eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 10/2023 (31.10.2023)
Inhalt
- Meldungen aus der Bürgergesellschaft
- Im Fokus: Alltagsdemokratie
- Publikationen
- Veranstaltungen, Seminare, Tagungen
Meldungen aus der Bürgergesellschaft
Report Bürgerstiftungen: Fakten und Trends
Die Stiftung Aktive Bürgerschaft hat ihren aktuellen Report zum Stand der Bürgerstiftungen in Deutschland vorgelegt. Demnach gibt es in der Bundesrepublik insgesamt 426 Bürgerstiftungen, die den 10 Merkmalen einer Bürgerstiftung (PDF) entsprechen. Damit existiert in jedem Bundesland mit Ausnahme des Saarlandes mindestens eine Bürgerstiftung. Spitzenreiter ist Nordrhein-Westfalen mit 118 Organisationen. Das gemeinsame Stiftungskapital aller Bürgerstiftungen in Deutschland liegt bei über einer halben Milliarde Euro. Seit Gründung der ersten Bürgerstiftungen vor über 25 Jahren summiert sich die Fördersumme aller Bürgerstiftungen auf eine Viertelmilliarde Euro. Nach Angaben des Reports haben sich bereits etwa 400.000 Menschen in einer Bürgerstiftung engagiert. Mit dem Report Bürgerstiftungen
erhebt die Stiftung Aktive Bürgerschaft regelmäßig die wichtigsten Fakten und Trends zur Entwicklung der Bürgerstiftungen. An der aktuellen Umfrage haben sich drei Viertel der Bürgerstiftungen beteiligt.
Friedrich-Ebert-Stiftung: »Engagementpolitik ist Demokratiepolitik«
Die engagierte Bürgergesellschaft ist eine tragende Säule des demokratischen Gemeinwesens. In einer aktuellen Veröffentlichung des Arbeitskreises Bürgergesellschaft und Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung werden fünf strategische Zielsetzungen für die Engagementstrategie des Bundes formuliert, um die Rahmenbedingungen bürgerschaftlichen Engagements zu verbessern und damit die Demokratie zu stärken. Demnach gilt es, eine tragfähige Infrastruktur für bürgerschaftliches Engagement zu schaffen und weiterzuentwickeln, die Anlaufstellen ebenso umfasst wie die Förderung von Netzwerken des Engagements und der Bürgerbeteiligung. Nötig sei hier der Ausbau von demokratischen Formaten der Bürgerbeteiligung und Mitsprache. Um die Engagementpraxis für Vereine und andere gemeinnützige Organisationen zu erleichtern, wird auch eine Reform des Zuwendungs- und Gemeinnützigkeitsrechts gefordert.
Das Papier im Wortlaut (PDF)
Netzwerkprogramm »Engagierte Stadt«: Bewerbungsverfahren
Seit 2015 fördert das Netzwerkprogramm »Engagierte Stadt« den Aufbau bleibender Engagementlandschaften in ausgewählten Städten und Gemeinden Deutschlands. Engagierte Städte entstehen durch die kooperative Zusammenarbeit engagierter Menschen aus gemeinnützigen Organisationen, der öffentlichen Verwaltung, Unternehmen und der Wissenschaft, die gemeinsam daran arbeiten, eine förderliche Umgebung für bürgerschaftliches Engagement und lokale Beteiligung zu schaffen. Die zum Netzwerk zählenden Städte, Gemeinden und Stadtteile werden für drei Jahre durch vielfältige Angebote unterstützt und tauschen sich bundesweit aus. Seit 2020 öffnet sich das Netzwerkprogramm für neue Städte und Partnerschaften. Das aktuell laufende Bewerbungsverfahren 2023 stellt die einzige Gelegenheit in den kommenden drei Jahren dar, Teil des Netzwerks »Engagierte Stadt« zu werden. Teilnehmen können Städte, Gemeinden und Stadtteile mit 10.000 bis 250.000 Einwohner/innen. Vorausgesetzt wird eine Kooperation zwischen Akteuren aus Zivilgesellschaft, kommunaler Verwaltung sowie optional aus der Wirtschaft und/oder Wissenschaft. Gemeinschaftliche Interessenbekundungen sind noch bis zum 24. November 2023 online möglich.
