Newsletter Nr. 20/2009 (09.10.2009)
Inhalt
- Meldungen aus der Bürgergesellschaft
- Im Fokus: Bürgerbeteiligung und kommunale Demokratie
- Publikationen und Veranstaltungen
Meldungen aus der Bürgergesellschaft
Global Corruption Report 2009
Die Antikorruptionsorganisation Transparency International hat Ende September den »Global Corruption Report 2009« vorgestellt. Im Mittelpunkt des Reports steht in diesem Jahr die Privatwirtschaft. Der Bericht zeigt anhand vieler konkreter Beispiele auf, wie sich das korrupte Fehlverhalten von Managern, Mehrheitsaktionären und anderen Wirtschaftsakteuren häufig zum Nachteil von Arbeitnehmer/innen und der Gesellschaft insgesamt auswirkt. Allein in Entwicklungs- und Transformationsländern leisten Unternehmen an korrupte Politiker/innen und Regierungsbeamte nach Schätzungen von Vereinten Nationen und Weltbank Bestechungszahlungen in Höhe von jährlich bis zu vierzig Milliarden US-Dollar. Obwohl fast 90 Prozent der 200 weltweiten Spitzenunternehmen Verhaltenkodices eingeführt haben, überwachen dem Report zufolge weniger als die Hälfte deren Einhaltung und Umsetzung. Als größtes Defizit in Deutschland nennt der Bericht die fehlende Ratifizierung der UN-Konvention gegen Korruption. Weitere regulative Defizite in Deutschland sind das Fehlen eines Korruptionsregisters, das Fehlen eines umfassenden Hinweisgeberschutzes und das Fehlen von Transparenzanforderungen bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen.
Der Global Corruption Report 2009 im Wortlaut (engl., PDF)
Studie zu »Migranten-Milieus«
Einen »Vielfalt-Dialog« führen und damit die Arbeit im Bereich Migration und Integration unter neuen konsequenten Zielsetzungen fortsetzen: dies ist eine Forderung des Bundesverbandes für Wohnen und Stadtentwicklung (vhw) an die neue Bundesregierung. Anlass ist die Präsentation einer vom vhw unterstützten Grundlagenstudie zu »Migranten-Milieus« in der Bundesrepublik. Obwohl in der öffentlichen Debatte über Migration und Integration die Integrationsdefizite oft einseitig den Migrant/innen angelastet werden, macht die Studie deutlich, dass Migrant/innen eine ausgeprägte Bereitwilligkeit mitbringen, sich aktiv in die Gesellschaft einzubringen. Die Studie kritisiert, dass besonders in den Bereichen der Bildung und der bürgerschaftlichen Partizipation die Potenziale von Migrant/innen nicht ausgeschöpft werden.
Zu den zentralen Ergebnissen der Studie Migranten-Mileus (PDF)
Bochumer Erklärung zu kommunalen Finanzen
Auf Initiative des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes ist im September 2009 die Bochumer Erklärung formuliert worden. Sie wendet sich an die Bundes- und Landespolitik und hat eine bessere finanzielle Ausstattung der Kommunen zum Ziel, damit die soziale und kulturelle Infrastruktur erhalten bleibt und die Städte für ihre Bürger/innen lebenswert bleiben. Die Erklärung hebt hervor, dass kulturelle Vielfalt, die Teilhabe für Arme, die Stärkung der Familien nicht nur durch Landes- oder Bundesprogramme angegangen werden können, sondern ausreichende Finanzmittel in den Städten erfordern. Dazu sollten Bund und Land für eine verbesserte und nachhaltige Finanzausstattung der Kommunen sorgen. Über einhundert Gruppen und Organisationen haben die Erklärung in den ersten Wochen schon unterschrieben. In Wuppertal und Remscheid sind ähnliche Aufrufe gestartet worden.
Berliner Bündnis gegen Menschenhandel
Weltweit sind nach Schätzungen 2,4 Millionen Menschen von Zwangsarbeit infolge von Menschenhandel betroffen. Sie leben und arbeiten meist unter unwürdigen Bedingungen. Vor diesem Hintergrund haben auf Initiative der Internationalen Organisation für Migration (IOM) Anfang Oktober 2009 der Senat von Berlin, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) das »Berliner Bündnis gegen Menschenhandel zum Zweck der Arbeitsausbeutung« gegründet. Das Bündnis möchte Behörden, Hilfsorganisationen und Öffentlichkeit für diese Verbrechen sensibilisieren, die mit der Thematik befassten Akteure vernetzen und Hilfen für die Opfer anbieten. Es dient als Modellprojekt, um auch für die nationale Ebene entsprechende Lösungsansätze zu finden.
