eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 8/2020 (19.08.2020)
Inhalt
- Meldungen aus der Bürgergesellschaft
- Im Fokus: Aktuelle Wettbewerbe & Förderpreise
- Publikationen und Veranstaltungen
Meldungen aus der Bürgergesellschaft
Partizipative Governance und nachhaltiger Strukturwandel in Kohlerevieren
Wie können zwei vom Kohleausstieg im Jahr 2038 besonders stark betroffene Regionen – die Lausitz und das Rheinische Revier – den damit zusammenhängenden Strukturwandel demokratisch, ökologisch und sozial umsetzen? Diese Frage steht im Mittelpunkt einer aktuellen wissenschaftlichen Untersuchung, die das IASS Potsdam und das Kulturwissenschaftliche Institut Essen durchgeführt haben. Darin stellen die beteiligten Wissenschaftler/innen fest, dass die demokratische Legitimation nachhaltiger Entwicklung trotz unterschiedlicher Ausgangslage in beiden Regionen gefährdet ist. Vor diesem Hintergrund empfehlen sie, schrittweise eine die Bürger/innen beteiligende Verwaltungsform zu etablieren. Dafür sei eine Struktur der Bürgerbeteiligung zu schaffen, die langfristig angelegt ist und in der alle wichtigen Akteursgruppen vertreten sind. Zudem solle ein Zukunftsfonds dazu beitragen, robuste Infrastrukturen der Engagementförderung zu entwickeln, um die Gesellschaft für den Wandel zu mobilisieren und zur Teilhabe und Selbstorganisation anzuregen. Bürgerausschüsse wiederum könnten Politik und Verwaltung direkt und konkret beraten, wenn aktive Beteiligung zu einem Ziel im Strukturwandel gemacht werde. Solche Ausschüsse wären in der Lage, Stimmenvielfalt, Lernfähigkeit und die lokale Anschlussfähigkeit im demokratischen Entscheidungsprozess zu stärken.
Die Studie im Wortlaut (PDF)
Zivilgesellschaft und Systemrelevanz
Zivilgesellschaftliche Organisationen sind nicht nur für die Demokratie unverzichtbar, sondern auch in Krisensituationen. Die Auswirkungen der Corona-Krise sind ohne die Kraft der Zivilgesellschaft kaum zu bewältigen. Über diese Systemrelevanz der Zivilgesellschaft hat der Arbeitskreis Bürgergesellschaft und Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung ein aktuelles Papier veröffentlicht. Die Autoren formulieren darin verschiedene Handlungsempfehlungen für eine Engagement- und Demokratiepolitik. Angesichts demokratiefeindlicher Aktivitäten fordern sie eine Bindung öffentlicher Förderung an die Ausgestaltung von Mitwirkungsrechten oder -pflichten von Engagierten sowie Transparenz in Entscheidungsgremien von zivilgesellschaftlichen Organisationen. Für den Deutschen Bundestag schlagen sie die Einrichtung eines Hauptausschusses für »Engagement, Partizipation und Belange der Zivilgesellschaft« vor. Zudem sollten alle politischen Programme und Förderrichtlinien von Bund und Ländern beteiligungsorientiert ausgestaltet werden.
Das Papier im Wortlaut (PDF)
Empfehlungen für eine gesundheitsfördernde und nachhaltige Stadtentwicklung
Wie lässt sich eine gesundheitsfördernde Kommunalpolitik erreichen, die gleichzeitig auf Nachhaltigkeit ausgerichtet ist und die eine soziale und partizipative Stadt(teil)-Entwicklung verfolgt? Diese Frage beleuchtet ein aktuelles Thesenpapier, das die Arbeitsgruppe Gesundheitsfördernde Gemeinde- und Stadtentwicklung (AGGSE) am Deutschen Institut für Urbanistik vorgelegt hat. Grundvoraussetzung für die Schaffung einer lebenswerten Kommune sind demnach gleiche soziale, ökonomische und politische Teilhabechancen für alle Bewohner/innen. Wollen Städte gesundheitsförderliche Lebensverhältnisse schaffen, sollten dementsprechend soziale Gerechtigkeit, Umweltschutz und Partizipation im Fokus kommunalen Handelns stehen, so eine der im Papier formulierten Empfehlungen. Zudem benötige eine gesundheitsfördernde Stadtentwicklung als kommunale Querschnittsaufgabe integrierte Leitbilder, Handlungsansätze und Strategien, die sich an unterschiedliche Ressorts kommunaler Verwaltung und zivilgesellschaftliche Akteure richten.
