eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 12/2015 (15.07.2015)
Inhalt
- Im Fokus: Engagement bei Rettungsdiensten und im Katastrophenschutz
- Publikationen und Veranstaltungen
Allianz »Rechtssicherheit für politische Willensbildung« gegründet
Die Nachricht, dass dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac die Gemeinnützigkeit abgesprochen wurde, hat im letzten Jahr vielerorts Empörung ausgelöst. Es handelt sich aber hierbei keineswegs um einen Einzelfall, sondern vielmehr um ein systematisches Problem. Organisationen, die sich im Bereich der politischen Willensbildung engagieren, sind aufgrund der herrschenden Gesetzeslage der ständigen Gefahr der Aberkennung ihrer Gemeinnützigkeit ausgesetzt. Aus diesem Grund hat sich jetzt die Allianz »Rechtssicherheit für politische Willensbildung« gegründet, die sich für ein modernes Gemeinnützigkeitsrecht einsetzt. Die Allianz besteht aus mehreren Organisationen, die sich für Menschenrechte, Demokratie und Umweltschutz einsetzen. Auf einer eigens eingerichteten Website sammelt die Allianz Beispiele für die Problematik der Vereine. Hier wird deutlich, dass die Abgabenverordnung viele Formen des Engagements schlicht nicht vorsieht und viele Organisationen dementsprechend der Willkür der Finanzämter ausgesetzt sind. So gibt es beispielsweise Organisationen, die sich für die Förderung der Menschenrechte von Homosexuellen oder Menschen anderer Hautfarbe einsetzen, und gezwungen sind ihre Gemeinnützigkeit unter »Mildtätigkeit« oder »Völkerverständigung« geltend zu machen. Daher fordert die Allianz eine Änderung der Abgabenordnung, um sie den Anforderungen einer modernen demokratischen Zivilgesellschaft anzupassen.
Amadeu Antonio Stiftung: 10-Punkte-Plan für eine kommunale Willkommensoffensive
Im Rahmen der »Aktion Schutzschild: Flüchtlinge schützen, Initiativen stärken« hat die Amadeu Antonio Stiftung anlässlich des Flüchtlingsgipfels im Juni 2015 »10 Punkte für eine kommunale Willkommensoffensive« vorgelegt. Wenn es um die konkrete Lebenssituation der Flüchtlinge geht, sind in ganz praktischer Weise vor allem die Kommunen gefordert. Der 10-Punkte-Plan formuliert daher Handlungsempfehlungen für Kommunen, um eine aktive Teilhabe von Flüchtlingen zu ermöglichen. Dazu gehören beispielsweise die Sicherung des Schutzes vor Übergriffen, der Einsatz für eine frühzeitige gesellschaftliche Teilhabe der Flüchtlinge, die Unterstützung von Willkommensbündnissen wie auch die Kooperation mit Unternehmen. Kommunen werden aufgefordert, Aktionspläne mit konkreten Handlungsschritten für eine proaktive und langfristige Willkommens- und Teilhabekultur für Flüchtlinge zu formulieren. So schaffen sie Transparenz und Überprüfbarkeit, womit für Anwohnerinnen und Anwohner politisches Handeln nachvollziehbarer und transparenter wird.
Das Dokument im Wortlaut (PDF)
Werkstatt Vielfalt: Geförderte Projekte und neue Förderrunde
Noch bis zum 15. September 2015 können Anträge für die sechste Ausschreibungsrunde des Förderprogramms »Werkstatt Vielfalt« eingereicht werden. Inhaltlich kommen Projekte in Frage, die das Miteinander und das Verständnis verschiedener gesellschaftlicher Gruppen füreinander vertiefen, die unterschiedliche Interessen, Erfahrungen und Fähigkeiten für ein gemeinsames Vorhaben und Engagement nutzen oder die Selbstwirksamkeit und aktive Teilhabe junger Menschen an ihrem Lebensumfeld unterstützen. Ausgewählte »Projekte des Monats« aus dem Programm werden ab sofort auf den Internetseiten der Stiftung Mitarbeit und der Robert Bosch Stiftung vorgestellt. Ein multikulturelles Fashion-Theater in Ratingen und eine performative Stadtrundfahrt durch Leipzig von und mit Flüchtlingen sind zwei aktuelle Beispiele, die die Wirkung der Förderung ganz konkret sichtbar machen. Die »Werkstatt Vielfalt« unterstützt bundesweit vorbildliche Projekte für eine lebendige Nachbarschaft, die von und mit Kindern und Jugendlichen von 8 bis 27 Jahren durchgeführt werden. Projekte können mit jeweils bis zu 7.000 Euro gefördert werden.
