Newsletter Nr. 19/2009 (25.09.2009)
Inhalt
- Meldungen aus der Bürgergesellschaft
- Im Fokus: Gemeinschaftliches Wohnen
- Publikationen und Veranstaltungen
Meldungen aus der Bürgergesellschaft
Länderspiegel Bürgerstiftungen 2009
In Deutschland gibt es zur Zeit 257 Bürgerstiftungen, die sich für soziale, kulturelle oder andere gemeinnützige Anliegen in ihrer Stadt, Gemeinde oder Region engagieren. Diese Zahl ermittelte der Verein Aktive Bürgerschaft in seinem aktuellen Länderspiegel Bürgerstiftungen 2009. Nach dem Gründungsboom der letzten Jahre geht es nach Ansicht der Verfasser des Papiers nun darum, die Arbeit der Bürgerstiftungen zu verstetigen, indem sie sich als unabhängige Akteure positionieren, ein klares Profil entwickeln und ihre finanzielle Basis ausbauen. Als erfolgreiche Instrumente zum Vermögensaufbau haben sich zu diesem Zweck Stiftungsfonds und Treuhandstiftungen erwiesen.
Jugendliche mit Migrationshintergrund im FSJ
Jugendliche mit Migrationshintergrund sind im Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) in katholischer Trägerschaft unterrepräsentiert. Vor diesem Hintergrund führen der Deutsche Caritasverband und IN VIA Deutschland ein Projekt zur interkulturellen Öffnung des FSJ durch, damit mehr junge Menschen aus dieser Gruppe die Möglichkeit eines FSJ in katholischer Trägerschaft nutzen können. An dieser Initiative beteiligen sich momentan zehn bundesweite katholische FSJ-Träger, die im Herbst 2009 damit beginnen, neue Kooperationen zu Organisationen aufzubauen, die Kontakte zu Jugendlichen mit Migrationshintergrund haben. Gleichzeitig werden besser auf diese Gruppe ausgerichtete Formen und Materialien für Öffentlichkeitsarbeit entwickelt. Die zum FSJ-Jahr 2010/11 neugewonnen Freiwilligen sollen besonders eng bei der Entwicklung von beruflichen Perspektiven unterstützt werden. Die im Projektverlauf gesammelten Erfahrungen werden ausgewertet und nach Projektende dem Trägerspektrum zur Verfügung gestellt.
Kontakt zu dem Projekt über: Barbara Schramkowski
Zur Caritas-Website
Fundraising-Wiki
Für das Themenfeld Fundraising ist eine neue, nicht-kommerzielle und frei zugängliche Informationsquelle online gegangen: ein sog. »Fundraising-Wiki«. Ziel des Angebots ist es, alle Formen des bürgerschaftlichen Engagements von Privatpersonen, Unternehmen, Institutionen und Organisationen als integralen Bestandteil des Gemeinwesens in Deutschland darzustellen. Dabei wird Fundraising auch als wesentlicher Teil des Managements von Organisationen im Dritten Sektor begriffen. Das Wiki wird u.a. von der Fundraising-Akademie getragen.
Zum Fundraising-Wiki
Studie zu kulturellen Konflikten
Gegensätzliche Werte oder die kulturelle Zersplitterung zum Beispiel in Sprache, Religion oder durch unterschiedliche historische Erfahrungen sind nicht die Hauptursache von Konflikten, zudem sind Kulturkonflikte weitgehend innerstaatliche Phänomene ohne zwischenstaatliche Dimensionen. Dies sind einige der Ergebnisse einer Studie, welche die Bertelsmann Stiftung Mitte September vorgestellt hat. Die in Zusammenarbeit mit der Universität Heidelberg entstandene Konfliktstudie basiert auf der Auswertung der Konfliktdatenbank CONIS, die weltweit das Konfliktgeschehen seit 1945 erfasst. Die Studie untersucht dabei empirisch, in welchen Konflikten kulturelle Faktoren eine Rolle spielen und inwieweit sie das Konfliktgeschehen hinsichtlich der Gewaltintensität beeinflussen. Während bei nichtkulturellen Konflikten die Zahl der Auseinandersetzungen und das gemessene Konfliktniveau abnehmen, zeigen kulturelle Konflikte ein umgekehrtes Muster: sie werden häufiger, eher gewaltsam und auch auf höheren Intensitätsstufen ausgetragen. Die Studie zeigt, dass insbesondere nach dem Ende des Kalten Krieges und der Sowjetunion vor allem religiöse und ethnisch-historisch thematisierte Konflikte auf innerstaatlicher Ebene wie etwa im ehemaligen Jugoslawien, im südlichen Kaukasus oder auf Sri Lanka erheblich zugenommen haben.