Das Thesenpapier im Wortlaut (PDF)
Lebenswerte Stadt- und Ortskerne im ländlichen Raum
Coworking im Grünen, Dorf macht Oper, Café Vergissmeinnicht: dies sind drei Beispiele und gute Ideen, die für lebenswerte Stadt- und Ortskerne im ländlichen Raum sorgen. Der Wettbewerb des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) aus dem Jahr 2019 ist nun dokumentiert. Mit ihren Projekten zur Verbesserung der Lebenssituation vor Ort haben sich vor allem zivilgesellschaftliche Vereine und Initiativen beworben, andere Akteure waren Gebietskörperschaften und Unternehmen sowie soziale Träger. Die nun dokumentierten 30 Beispiele zeigen die Bandbreite erfolgreicher Projekte in den verschiedenen Themenfeldern lebenswerter Orts- und Stadtkerne auf: von bedarfsgerechten Wohnkonzepten über die Schaffung von Begegnungsmöglichkeiten, von der Aufwertung öffentlicher Räume bis hin zu Unterstützungsangeboten zur Vermeidung von Leerstand. Die Dokumentation stellt jeweils die Grundidee, die Rahmenbedingungen und zentrale Erfolgsfaktoren vor.
Kulturfördervereine in Deutschland
In Deutschland engagieren sich Menschen in über 16.800 Fördervereinen für Kultur. Weit mehr als drei Viertel der Vereine wurde seit den 1990er Jahren gegründet. Sie gestalten eine Kultur des Miteinanders, sind in unterschiedlichen Sparten aktiv und ein wichtiges Handlungsfeld bürgerschaftlichen Engagements in Stadt und Land. Die Untersuchung, die der Dachverband der Kulturfördervereine in Deutschland (DAKU) und Zivilgesellschaft in Zahlen (ZiviZ) veröffentlicht haben, zeigt: In den meisten Kulturfördervereinen arbeiten ausschließlich Menschen, die ehrenamtlich aktiv sind. Nur in 14% der Vereine gibt es festangestellte Mitarbeiter/innen. In diesem Kontext formuliert der DAKU verschiedene Empfehlungen: mehr Anerkennungsinstrumente für die Arbeit in den Vereinen vor Ort, die langfristige Sicherung von beratenden Infrastrukturen sowie eine Deregulierung der Fördermittelvergabe.
Diskussionspapier: Demokratie ist mehr als eine Methode
Gerade in Krisenzeiten wird deutlich, wie stark der Druck der Verantwortung in schwierigen Entscheidungsfragen auf Menschen in Politik und Verwaltung lastet. Je mehr Risiken und Spannungen mit Entscheidungen verbunden sind, desto stärker wirkt der menschliche Reflex, diese Entscheidungen von Expert/innen abhängig machen zu wollen. Doch komplexe Aufgaben lassen sich nicht allein durch Expertise Einzelner lösen. Erfahrungen mit partizipativen Dialogformaten zeigen, dass repräsentative diverse Gruppen sehr gut in der Lage sind, auf der Basis von Expertisen und den Perspektiven Betroffener Lösungen für komplexe Probleme zu entwickeln. Dafür braucht es jedoch Menschen, die diese Prozesse steuern und begleiten können. Das vorliegende Diskussionspapier möchte praxisnah Kompetenzentwicklung für Demokratie im Alltag fördern und erläutert vier dafür nötige Kompetenzfelder und Arbeitsprinzipien.