Wohnungslosenhilfe: Mehr Partizipation wagen
Die BAG Wohnungslosenhilfe e.V. (BAG W) hat unter dem Titel »Partizipation wagen. Förderung und Unterstützung von Partizipation in der Wohnungslosigkeit« eine Empfehlung für die Praxis erstellt. Innerhalb der Institutionen des Hilfesystems im Bereich der Wohnungslosigkeit bestehen nach wie vor Vorbehalte gegenüber Partizipation und Selbstorganisation Betroffener. Die Empfehlung macht strukturelle Voraussetzungen für eine Förderung und Unterstützung von Partizipation deutlich und beschreibt wesentliche Anforderungen an das Hilfesystem. Partizipation wird verstanden als die Beteiligung von Betroffenen bei Entscheidungen über die Ausgestaltung und Bereitstellung von Angebotsstrukturen, ihre Qualität und den Zugang hierzu. Die Empfehlung versteht sich als Leitfaden für die Praxis und richtet sich nicht nur an die Einrichtungen der Sozialen Arbeit und der Wohnungslosenhilfe sondern auch an die sozialpolitisch Verantwortlichen. Ihre Aufgabe ist es, die Rahmenbedingungen für eine umfassende Partizipation wohnungsloser Menschen herzustellen und die dafür notwendigen Ressourcen bereitzustellen. Die Erarbeitung der Handreichung erfolgte durch den Fachausschuss Persönliche Hilfen, Soziale Dienste und Sozialraumorientierung der BAG W. Das Papier wurde am 19. Mai 2015 vom Vorstand der BAG W verabschiedet und wird auf der kommenden Bundestagung in Berlin im Rahmen einer Forumsveranstaltung vorgestellt und kritisch diskutiert.
OB-Barometer 2015 fragt nach der Lage in Städten und Kommunen
Was sind aktuell die wichtigsten Handlungsfelder und Aufgaben in Ihrer eigenen Stadt? Welche kommunalpolitischen Themen gewinnen in den nächsten 5 Jahren an Bedeutung? Diese und andere Fragen hat das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) in Abstimmung mit dem Deutschen Städtetag Stadtspitzen in Städten mit mindestens 50.000 Einwohnern in Deutschland gestellt. Die erste Untersuchung wurde im Mai 2015 von infratest dimap durchgeführt. Von den 183 eingeladenen (Ober-)Bürgermeisterinnen und (Ober-)Bürgermeistern haben sich 120 an der Umfrage beteiligt. Dies entspricht einer Teilnahmequote von 66 Prozent. Auch wenn die Ergebnisse regional variieren, ist die Tendenz klar erkennbar, dass derzeit die Finanzlage der Kommunen, der demografische Wandel und die Flüchtlingsfrage als die drängendsten Herausforderungen gesehen werden. Das OB-Barometer soll in Zukunft jährlich die Stadtoberhäupter zu den wichtigsten Aufgaben und Problemen für deutsche Städte und Gemeinden befragen.
Studie: Demokratische Innovationen in Theorie und Praxis
Die Studie »Nur schöner Schein? – Demokratische Innovation in Theorie und Praxis« von Wolfgang Merkel ist mehr als eine Analyse der verschiedenen Methoden der demokratischen Einflussnahme und ihrer Auswirkung auf die repräsentative Demokratie. Denn die »Krise der Demokratie« wurde nicht erst mit dem Rückgang von Wahlbeteiligung und der Zunahme der sogenannten Politikverdrossenheit ausgerufen. Die Problematik der Legitimation demokratischer Strukturen ist so alt, wie die Demokratie selbst und neuere Begriffe wie »Postdemokratie« scheinen lediglich alte Probleme in ein neues Licht zu rücken. Daher entwirft Merkel, Direktor der WZB-Abteilung »Demokratie und Demokratisierung«, zunächst verschiedene Modelle der Erwartungen an Demokratie. Erst im Lichte dieser unterschiedlichen Anforderungen wird untersucht, inwiefern die aktuellen Entwürfe zur Erneuerung der Demokratie - direktdemokratische und deliberative Verfahren, wie Volksabstimmung und E-Voting - Einfluss auf die repräsentative Demokratie haben. Sein Fazit: »An erster Stelle muss eine Reformierung und Vitalisierung von Parteien, Parlament und Regierung stehen. Die diskutierten demokratischen Neuerungen können diese Versuche ergänzen, aber nicht ersetzen.«
Die Studie im Wortlaut (PDF)
Im Fokus: Engagement bei Rettungsdiensten und im Katastrophenschutz
INKA - Freiwilligenmanagement im Katastrophenschutz