Aktualisierung der Stiftungsdatenbank
In der Maecenata Datenbank deutscher Stiftungen sind Angaben zu rund 13.500 deutschen Stiftungen gespeichert. Aus dieser Datenbank entsteht regelmäßig ein Stiftungsführer als Publikation, der nächste Maecenata Stiftungsführer ist für 2010 geplant. Aus diesem Grunde werden zur Zeit die Daten aktualisiert, interessierte Stiftungen können kostenfrei neu aufgenommen werden.
Zu den Informationen zur Stiftungsdatenbank
Im Fokus: Bürgerbeteiligung und kommunale Demokratie
Bürgerbeteiligung in Zeiten der Krise: Herausforderungen und Konsequenzen für die kommunale Demokratie
Die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise geht mit einer Krise der Demokratie einher und verstärkt den Vertrauensverlust gegenüber den demokratischen Institutionen und ihrer Akteure. Die Verlustdiagnose berührt mittlerweile das Ethos des »egalitären Projekts« Demokratie als solches und gefährdet damit früher oder später auch die Voraussetzungen für Bürgergesellschaft und Bürger/innenbeteiligung. Doch was ist zu tun? Der Politikwissenschaftler Dr. Serge Embacher entwickelt in seinem Gastbeitrag drei Thesen zur Zukunft der Bürger/innenbeteiligung in Zeiten der Krise und zeigt auf, wie »überlebenswichtig« eine engagierte und beteiligte Bürgergesellschaft insbesondere für die kommunale Demokratie ist. Sein Fazit: Um mit Hilfe von Bürger/innenbeteiligung der Bürgergesellschaft ein stärkeres Gewicht im politischen Prozess zu verschaffen, bedarf es neben einer »Demokratisierung der Demokratie« vor allem auch einer Selbstaktivierung der öffentlichen Institutionen, die bereit sein müssen, das verwaltungsförmige Handeln auf die Lebenswelt von Bürgerinnen und Bürgern einzustellen.
Benachteiligte Gruppen aktivieren und gewinnen
Aktivierung und Beteiligung stehen seit geraumer Zeit hoch im Kurs. Bei genauerem Hinsehen zeigen sich im Beteiligungsalltag jedoch so manche Tücken. Zu den Aufgaben sozialraumorientierter Arbeit gehört es, die Ausgangslage für Beteiligungsprozesse nicht nur zu analysieren, sondern darüber hinaus an der Verbesserung dieser Situation zu arbeiten. Geschieht dies nicht, werden die vorhandenen Schwellen der Aktivierung akzeptiert und gerade ohnehin benachteiligte Bevölkerungsgruppen weiter ausgegrenzt. Dr. Maria Lüttringhaus, Dozentin für Gemeinwesenarbeit und Quartiermanagement am Burckhardthaus Gelnhausen, stellt in ihrem Gastbeitrag die Methode der Aktivierenden Befragung vor, skizziert die verschiedenen Stufen von Partizipation und gibt praktische Aktivierungstipps für den beteiligungspolitischen Alltag, die helfen können, Partizipation nachhaltig zu fördern.
Lokale Wirtschaft in der Bürgerbeteiligung
Der Theorie nach finden neue Koordinations- und Steuerungsprozesse kollektiver Angelegenheiten im weiten Feld zwischen Staat, Markt und bürgergesellschaftlichen Netzen statt. Während sich die lokale Politik und Verwaltung aufgrund von Effektivitäts- und Legitimitätsmängeln ihres eigenen Handelns zunehmend aufgeschlossen gegenüber den Beteiligungswünschen von Bürger/innen verhalten, bleiben Akteure aus der Wirtschaft in der Beteilungspraxis weitgehend ein blinder Fleck. Oftmals wird »die Wirtschaft« nur von Kammern und Verbänden repräsentiert, die selbst kaum Kontakt zu betrieblichen Wirklichkeiten haben. Eine wichtige Ausnahme bilden Netzwerke zwischen Politik/Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft auf regionaler Ebene. Allerdings bleibt bei diesen zweckgerichteten Netzwerken der Pol »Zivilgesellschaft« relativ blass, wie Toralf González, Soziologe und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der HafenCity Universität Hamburg (HCU), in seinem Gastbeitrag aufzeigt. Um diesen Missstand zu beheben, wäre eine stärkere Integration der Zivilgesellschaft im Hinblick auf die Frage nötig, wie die Förderung von Wirtschaft und Wissenschaft ohne eine Vertiefung von sozialen Spaltungen einhergehen kann.