Eine Zusammenfassung der Studie im Wortlaut (PDF)
Im Fokus: Gemeinschaftliches Wohnen
Gemeinschaftliches Wohnen: Lernort für Partizipation und Engagement
Egal ob Mehrgenerationenhäuser oder Wohnprojekte im Alter: Gemeinschaftliche Wohnprojekte haben Konjunktur. Auch Kommunen, Wohnungswirtschaft und Banken stehen diesen gemeinschaftlichen Wohnformen mittlerweile aufgeschlossen gegenüber. Was zu Beginn der Bewegung als Privatinteresse belächelt wurde, wird zunehmend als Beitrag zur Lösung gemeinschaftlicher Probleme anerkannt. Rolf Novy-Huy, Geschäftsführer der Stiftung trias, zeichnet in seinem Gastbeitrag die Entwicklung der letzten Jahre nach. Für ihn stellen die verschiedenen Formen gemeinschaftlichen Wohnens immer auch Lernorte für bürgerschaftliches Engagement und für die Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen dar. Die Politik, nicht zuletzt die Steuergesetzgebung, mag zwar noch nicht zugestehen, dass solche Prozesse, obwohl nicht ausdrücklich in der Abgabenordnung genannt, durchaus als gemeinnützig eingestuft werden können. Trotzdem: Wenn Einigkeit darüber besteht, dass die Auswirkungen der demografischen Entwicklung vom Staat und seinen Institutionen allein nicht mehr bewältigt werden kann, sollte man solche »von unten« kommenden Prozesse nicht nur zulassen, sondern auch fördern.

Bürgerschaftliches Engagement im Wohnen
Das Wohnen gilt im allgemeinen Verständnis als private Welt, von der das bürgerschaftliche Engagement, das ja auf die Öffentlichkeit und auf öffentliche Wirksamkeit zielt, ausgeschlossen zu sein scheint. Demnach verfolgt der oder die Einzelne in der privaten Welt des Wohnens seine bzw. ihre privaten Lebensvorstellungen, Wünsche und Lebensformen, von den moralisch-normativen Partizipationsforderungen des Gemeinwesens befreit und entlastet. In der Lebensform des gemeinschaftlichen Wohnens wird der Gegensatz von Privat und Öffentlich im Sinne des althergebrachten Verständnisses von bürgerschaftlichem Engagement virulent. Nach Ansicht von Dr. Albrecht Göschel, Vorsitzender des Forums für Gemeinschaftliches Wohnen (FGW), deutet sich in den gemeinschaftlichen Wohngruppen jedoch ein neues Verständnis von Bürgerschaftlichkeit und von bürgerschaftlichem Engagement an, das den wenig plausiblen Gegensatz von Privat und Öffentlich zumindest im Bereich von Dienstleistungsarbeit überwindet. Im Gemeinschaftlichen Wohnen, das auf wechselseitiger, kooperativer Hilfe basiert, zeichnen sich erste Ansätze einer Besinnung auf ein solches Verständnis bürgerschaftlichen Engagements als angemessene, zukunftsfähige Lebensform ab, wie sie zunehmend in und für alle Bereiche unseres Lebens gefordert wird, sei es in ökologischer, ökonomischer oder sozialer Hinsicht.

Vom Besetzer zum Besitzer: Selbstverwaltetes Wohnen in Tübingen
Ende der 1970er Jahre wurden in der baden-württembergischen Universitätsstadt Tübingen mehrere leer stehende Häuser unter dem Eindruck drückender Wohnungsnot besetzt – und kurz darauf durch das Studentenwerk verwaltet, wodurch die Besetzung faktisch legalisiert wurde. Die Vernunftehe zwischen Universität und Hausbewohner/innen bestand bis zur Jahrtausendwende fort, dann sollten die von gut 100 Menschen bewohnten Gebäude meistbietend verkauft werden. Nach langwierigen Verhandlungen kauften die Bewohner/innen selbst die Immobilien und wandelten sich von »Besetzern zu Besitzern«. Axel Burkhardt beschreibt in seinem Gastbeitrag aus der Sicht und mit der Erfahrung eines langjährigen Bewohners die Geschichte dieses alternativen Wohnprojektes. Er erläutert das sog. »Syndikats-Modell«, durch das der Erwerb der Häuser ermöglicht wurde und zeigt die Schwierigkeiten und Probleme auf, die bei einem solchen Wohnprojekt entstehen können. Sein Fazit: Die Entwicklung einer gemeinsamen Idee, einer für alle teilbaren Vorstellung von dem, wie das Projekt aussehen soll, ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für ein Wohnprojekt. Denn ein kraftvoller Gemeinsinn überzeugt andere Projektbeteiligte, seien es Banken, Verkäufer oder die Politik.