NRW: Programm »Qualifizierung des bürgerschaftlichen Engagements«
Das Programm »Qualifizierung des bürgerschaftlichen Engagements« des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen unterstützt gemeinnützige Initiativen und Vereine bei der Professionalisierung ihrer Projektideen. Engagierten Bürger/innen wird in diesem Programm eine Beratung durch Expert/innen angeboten, um so die Umsetzung ihrer Ideen zu unterstützen und voranzubringen. Die dritte Programmphase unter dem Titel »Wir bewegen was! Engagiert in NRW« knüpft an die Beratungsleistungen der letzten Jahre an und ist ein Beitrag zur Umsetzung der Engagement-Strategie des Landes Nordrhein-Westfalen. Mit dieser Strategie will die Landesregierung dafür Sorge tragen, zivilgesellschaftliches Engagement in NRW zu stärken und zu unterstützen. Eine Bewerbung um Aufnahme in das Programm ist bis zum 10. November 2023 möglich.
Fundraising: Wie finde ich die passende Stiftung für mein Projekt?
Mit der entsprechenden Vorarbeit gibt es gute Chancen, eine oder mehrere der 25.000 Stiftungen in Deutschland als Fördermittelgeber zu gewinnen. Ein im September erschienener Leitfaden des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen richtet sich jetzt an kleinere Initiativen und Vereine, die auf der Suche nach Fördermitteln sind. Er gibt fünf praxisnahe Tipps, die zur erfolgreichen Zusammenarbeit wichtig sind. Eine einfache Faustregel lautet: Je maßgeschneiderter die Anfrage, desto höher die Erfolgschancen.
Der Leitfaden im Wortlaut (PDF)
Modellprojekte Smart Cities: Anhörung im Bundestag
Seit 2019 fördert das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen mit einem Programmvolumen von insgesamt 820 Millionen Euro die Modellprojekte Smart Cities (MPSC). Insgesamt 73 Städte, Kreise, Gemeinden oder Regionalverbünde erarbeiten und erproben bis zum Jahr 2030 verschiedene Smart-City-Maßnahmen. Gemäß der Smart City Charta ist es für Smart Cities grundlegend, dass sie neue digitale Informations- und Vernetzungstechnologien im Sinne einer gemeinwohlorientierten Stadtentwicklung in den Dienst der Bürger/innen stellen. Ebenso wichtig ist es, dass Kommunen die Digitalisierung dazu nutzen, um politische Entscheidungen und ihre Hintergründe aktiv und transparent zu kommunizieren. Hier helfen digitale Prozesse, Informationen besser verfügbar zu machen und die Zivilgesellschaft aktiver in Planungs- und Entscheidungsprozesse einzubinden. Zu Stand und Perspektiven der von der Bundesregierung geförderten Modellprojekte hat der Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen des Deutschen Bundestages nun in einer öffentlichen Anhörung Sachverständige befragt. Die Anhörung und die Stellungnahmen der Sachverständigen stehen online zur Verfügung.
Im Fokus: Alltagsdemokratie
Leitprinzipien demokratischer Vereinsführung und Vereinsarbeit
Demokratien werden immer auch durch eine demokratische Alltagskultur getragen. Die Entwicklung von Mitbestimmungs- und Beteiligungsformen in Institutionen entlang des Lebenslaufs sind ein wichtiger Beitrag zur Demokratieentwicklung, der in den letzten Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen hat. Langfristig werden im Alltag wichtige Grundlagen für demokratische Einstellungen und Verhaltensweisen geschaffen. Das Vereinswesen in Deutschland besitzt eine lange Tradition als Motor gesellschaftlicher Innovation. Jenseits der Erfolge bei den sozialen und bürgerrechtlichen Entwicklungen waren Vereine Taktgeber des Fortschritts in vielen gesellschaftlichen Handlungsfeldern wie Ökologie, Kultur, Bildung, Sport und internationaler Verständigung. Die Arbeit im Verein war und ist zudem eine der stärksten demokratischen Sozialisationsinstanzen in unserer Gesellschaft. Christoph Hüttig erläutert in seinem Gastbeitrag die wichtigsten Leitprinzipien demokratischer Vereinsführung und Vereinsarbeit.
Demokratie in der Schule: Der Klassenrat
Alltagsdemokratie und Beteiligungskultur in Institutionen und Sozialräumen heißt mehr Raum für Mitbestimmung und Mitgestaltung zu schaffen. Auch in der Schule bestehen vielfältige Möglichkeiten, demokratische Teilhabe zu organisieren. Klassenräte können, wenn sie qualitativ gut eingeführt werden, ein wichtiger Baustein für verlässliche und verbindliche Formen der Mitbestimmung in Schulen sein. Darüber hinaus vermitteln sie Schüler/innen demokratische Teilkompetenzen, die zu einer aktiven Teilhabe an der Gesellschaft und am politischen Leben befähigen. Michael Siegel erklärt in seinem Gastbeitrag, wie Klassenräte funktionieren und stellt Potenziale und positive Effekte vor.