Seit 2012 erforscht das Projekt INKA Ansatzpunkte für eine zukunftsfähige Gestaltung des bürgerschaftlichen Engagements im Krisen- und Katastrophenschutz. Angesichts gesellschaftlicher Entwicklungen wie dem demografischen Wandel, einer verstärkten Mobiliät, veränderten Anforderungen im Berufsleben sowie neuen Formen des Engagements steht der ehrenamtsbasierte Krisen- und Katastrophenschutz vor vielfältigen Herausforderungen. Bianca Ely und Thomas Weber vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) stellen in ihrem Gastbeitrag das Projekt vor. Sie skizzieren das entstandene integrierte Konzept, das Veränderungspotenziale in der Vielfalt des Engagements im Katastrophenfall, in einem Dialog zwischen Behörden und Organisationen sowie der Berücksichtigung der Ressourcen und Erwartungen von Ehrenamtlichen benennt. Das Projekt wurde koordiniert vom DRK und dem Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement und bezieht die Expertise aus Wissenschaft und allen relevanten Katastrophenschutzorganisationen mit ein. In einem dialogischen Prozess wurden Praxisempfehlungen als Impulse für ein zukunftsfähiges Freiwilligenmanagement erarbeitet. Diese werden als Leitfaden im September 2015 veröffentlicht. Die vielfältigen Ergebnisse des Projektes werden ausserdem am 23. September bei einer Fachkonferenz »Engagiert im Katastrophenschutz« in Berlin vorgestellt. (Anmeldeschluß ist der 31. Juli 2015)
Ehrenamt im THW
Das Technische Hilfswerk (THW) ist eine Behörde des Bundes, die dem Bevölkerungsschutz dient. Zu 99% wird sie von Ehrenamtlichen getragen – und sie ist ein komplexes Gefüge von Ortsverbänden, Einsatzstrukturen und Gremien. Frank Schulze ist seit 2002 gewählter Ehrenamtssprecher auf Bundesebene und arbeitet in dieser Rolle eng mit dem Präsidenten des THW bei der Gestaltung und Weiterentwicklung der Organisation zusammen. Er erläutert in seinem Gastbeitrag, wie der THW aufgebaut ist und wo er zum Einsatz kommt. Zu den Rahmenbedingungen, die das freiwillige Engagement sichern, gehören differenzierte Qualifizierungsangebote, adäquate Arbeitsmittel sowie die individuellen und institutionellen Mitgestaltungsmöglichkeiten für die Freiwilligen. Für ihn ist klar: Die hohe Wertschätzung des THW im In- und Ausland gilt der Freiwilligenorganisation, die viel dafür tut, damit die Helferinnen und Helfer gerne und langfristig im THW verbleiben.
Engagement in der Feuerwehr
Über eine Million Menschen engagieren sich bei der Feuerwehr in Deutschland. Gemeinschaftsgefühl, Freude am Helfen, Begeisterung für Technik sind häufig die Motivation für die ehrenamtliche Mitarbeit. Dieser Engagementbereich verlangt von den Freiwilligen eine gute, regelmäßige Ausbildung vor wie auch zwischen den Einsätzen. Entscheidend für die Engagierten, um auch über längere Zeit aktiv zu bleiben, ist dabei vor allem die Anerkennung. Hartmut Ziebs, Vizepräsident des Deutschen Feuerwehrverbandes, benennt im Interview als Herausforderung für die Zukunft des Ehrenamts in der Feuerwehr die Gewinnung von Freiwilligen aus bislang unterrepräsentierten Bevölkerungsgruppen. Dazu zählen Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund wie auch etwa Pendler, die an Wohn- und Arbeitsort in der Feuerwehr aktiv werden können.
Freiwillige Soforthilfe im Ausland
Bei Katastrophen im Ausland, wie Erdbeben, Überschwemmungen oder anderen Großereignissen werden viele internationale Hilfsorganisationen schnell aktiv. Auch die Johanniter Unfallhilfe beteiligt sich daran mit ehrenamtlichen Soforthelferinnen und –helfern. »Zur richtigen Zeit am richtigen Ort die angefragte und benötigte Hilfe mit den richtigen Ressourcen in Absprache mit der nationalen und internationalen Hilfsgemeinschaft erfolgreich zu leisten«, so beschreibt Oliver Rodewald im Interview die Herausforderung der Auslandssoforthilfe. Er ist Leiter der internationalen Soforthilfe bei den Johannitern und erläutert, wie die Ehrenamtlichen auf solche Einsätze vorbereitet werden. Um effektive und sinnvolle Hilfe leisten zu können, ist ein breit angelegtes Verständnis dessen, was vor Ort erforderlich sein kann, sowie der Strukturen der internationalen Hilfsgemeinschaft entscheidend.
