eNewsletter Nr. 16/2012 (31.08.2012)
Inhalt
- Meldungen aus der Bürgergesellschaft
- Im Fokus: Gemeinschaftliche Selbstorganisation
- Publikationen und Veranstaltungen
Meldungen aus der Bürgergesellschaft
Abschlussbericht zum Bürgerdialog der Bundeskanzlerin
Im Frühjahr 2011 initiierte Bundeskanzlerin Angela Merkel einen sog. Zukunftsdialog. Ziel des Dialogs mit Fachleuten und Bürgerinnen und Bürgern war es, konkrete Handlungsvorschläge für die Politik auf Bundesebene in politisch relevanten Handlungsfeldern zu erhalten. Leitfragen des Dialogs waren: Wie wollen wir leben? Wovon wollen wir leben? Wie wollen wir lernen? Die Bürger/innen haben sich mit rund 11.600 Beiträgen und rund 74.000 Kommentaren am Dialog beteiligt. Die teilnehmenden Expert/innen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft haben nun die Bürgervorschläge gesichtet und – ergänzt um eigene Vorschläge – in einem Abschlussbericht zusammengefasst. Ein Kapitel befasst sich auch mit den Chancen und Grenzen von Bürgerbeteiligung und bürgerschaftlichem Engagement. Handlungsempfehlungen in diesen Bereichen sind beispielsweise die Verbesserung der Bürgerbeteiligung und Transparenz in Verwaltungs- und Gesetzgebungsverfahren, die Einführung von Volksbegehren und Volksentscheiden auf Bundesebene oder die Einrichtung einer Bund-Länder-Plattform zu laufenden Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung.
Der Bericht im Wortlaut (PDF)
Bundesregierung: Erster Engagementbericht 2012
Am 22. August 2012 hat das Bundeskabinett den Ersten Engagementbericht beschlossen und dem Deutschen Bundestag vorgelegt. Schwerpunkt des Engagementberichts ist das bürgerschaftliche Engagement von Unternehmen. Dem Bericht zufolge sind annähernd zwei Drittel aller deutschen Unternehmen (64 Prozent) bürgerschaftlich engagiert. Das Volumen des Unternehmensengagements entspricht demnach einem finanziellen Gegenwert von jährlich mindestens elf Milliarden Euro. Bevorzugt werden Geldspenden (8,5 Milliarden Euro), doch auch mit Produkt- und Sachspenden (1,5 Milliarden Euro) oder mit unentgeltlicher Überlassung der Infrastruktur (900 Millionen Euro) unterstützen die Unternehmen Vereine, Verbände, soziale Einrichtungen oder Stiftungen. Die Unternehmen konzentrieren sich dabei auf ihr direktes lokales und regionales Umfeld und fördern besonders die Bereiche Erziehung, Kindergärten und Schulen sowie Freizeitaktivitäten und Sport. Der Erste Engagementbericht der Bundesregierung wurde auf Beschluss des Deutschen Bundestages erstellt; weitere Engagementberichte sollen in jeder Legislaturperiode mit einem jeweils neuen Schwerpunktthema folgen. Der Bericht soll nach Angaben der Bundesregierung die Entwicklung einer nachhaltigen Engagementpolitik unterstützen und dazu beitragen, die in der Gesellschaft vorhandenen Potenziale für bürgerschaftliches Engagement zu entfalten. Eine lesefreundliche Kurzversion der mehr als 1.300 Seiten starken Publikation steht online zum Abruf bereit.
Der Bericht im Wortlaut (PDF, Kurzfassung)
Jugendforum Rheinland-Pfalz
Jugendliche in Rheinland-Pfalz können sich an der Zukunftsgestaltung ihres Bundeslandes beteiligen. Zunächst waren sie aufgerufen, auf der Internetplattform jugendforum.rlp.de eigene Anliegen zu posten und die Beiträge anderer Jugendlicher zu unterstützen. Die Wünsche, Themen und Ideen betreffen ganz unterschiedliche Bereiche, wie Schule, Gerechtigkeit,oder Mitspracherechte. Bis Mitte September können die Beiträge mit den meisten Zustimmungen auf der Plattform nach Themen geordnet diskutiert werden. Auf dieser Grundlage werden dann im Rahmen einer Jugendkonferenz in Mainz Empfehlungen an die Landesregierung ausgesprochen. Die Ergebnisse der Konferenz stehen anschließend erneut online zur Diskussion und werden Ende November an Ministerpräsident Kurt Beck, den Schirmherren des Jugendforums, übergeben. Die Landesregierung will die Vorschläge berücksichtigen und auf der Internetseite des Projektes über deren Umsetzung informieren.