Demokratische Mitbestimmung in Pflegeeinrichtungen
Im Prinzip sind alle Lebensorte für Formen demokratischer Mitgestaltung offen und es gibt kaum eine Institution, wo dies nicht versucht wurde oder praktiziert wird. In stationären Pflegeeinrichtungen beispielsweise ist die Mitwirkung der Bewohnerbeiräte gesetzlich vorgeschrieben. Wie demokratische Mitbestimmung in Pflegeeinrichtungen gelingen kann und welche Hürden es gibt, zeigt Siegfried Räbiger in seinem Gastbeitrag.
Blockparlament Mueßer Holz: Alltagsdemokratie in einer Hochhaussiedlung
Wenn Demokratie als Lebensweise verstanden wird, ist es naheliegend, prägende Orte des Alltagslebens für die Gestaltungswünsche der Nutzer/innen, Bewohner/innen und Beschäftigte zu öffnen. In einer Schweriner Hochhaussiedlung sollte mithilfe eines Blockparlaments die demokratische Teilhabe und die Lebenssituation der Menschen vor Ort verbessert werden. Matthias Hempel und Thomas Littwin berichten in ihrem Gastbeitrag über den Versuch und seine Stolpersteine.
Publikationen
Publikation: Die Bürger in der Demokratie
Die Demokratie benötigt eine breite Anerkennung und beruht auf der Teilhabe ihrer Bürgerinnen und Bürger. In der Gegenwart haben sich vielfältige Formen der politischen Partizipation als Ausdruck dieser Teilhabe ausgebildet. Dies kann die Demokratie unterstützen, aber auch gegen sie gerichtet sein. Deliberative Beteiligungsformen werden in vielen Staaten Europas verstetigt. Allein die Zunahme der Diskussion über Bürgerräte verdeutlicht die sich verändernde Situation. Die Frage ist: Was denken die Bürger/innen über Demokratie und welche Rolle übernehmen sie in der Demokratie? Die Autor/innen beantworten diese Frage anhand von Theorien, empirischen Befunden und aktuellen Diskursen. Zudem vermitteln sie entsprechende politikwissenschaftliche Kompetenzen in kurzer und prägnanter Form.
Gert Pickel/Susanne Pickel: Die Bürger in der Demokratie. Stuttgart 2023, 160 S., ISBN 978-3-17-040960-6
Publikation: Provoziert! Die Bedeutung provokanter Aktionen für den politischen Protest
Die »Letzte Generation« und andere Protestgruppen lösen ambivalente Reaktionen aus. Der Autor, langjähriger Umweltaktivist und engagierte Unterstützer provokanter Aktionen, zeigt im vorliegenden Buch die existenzielle Bedeutung spektakulärer Aktionen für einen positiven gesellschaftlichen Wandel auf. Er verfolgt die historischen Linien solchen Protests bis zurück in die Anfänge unserer Zeitrechnung und liefert einen Abriss der spannendsten provokanten Aktionen der letzten Jahrzehnte. In diesem Zusammenhang beleuchtet er auch die ambivalente Rolle von Nichtregierungsorganisationen. Das Buch vermittelt ein pointiertes Verständnis von provokanten Aktionen als unzureichend anerkannter Kunstform und einem Gestaltungsmittel mit massiver politischer Schlagkraft.
Jörg Bergstedt: Provoziert! Die Bedeutung provokanter Aktionen für den politischen Protest. Marburg 2023, 154 S., ISBN 978-3-96317-347-9
Veranstaltungen, Seminare, Tagungen
Veranstaltung: UPJ-Praxisforum
Am 17. November 2023 findet online das jährliche UPJ-Praxisforum gemeinnütziger Mittlerorganisationen für Corporate Citizenship statt. Das Praxisforum ist ein Ort für den offenen, praxisorientierten Konzept- und Erfahrungsaustausch gemeinnütziger regionaler Mittler für Corporate Citizenship in Deutschland und bietet gegenseitige kollegiale Unterstützung sowie einen Anlaufpunkt für Organisationen, die als Mittler aktiv werden wollen.
Tagung: 3. Demokratiepolitisches Labor
Vom 13. bis 15. November 2023 findet das 3. Demokratiepolitische Labor in der Evangelischen Akademie in Loccum statt. Zentrales Thema ist die Rolle der Verwaltung für das Gelingen von Demokratiepolitik: Wie kann Verwaltung zum kokreativen Gestaltungsträger von Demokratie-Entwicklung werden? Die Teilnahme ist in Teilen auch digital möglich, das eigentliche Labor erfordert aber die Anwesenheit in Loccum.