Das »Wächterhausmodell« in Leipzig
Hauserhalt durch Nutzung: Ziel des Ende 2004 in Leipzig gegründeten Vereins HausHalten ist die Sicherung und Werterhaltung gefährdeter Altbauten an städtebaulich bedeutsamen Lagen durch die Akquisition neuer Nutzer/innen auf nicht kommerzieller Basis. Aufgrund des großen Wohnungsüberhangs besteht in bestimmten Lagen für diese Häuser kaum eine Aussicht auf eine klassische Sanierung und Wiedernutzung, und andere Wege werden von Eigentümern selten selbst gefunden. Andererseits besteht ein großes Interesse an unkonventionell nutzbaren Räumlichkeiten jenseits des üblichen Mietmarktes, zur Ausübung von Tätigkeiten außerhalb der Wohnung. Hierfür werden Abstriche an der Qualität und Ausstattung in Kauf genommen. Ziel von HausHalten e.V. ist es, beide skizzierten Probleme – Leerstand in unattraktiven Lagen und kreative Raumsuchende – als Chance zu betrachten und Eigentümer/innen mit Nutzer/innen zusammenzuführen. Das vor diesem Hintergrund entstandene sog. »Wächterhausmodell« gibt es mittlerweile auch in anderen ostdeutschen Städten und Kommunen, wie Chemnitz, Görlitz oder Halle. Die Arbeit des Vereins wird durch das Bundesprogramm »Nationale Stadtentwicklungspolitik« unterstützt.
Zur Website des Vereins HausHalten
Publikationen und Veranstaltungen
Publikation: Bürokratieentlastung des Dritten Sektors und des bürgerschaftlichen Engagements
Das Sonderheft der Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung e.V. (AWV) veröffentlicht aktuelle Beiträge zum Thema Bürokratieentlastung im Dritten Sektor und für freiwillig engagierte Bürgerinnen und Bürger. Es werden empirische Grundlagen und Forschungsbezüge vorgestellt und Perspektiven entwickelt, wo und für welche Adressatenkreise wirksame Entlastungen von Bürokratie möglich sind. Die Schrift dokumentiert die Vorträge des Gründungworkshop des gleichnamigen Arbeitskreises.
Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung (AWV): Bürokratieentlastung des Dritten Sektors und des bürgerschaftlichen Engagements. 2009, AWV-Informationen Special IV., ISBN 978-3-931193-61-1, ISSN 1868-6753
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Publikation: Das Buch gegen Nazis
Das Buch gegen Nazis basiert auf den Inhalten der Online-Plattform »Netz gegen Nazis« und ist ein Kooperationsprojekt der Bundeszentrale für politische Bildung, der ZEIT und der Amadeu Antonio Stiftung. Die Publikation vermittelt kompaktes und grundlegendes Wissen zu Rechtsextremismus und gibt viele praktische Tipps. Es stellt darüber hinaus beispielhafte Initiativen gegen Rechts vor und empfiehlt Ansprechpartner/innen für Ratsuchende.
Toralf Staud, Holger Kulick: Das Buch gegen Nazis. Rechtsextremismus - Was man wissen muss und wie man sich wehren kann. 2009, 304 S., 12,95 Euro, ISBN 978-3-462-04160-6
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Veranstaltungshinweise
Zahlreiche Veranstaltungen sind im Veranstaltungskalender des Wegweisers Bürgergesellschaft zu finden.
Besonders hinweisen möchten wir dieses Mal auf:
• 14.– 16. Oktober 2009 in Freiburg: <link aktuelles veranstaltungskalender va _blank external-link-new-window>Europäische Spekulationen auf die Gerechtigkeit. Oder: »Sozial gerecht ist, wenn …«
Eine Tagung der Bundeszentrale für politische Bildung
• 30.10. – 1.11.2009 in Berlin: <link aktuelles veranstaltungskalender va _blank external-link-new-window>mitSPIELtagung09: Spiele als Instrumente in Entwicklungs- und Veränderungsprozessen
Ein interdisziplinäres Orientierungs-, Austausch- und Impulstreffen des wannseeFORUMs und dem Arbeitskreis Spielquadrat