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Studie: Zivilgesellschaft und direkte Demokratie
Immer mehr Länder kennen direktdemokratische Instrumente der Bürgerbeteiligung. Entsprechend häufiger werden weltweit Unterschriften gesammelt, um Abstimmungen zu erwirken. Am erfolgreichsten nutzen dies nicht Oppositionsparteien, sondern zivilgesellschaftliche Organisationen. Dies zeigt eine Studie des Zentrums für Demokratie Aarau (ZDA), einem Forschungszentrum an der Universität Zürich. Wenn zivilgesellschaftliche Gruppen wie Umweltverbände oder Gewerkschaften mittels Unterschriftensammlung eine Initiative oder ein Referendum erwirken, so gewinnen sie die entsprechende Abstimmung weltweit gesehen in 38,4 Prozent aller Fälle. Dass die Zivilgesellschaft so erfolgreich Unterschriftensammlungen in Abstimmungssiege umsetzen kann, erklären die Autor/innen der Studie damit, dass zivilgesellschaftliche Organisationen sich immer professioneller organisieren und Anliegen aufgreifen, die der Bevölkerung auch tatsächlich wichtig sind. Untersucht wurden weltweit 537 Abstimmungen auf nationaler Ebene, mehr als die Hälfte davon fanden zwischen 1989-2009 statt.
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Energiewende und Bürgerbeteiligung
Der Umbau der Energieversorgung ist eine Herausforderung für alle gesellschaftlichen Gruppen, für Organisationen, Verbände, Politik, Unternehmen und für alle Bürgerinnen und Bürger. Ob Deutschlands Energiewende gelingt, hängt nicht zuletzt damit zusammen, wie beteiligungsfreundlich diese umgesetzt wird (wir berichteten ausführlich im NL 10/2012). Die stiftung neue verantwortung setzt sich in einer aktuellen Stellungnahme mit dem Zusammenhang von Energiewende und Bürgerbeteiligung auseinander. Für die Wissenschaftler/innen ist klar: Die Energiewende braucht nicht nur technischen Fortschritt, sondern auch demokratische Innovationen. Dazu bedarf es eines neuen demokratischen Leitbilds, Prinzipien guter Beteiligung und neuer Wege der Infrastrukturplanung, die formelle und informelle Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung kreativ miteinander verbinden.
Der Policiy Brief im Wortlaut (PDF)
Im Fokus: Gemeinschaftliche Selbstorganisation
Genossenschaften und Bürgergesellschaft
Genossenschaften machen es möglich, zugleich nachhaltig zu wirtschaften und sozial verantwortlich zu handeln. Daran will die Generalversammlung der Vereinten Nationen 2012 mit dem Internationalen Jahr der Genossenschaften erinnern. In Deutschland sind es besonders die Energiegenossenschaften, die in den letzten Jahren zu einer Renaissance des Genossenschaftswesens beitragen. Dr. Burghard Flieger, Vorstand und wissenschaftlicher Leiter der innova eG, zeigt in seinem Gastbeitrag den Zusammenhang zwischen Genossenschaften, solidarischem Wirtschaften und bürgerschaftlichem Engagement auf.
Gemeinschaftlich Wohnen: dann klappt’s auch mit den Nachbarn…
Egal ob Mehrgenerationenhäuser oder Wohnprojekte im Alter: Gemeinschaftliche Wohnprojekte haben Konjunktur. Auch Kommunen, Wohnungswirtschaft und Banken stehen gemeinschaftlichen Wohnformen mittlerweile aufgeschlossen gegenüber. Was zu Beginn der Bewegung als Privatinteresse belächelt wurde, wird zunehmend als Beitrag zur Lösung gemeinschaftlicher Probleme anerkannt. Auslöser für den Wunsch, in einem Wohnprojekt zu leben, ist vielfach das Bedürfnis nach verbindlicher Nachbarschaft in einem selbst bestimmten sozialen Umfeld. Mit Hilfe von Wohnprojekten können besondere soziale, ökologische und kulturelle Projekte realisiert und neue Formen des Zusammenlebens und Zusammenwirkens erprobt werden. Birgit Diesing, Architektin, Stadtplanerin und selbst engagierte Bewohnerin in einem Darmstädter Wohnprojekt, stellt in ihrem Gastbeitrag diese besondere Art des Wohnens vor.
