesserung der politischen Strategien gegen Armutsbekämpfung wurde nicht erreicht.

Armut und Teilhabe im städtischen Kontext
Studien zeigen, das seit einigen Jahren nicht nur die Anzahl Ärmerer und Reicherer immer weiter wächst – ärmere Haushalte werden auch immer ärmer. Die materiellen Lebensbedingungen in den nächsten Jahren werden demnach wesentlich von einer sich seit Jahren verschärfenden sozialen Ungleichheit und sozialen Spaltung geprägt, die sich nicht zuletzt auch im städtischen Kontext widerspiegelt. Vor diesem Hintergrund erscheint die Erwartung problematisch, dass gerade die Bevölkerungsgruppen, deren Lebensbedingungen immer prekärer werden, nun auch noch zunehmend Verantwortung fürs Gemeinwesen übernehmen sollen. Gleichwohl stellt sich die Frage, wie die Beteiligungschancen benachteiligter Bevölkerungsgruppen und Menschen in Armutslagen erhöht und benachteiligte Gruppen zivilgesellschaftlich besser repräsentiert werden können. Dr. Ronald Lutz, Professor für Angewandte Sozialwissenschaften an der Fachhochschule Erfurt, und Tilo Fiegler, wissenschaftlicher Mitarbeiter, werfen in ihrem Gastbeitrag einen kritischen Blick auf die klassischen Instrumente kommunaler Aktivierung und Beteiligungspraxis und schlagen vor, diese gerade mit Blick auf die Lebenslagen benachteiligter Gruppen angemessen zu erweitern.

Wohnungslose Menschen zwischen Selbsthilfe und Selbstorganisation
Selbsthilfe ist ein zentrales Prinzip der Sozialarbeit. Sie wird in der Regel unterschieden nach individueller und gruppenorientierter Selbsthilfe. Stefan Gillich, Referent für Gefährdetenhilfe beim Diakonischen Werk Hessen und Nassau, rückt in seinem Gastbeitrag die Selbsthilfeformen wohnungsloser Menschen ins Blickfeld und geht anhand vieler Beispiele für gelingende Selbstorganisation der Betroffenen der Frage nach, welche Anforderungen für die Weiterentwicklung der professionellen Hilfe für wohnungslose Menschen abzuleiten sind. Für ihn ist klar: Der Appell an die Selbsthilfekräfte und Selbstverantwortung muss eine Entsprechung finden in dem Angebot an Partizipationschancen und damit Einflusschancen auf politische Entscheidungen, die die Menschen in ihrer Lebensgestaltung berühren. Es geht nicht nur darum, Selbsthilfe zu fördern, sondern die Selbstorganisation zu ermöglichen und zu stärken.

Armut in Deutschland
Der aktuelle politische Diskurs zu Armut in Deutschland war im Dezember 2010 ein Themenschwerpunkt in der Reihe »Aus Politik und Zeitgeschichte«, der Beilage zur Wochenzeitung »Das Parlament«. Neben einer Einführung in die aktuelle Armutsdebatte werden in der Ausgabe verschiedende Aspekte der Armutsbekämpfung diskutiert.
Die Ausgabe im Wortlaut (PDF)
Im ersten Themenschwerpunkt der Reihe im Jahr 2011 zum Thema »Postdemokratie« beschäftigt sich ein Beitrag mit der ungleichen Verteilung politischer und zivilgesellschaftlicher Partizipation. Die Autorin Petra Böhnke, Soziologin am Wissenschaftszentrum Berlin, geht darin auch der Frage nach, inwieweit Einkommen und Erwerbsstatus sich auf die Partizipationschancen und das Partizipationsverhalten der Bürgerinnen und Bürger auswirken.
Die Ausgabe im Wortlaut (PDF)
http://www.bpb.de/publikationen/3CEF73,0,Ungleiche_Verteilung_politischer_und_zivilgesellschaftlicher_Partizipation.html
Publikationen und Veranstaltungen
Publikation: Interkulturelle Freiwilligenarbeit
Wie kann freiwilliges Engagement den Zusammenhalt zwischen Kulturen fördern? Was benötigen Vereine und Initiativen für dieses interkulturelle Engagement? Unter diesen Leitfragen interviewte die Kölner Freiwilligen Agentur e.V. etwa 90 gemeinnützige Einrichtungen und 31 Freiwillige mit Migrationshintergrund. Die Ergebnisse wurden in der Broschüre »Interkulturelle Freiwilligenarbeit« mit Erfahrungen und Hinweisen für gemeinnützige Einrichtungen, Fortbildungsanbieter und die Politik veröffentlicht. Die Studie empfiehlt, Integration nicht als Voraussetzung für ein freiwilliges Engagement anzusehen, sondern als eine mögliche Konsequenz. Interkulturelles Engagement kann dann gelingen, wenn eine Einrichtung ihre interkulturelle Öffnung als Querschnittsaufgabe ansieht und sich auf einen Entwicklungsprozess einlässt.
Die Broschüre im Wortlaut (PDF)
Publikation: Miteinander Stadt entwickeln
Die Ergebnisse des Forschungsprojektes »Stadtentwicklung, Zivilgesellschaft und bürgerschaftliches Engagement« sind in einer Sonderveröffentlichung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung publiziert. Die Broschüre geht der Frage nach, wie eine nachhaltige Stadtentwicklung stärker ins Bewusstsein gerückt und wie diese mit den Themenfeldern Zivilgesellschaft, Bürgerschaftliches Engagement und Ehrenamt enger verknüpft werden können. Neben einer Reihe von Bausteinen, die für ein gegenseitiges Verständnis werben sollen, findet sich in dieser Handreichung auch ein kurzer Serviceteil mit Begriffserklärungen und weiterführender Literatur. Die Veröffentlichung richtet sich gleichermaßen an Praktiker/innen der Zivilgesellschaft und der Stadtentwicklung.
Die Broschüre im Wortlaut (PDF)
Veranstaltungshinweise
Zahlreiche Veranstaltungen sind im Veranstaltungskalender des Wegweisers Bürgergesellschaft zu finden. Besonders hinweisen möchten wir dieses Mal auf:
• 23.03.2011 in Bonn: Europäische Förderung für bürgerschaftliches Engagement
Eine Veranstaltung der Kontaktstelle »Europa für Bürgerinnen und Bürger«
• 01.04.-02.04.2011 in Bad Boll: Auswege aus der Wachstumsfalle
Eine Veranstaltung der Evangelischen Akademie Bad Boll