Psychosoziale Notfallversorgung als Ehrenamt
Bei Unfällen oder anderen Notfallsituationen ist häufig nicht nur technische oder medizinische Hilfe erforderlich, sondern auch eine psychosoziale Unterstützung der Betroffenen oder der Helfenden wichtig. Ob in der Kriseninterventionshilfe für die Notfallbetroffenen und ihre Angehörigen oder in der Einsatznachsorge, die die Einsatzkräfte bei der Verarbeitung von belastenden Situationen unterstützt – auch in diesen Einsatzfeldern sind Menschen freiwillig aktiv. Sören Petry, Leiter der der psychosozialen Notfallversorgung beim Malteser Hilfsdienst, schildert in einem Interview die typischen Einsatzfelder. Er erläutert die erforderlichen Voraussetzungen sowie die vom Malteser Hilfsdienst durchgeführten Qualifizierungen für diesen besonderen Engagementbereich und macht deutlich, wie wichtig Anerkennung und Wertschätzung für die Ehrenamtlichen sind.
Publikationen und Veranstaltungen
Publikation: Transparente Zivilgesellschaft?
Transparenz gehört zum Alltagsvokabular der politischen Debatte. Je komplexer und damit undurchschaubarer politische Vorgänge sind, desto größer wird verständlicherweise das Bedürfnis der Öffentlichkeit nach Aufklärung. Auch und gerade zivilgesellschaftliche Akteure sollten sich der Forderung nach Transparenz nicht entziehen. Sie sind es ihrer eigenen Glaubwürdigkeit schuldig. Grenzen müssen jedoch gezogen werden, z.B. der Persönlichkeitsschutz für Stifter. In einer explorativen Studie, ursprünglich als Gutachten angelegt und für die Veröffentlichung erweitert, werden erstmals aus sozialwissenschaftlicher Perspektive eine Reihe von Aspekten untersucht und Problemfelder aufgedeckt. Vorsichtig formulierte Handlungsempfehlungen runden die Untersuchung ab.
Graf Strachwitz, Rupert: Tranparente Zivilgesellschaft? - Accountability und Compliance in Non-profit-Organisationen, Schwalbach/Ts. 2015, 176 S., 14,80 €, ISBN 978-3-7344-0150-3
Publikation: Städtische Quartiere gestalten
Was sind lebenswerte Quartiere? Welche Möglichkeiten und Grenzen kommunaler Konzepte der städtischen Quartiersentwicklung gab und gibt es?
Vor dem Hintergrund aktueller gesellschaftlicher sowie politischer Entwicklungen und Herausforderungen werden in diesem Band zentrale Fragen der Quartiersentwicklung diskutiert. Aus der Sicht von verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, der Praxis Sozialer Arbeit und der kommunalen Verwaltung werden theoretische Ansätze, historische Entwicklungen und empirisch evaluierte regionale Konzepte zur Gestaltung städtischer Quartiere in den aktuellen Diskurs eingebettet. Die interdisziplinäre Auseinandersetzung mit dem Themenfeld ermöglicht hierbei einen leichten Zugang für die verschiedenen Akteur/innen der Quartiersentwicklung sowie für die interessierte Öffentlichkeit.
Knabe, Judith/ van Rießen, Anne/ Blandow, Rolf (Hg.): Städtische Quartiere gestalten - Kommunale Herausforderungen und Chancen im transformierten Wohlfahrtsstaat, Bielefeld 2015, 274 S., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2703-9
Veranstaltungshinweise
Zahlreiche Veranstaltungen sind im Veranstaltungskalender des Wegweisers Bürgergesellschaft zu finden. Besonders hinweisen möchten wir dieses Mal auf:
24.-28.8.2015 in Brandenburg: Zeitwohlstand – Theaterwerkstatt zu mentalen Infrastrukturen der Beschleunigung
Eine Veranstaltung vom Konzeptwerk Neue Ökonomie
04.-06.09.2015 in Bonn: Erfolgreich NPO-Kampagnen entwickeln – Tapeziertisch, Targeting, Twitter & Co
Ein Seminar der Akademie Management und Politik (MuP) der Friedrich-Ebert-Stiftung