Urban Gardening: Die grüne Guerilla
Gemüseanbau in ausgedienten Bäckerkisten, Jungpflanzen in Tetrapacks, Kapuzinerkresse im Einkaufswagen: Urbane Gemeinschaftsgärten verbinden auf brachliegenden städtischen Flächen Umwelt- und Naturschutz mit bürgerschaftlichem Engagement, Partizipation und demokratischer Stadtentwicklung von unten. Ob in Berlin, Köln, München oder Hamburg: diese gärtnernde Form gesellschaftlicher Selbstorganisation findet sich in immer mehr Städten in Deutschland. Christa Müller, Soziologin und Leiterin der Stiftungsgemeinschaft anstiftung & ertomis, skizziert in ihrem Gastbeitrag die Umrisse einer neuen Ökobewegung. Für sie ist klar: Urbane Landwirtschaft ist der Ausgangspunkt einer Suche nach dem »besseren Leben« in der Stadt, das nicht auf der Ausbeutung von Tieren, Böden und Menschen in der sog. Dritten Welt beruht, sondern mit saisonalen und regionalen Qualitäten experimentiert und die lebendigen Beziehungen und Netzwerke zwischen Menschen und Natur intensivieren will.
Artabana: Selbstorganisation im Gesundheitsbereich
Artabana ist ein Netzwerk aus Solidargemeinschaften, in denen Menschen sich gegenseitig unterstützen, gesund zu bleiben. Der Impuls, eine eigenverantwortliche Alternative zu den herkömmlichen Versicherungen zu entwickeln, kam aus der Schweiz, wo vor über zwanzig Jahren die ersten Artabana-Gemeinschaften entstanden. Seit 2001 ist die Bewegung vor allem in Deutschland immer weiter gewachsen und umfasst etwa 150 lokale Gemeinschaften mit 2.000 Mitgliedern. Artabana funktioniert grundsätzlich anders als eine Versicherung, sie ist entstanden auf der Basis von Eigenverantwortung und Solidarität ohne Leistungskataloge oder Rechtsansprüche. Wesentlich für Artabana ist das persönliche Vertrauensverhältnis und die Verbundenheit der Menschen untereinander. Beate Küppers, Journalistin und seit zehn Jahren in der Artabana-Bewegung engagiert, fasst in ihrem Gastbeitrag die wichtigsten Grundsätze des Netzwerks zusammen.
Publikationen und Veranstaltungen
Publikation: Wie Stiftungen fördern
In Zeiten knapper öffentlicher Mittel sind immer mehr zivilgesellschaftliche Organisationen darauf angewiesen, neue Finanzierungsquellen zu erschließen. So werden zunehmend Vorhaben und Projekte mit Hilfe von Stiftungen finanziert. Die Arbeitshilfe beschreibt die Entwicklung der Stiftungslandschaft in Deutschland und die Förderpraxis von Stiftungen. Die Leser/innen erhalten Tipps und Anregungen für die Suche nach geeigneten Förderstiftungen für das eigene Projekt. Thematisiert wird der gesamte Prozess von der Antragsstellung bis hin zur Dokumentation des Vorhabens. Die Praxistipps werden abgerundet durch Hinweise auf Beratungs- und Fortbildungsmöglichkeiten und Veröffentlichungen. Die Publikation richtet sich an freiwillig Engagierte und hauptberuflich Tätige in Non-Profit-Organisationen und Projekten, die bisher keine oder wenig Erfahrungen mit Stiftungen haben.
Stiftung MITARBEIT (Hrsg.): Wie Stiftungen fördern - Anregungen aus der Praxis für die Praxis
Arbeitshilfen für Selbsthilfe- und Bürgerinitiativen Nr. 43, Bonn · 2012, 92 S. 10,00 Euro, ISBN 978-3-941143-12-8
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Publikation: Erfolgreich führen im Ehrenamt
In vielen Engagementfeldern übernehmen Ehrenamtliche auch Führungsaufgaben: sie leiten Projekte, engagieren sich als Trainer/innen oder haben Vorstandsämter innen. Basierend auf Interviews mit Ehrenamtlichen werden in dieser Publikation verschiedene Aspekte von Führung im Ehrenamt erläutert: Motivation, persönliche Führungsqualitäten sowie Kernaufgaben und -kompetenzen von ehrenamtlicher Führung. Ergänzt wird das Thema durch ein Kapitel zur Förderung ehrenamtlichen Engagements durch Unternehmen. Mit Checklisten, Musterbeispielen und Leitfäden sollen konkrete Hilfen für die Praxis angeboten werden.
Redmann, Britta: Erfolgreich führen im Ehrenamt. Ein Praxisleitfaden für freiwillig engagierte Menschen
Wiesbaden 2012, 226 S., 34,95 Euro, ISBN 978-3-8349-3282-2
Informationen und Bestellung online
Veranstaltungshinweise
Zahlreiche Veranstaltungen sind im <link aktuelles termine-und-veranstaltungen _blank>Veranstaltungskalender des Wegweisers Bürgergesellschaft zu finden. Besonders hinweisen möchten wir dieses Mal auf:
• 21.– 23.9.2012 in Göttingen: Social Media für Initiativen und Vereine
Ein Seminar der Stiftung MITARBEIT
• 3. - 5.10.2012 in Leipzig: Initiative Verfassungskonvent
Offenes Treffen der Initiative