Eine Stadt auf dem Weg zur Bürgerkommune
Die hessische Stadt Viernheim war bundesweit Pilotkommune für das Modellprojekt einer »Lokalen Demokratiebilanz«. Das dahinter stehende Konzept zielt auf eine Gesamtstrategie für eine bürgerorientierte Kommunalentwicklung. Horst Stephan, CIVITAS-Botschafter der Stadt Viernheim, zeigt mit Blick auf die langjährigen Erfahrungen in seiner Stadt praxisnah auf, wie die Lokale Demokratiebilanz als Instrument zur nachhaltigen Verankerung von Bürger/innenbeteiligung und Engagementbereitschaft in einer Kommune eingesetzt werden kann. Er stellt das Viernheimer Sieben-Säulen-Modell vor und erläutert, welche positiven Erfahrungen damit gemacht werden können, aber auch wie schwierig es ist, innerhalb des »magischen Vierecks« von Bürger/innen, Stadtverwaltung, Politik und Wirtschaft gemeinsame Schritte zu gehen und Veränderungsprozesse zu gestalten.
Publikationen und Veranstaltungen
Publikation: Internet und Migration
Die Information und Interaktion von Migrant/innen findet inzwischen immer häufiger über das Internet statt. Dort tauschen sie sich mit Nutzer/innen sowohl im Aufnahmeland als auch ihren Herkunftsländern aus. Auf Websites, in Foren und Chats informieren sie sich über soziale und politische Themen beider Länder, diskutieren und nehmen an Online-Petitionen, Abstimmungen oder virtuellen Veranstaltungen teil. Hierdurch bilden sich zum Teil neue ethnische, diasporische bzw. transnationale Online-Gemeinschaften. Insgesamt übernimmt das Internet und dessen Nutzungsmöglichkeiten so eine wichtige Funktion für die gesellschaftliche Partizipation von Migrant/innen im Aufnahmeland und auch für die Entwicklung ihrer Herkunftsländer.
Uwe Hunger/Kathrin Kissau: Internet und Migration. Theoretische Zugänge und empirische Befunde. 2010, 342 S., 29,90 Euro, ISBN 978-3-531-16857-9
Information und Bestellung online
Publikation: Bürgermedien, Neue Medien, Medienalternativen
Wurde der Bürgerjournalismus erst mit dem Internet erfunden? Auf welche Traditionen kann sich berufen, wer heute Blogs, Webradio, Bürgerfernsehen oder Webportale mit Bürgerbeteiligung betreibt? Zum zehnjährigen Jubiläum des Alternativen Medienpreises versammelt der Band eine kurze Geschichte der »Presse von unten«, Fallstudien zu Stadtzeitungen, Freien Radios und Bürgerfunk und zur Alternativpresse in Deutschland vor und nach der Wiedervereinigung. Der Band dokumentiert darüber hinaus alle verliehenen Preise sowie ausgewählte Preisreden (Laudationes) der vergangenen Jahre. Die Publikation liefert so einen Überblick über die alternativen Medien der Gegenwart, dargestellt von den Macherinnen und Machern selbst.
Gabriele Hooffacker (Hrsg.): Bürgermedien, neue Medien, Medienalternativen – 10 Jahre Alternativer Medienpreis. 2009, 154 S., 19,00 Euro, ISBN 978-3-9805604-5-0
Information und Bestellung online
Veranstaltungshinweise
Zahlreiche Veranstaltungen sind im Veranstaltungskalender des Wegweisers Bürgergesellschaft zu finden.
Besonders hinweisen möchten wir dieses Mal auf:
• 13.–15. November 2009 in Weimar: <link aktuelles veranstaltungskalender va external-link-new-window>Projekte erfolgreich planen und umsetzen - Projektmanagement für Vereine, Selbsthilfegruppen und Initiativen
Eine Seminar der Stiftung MITARBEIT
• 19.-21. November 2009 in Potsdam: <link aktuelles veranstaltungskalender va external-link-new-window>WeltWeitWissen2009
Ein bundesweiter Bildungskongress von VENROB