Das Positionspapier im Wortlaut (PDF)
Im Fokus: Aktuelle Wettbewerbe & Förderpreise
Förderfonds Demokratie
Demokratie lebt vom Mitmachen. Demokratisches Handeln muss in einem gemeinsamen Lernprozess entwickelt und geübt werden. Durch den Förderfonds Demokratie werden vorbildliche Vorhaben, Ideen und Projekte unterstützt, die einen Beitrag zur Stärkung der Demokratie leisten. In bislang zwei Förderrunden werden bereits mehr als 80 Projekte aus dem gesamten Bundesgebiet gefördert. Im Zentrum der Bewerbungen steht dabei stets die Frage, welche demokratischen Impulse und welchen demokratischen Mehrwert das Projekt, die Idee, das Vorhaben im jeweiligen Wirkungskreis entfaltet. Der Förderfonds Demokratie adressiert Projekte, Initiativen und Ideen, die sich der offenen Gesellschaft und ihren demokratischen Werten verpflichtet fühlen, sich auf der Grundlage der Menschenrechte für das Gemeinwohl engagieren, die Dialogfähigkeit und Pluralität fördern und deren Arbeit ganz oder in Teilen durch freiwilliges bürgerschaftliches Engagement getragen wird. Jedes ausgewählte Projekt erhält für die Umsetzung des Vorhabens eine einmalige Förderung bis zu einer Höhe von 5.000 Euro. Bewerbungen für die dritte Runde des Förderprogramms sind noch bis zum 30. September 2020 möglich.
Engagementpreis NRW
Unter dem Motto »Engagierte Nachbarschaft« können sich Vereine, Stiftungen, gemeinnützige GmbHs und Bürgerinitiativen um den Engagementpreis NRW 2021 bewerben. Der Preis prämiert herausragende gemeinnützige Projekte, die sich für das Miteinander in der Nachbarschaft einsetzen oder die aus einer Nachbarschaft heraus entstanden sind. Ob Einkaufshilfen, Besuchsdienste, Garagenflohmärkte oder Straßenfeste: Gesucht werden Initiativen und Projekte, die einen besonderen Beitrag in und für Nachbarschaften leisten. Der Sonderpreis der NRW-Stiftung richtet sich in diesem Jahr insbesondere an Akteure aus den Bereichen Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege. Prämiert werden Projekte, die sich zum Beispiel für Dorfmittelpunkte und nachbarschaftliche Begegnungsorte, historische Baudenkmäler, Museen oder die Natur einsetzen. Bewerbungen sind auschließlich online bis Ende September 2020 möglich.
Förderpreis Aktive Bürgerschaft
Der Förderpreis Aktive Bürgerschaft wird 2021 erneut verliehen. Mit dem in vier Kategorien vergebenen Preis zeichnet die Stiftung Aktive Bürgerschaft unter anderen Bürgerstiftungen und Schulen aus. Mit dem Förderpreis möchte die Stiftung bürgerschaftliches Engagement und die journalistische Beschäftigung mit dem Thema fördern, wertschätzen und zu öffentlicher Aufmerksamkeit verhelfen. Das Preisgeld beträgt insgesamt 40.000 Euro. Bewerbungen sind bis zum 31. Oktober 2020 möglich und müssen online eingereicht werden.
Margot-Friedländer-Preis
Mit dem Margot-Friedländer-Preis der Schwarzkopf Stiftung Junges Europa werden seit 2014 Jugendliche dazu aufgerufen, sich mit dem Holocaust, seiner Zeugenschaft, Überlieferung und historischen Kontinuitätslinien in interaktiven Projekten auseinanderzusetzen. Ziel ist es, junge Menschen zu unterstützen, sich gegen heutige Formen von Antisemitismus, Rassismus, Antiziganismus und Ausgrenzung und für eine pluralistische Migrationsgesellschaft einzusetzen. Mit ihren Projektideen bewerben können sich deutschlandweit Schüler/innen ab der Jahrgangsstufe 5 aller Schulformen und Auszubildende und Jugendliche bis 25 Jahre, die kein Studium begonnen haben. Ein Bewerbungsformular ist online bis zum 8. November 2020 freigeschaltet.
Aktiv für Demokratie und Toleranz
Das von der Bundesregierung gegründete »Bündnis für Demokratie und Toleranz – gegen Extremismus und Gewalt« (BfDT) sucht mit dem bundesweiten Wettbewerb »Aktiv für Demokratie und Toleranz« auch 2020 wieder erfolgreiche übertragbare zivilgesellschaftliche Projekte für eine lebendige und demokratische Gesellschaft. Es werden Preisgelder zwischen 1.000 Euro und 5.000 Euro vergeben. Bis zum 27. September 2020 können Bewerbungen eingereicht werden.
Wirkung Hoch 100
Im einhundertsten Jahr seines Bestehens sucht der Stifterverband Deutschlands 100 gute Ideen und Projekte für das Bildungs-, Wissenschafts- und Innovationssystem von morgen. Wie können wir beispielsweise aus der aktuellen Corona-Krise heraus eine Vision für die Zukunft entwickeln? Welche neuen Wege und Chancen ergeben sich durch ein neues Zusammenspiel von Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft? Gemeinsam mit dem Partnernetzwerk des Stifterverbandes, bestehend aus Stiftungen, Unternehmen und zivilgesellschaftlichen Akteuren, stellt das Programm mehr als zwei Millionen Euro Fördergelder bereit. Um die Förderung können sich bis zum 14. September 2020 gemeinnützige Akteure aus öffentlichen und privaten Einrichtungen mit ihren Projekten in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Innovation bewerben.
Publikationen und Veranstaltungen
Publikation: Handbuch Demokratie
Die Autorinnen und Autoren des vorliegenden Handbuchs gehen multiperspektivisch der Frage nach, was die Demokratie als politisches System auszeichnet. Dazu werden ideengeschichtliche Grundlagen ebenso berücksichtigt wie aktuelle Herausforderungen. Welche modernen Formen von Demokratie gibt es? Wie werden Entscheidungsprozesse organisiert? Was bedeutet Demokratie in der Einwanderungsgesellschaft? Zum Schluss werfen die Autor/innen einen zusätzlichen Blick auf die Zukunft der Demokratie und der demokratischen Öffentlichkeit.
Andreas Kost/Peter Massing/Marion Reiser (Hrsg.): Handbuch Demokratie. Frankfurt am Main 2020, 368 S., 39,90 Euro, ISBN 978-3-7344-0951-6
Publikation: Wissen schafft Demokratie
Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus erleben seit einigen Jahren eine Konjunktur in Deutschland. Die rechtsterroristischen Anschläge von Halle und Hanau sind Ausdruck einer zunehmenden Rechtsradikalisierung in Teilen der Gesellschaft. Doch die menschenverachtenden und antidemokratischen Einstellungen sind keineswegs neue Phänomene. Vielmehr wurzeln sie in einer langen Geschichte rechter Ideologien und menschenfeindlicher Ressentiments in Deutschland, die dem Nationalsozialismus vorausgingen, ihn überdauerten und bis heute in unterschiedlicher Form fortwirken. Der aktuelle Band der IDZ-Schriftenreihe zeigt in einem breiten Spektrum von Beiträgen diese Kontinuitäten auf und erhellt die Leerstellen dieser Auseinandersetzung mit historischen, sozialwissenschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Perspektiven.
Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ)/Thüringer Dokumentations- und Forschungsstelle gegen Menschenfeindlichkeit: Wissen schafft Demokratie. Ausgabe 7/2020, Berlin 2020, ISSN (Online-Ausgabe): 2512-9716, ISSN (Print-Ausgabe): 2512-9732
Veranstaltungshinweise
Zur Zeit werden im Rahmen der aktuellen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie viele Veranstaltungen abgesagt oder in den virtuellen Raum verlegt. Bitte infomieren Sie sich frühzeitig im Internet über die Angebote von zivilgesellschaftlichen Organisationen. Besonders hinweisen möchte wir dieses Mal auf:
27. August 2020: #Liquid Tank - Der digitale Raum: ein Ort für antirassistischen Diskurs?
Ein Online-Event von Liquid Democracy
3. September 2020: Wie verschaffen wir uns Gehör?
Ein Online-Seminar der Stiftung Mitarbeit
24.–25. September 2020: Nachbarschaftsarbeit: teilen. fair|teilen. umverteilen
Online-Jahrestagung Stadtteilarbeit/Verband für sozial-kulturelle Arbeit
26. September 2020: InkluDay
Digitale Jugendkonferenz der Aktion Mensch