Methodenbeschreibung

Seite 1: Methode & Ablauf

Idee der Zukunftskonferenz ist, dass das »ganze, offene System« zusammen in einem Raum lernt und plant. In Städten/Stadtteilen sind Vertreter/innen aller relevanten Bevölkerungsgruppen und Institutionen Teilnehmer/innen der Zukunftskonferenz. Das Zusammenbringen der unterschiedlichsten Perspektiven ermöglicht es, gemeinsam einen größeren Ausschnitt der Wirklichkeit zu erkennen.

Die Zukunftskonferenz in ihrer heutigen Form ist ein Produkt, das über fast zwei Jahrzehnte – in den 1970er und 80er-Jahren – gereift ist. Diese Methode bezieht fundamentale Erkenntnisse und Erfahrungen der Organisationsentwicklung und Systemtheorie seit Beginn der 1930er-Jahre konsequent ein. Im Ergebnis steht heute eine sehr einfache, stabile und äußerst erfolgreiche Struktur für eine Entwicklungs-, Planungs- und Umsetzungswerkstatt zur Nutzung in fast allen Arten von Organisationen und Lebensbereichen.

Einsatzmöglichkeiten und Zielsetzungen

Die Methode »Zukunftskonferenz« kann zur Neuausrichtung im Bereich einer Organisation, z.B. Stadtverwaltung, ebenso eingesetzt werden wie zur Zukunftsgestaltung eines Stadtteils oder eines Themenfeldes wie zum Beispiel Zukunft des Ehrenamtes, Zukunft der jungen Generation, Zukunft des Handwerks oder der Wirtschaft in unserer Gemeinde, Stadt, Region.

Idee der Zukunftskonferenz ist, dass das »ganze, offene System« zusammen in einem Raum lernt und plant, d.h. neben einem Querschnitt der Organisation über alle Funktionen und Ebenen hinweg sind wichtige externe Interessengruppen (z.B. Kunden, Lieferanten, Händler, Lizenznehmer) dabei. In Städten/Stadtteilen sind Vertreter/innen aller relevanten Bevölkerungsgruppen und Institutionen Teilnehmer/innen der Zukunftskonferenz. Das Zusammenbringen der unterschiedlichsten Perspektiven ermöglicht es, gemeinsam einen größeren Ausschnitt der Wirklichkeit zu erkennen.

Ablauf

Die »klassische« Zukunftskonferenz dauert ca. 18 Stunden, die sich idealerweise auf drei Tage verteilen. In ihrer Urform galten 64 Teilnehmer/innen als optimal, die möglichst acht verschiedene Lebenswelten oder Themenfelder repräsentieren sollten (z.B. Wirtschaft, Soziales, Kultur, Umwelt, Bildung, Gesundheitsbereich). Die Methode lässt sich jedoch auch sehr fruchtbar mit etwa 40 bis zu 80 Personen einsetzen. Wenn es möglich und sinnvoll erscheint, können auch noch mehr Personen – beispielsweise in parallel durchgeführten partizipativen Werkstätte – in die »Zukunftskonferenz« mit ihrer methodischen Grundstruktur einbezogen werden.

Die besondere Gestaltungskraft der Zukunftskonferenz erklärt sich ganz maßgeblich aus der Art der Zusammenarbeit im Verlauf der 2,5 Tage:

Alle Arbeitsschritte, Ergebnispräsentationen und Reflexionen finden gemeinsam in einem großen Raum statt. Je nach Aufgabenstellung und Werkstattphase arbeiten die Mitwirkenden in ihrer Herkunfts-/Stakeholdergruppe (=homogen) – z.B. Umwelt, Bildung – oder sie arbeiten maximal gemischt (Max-Mix). Maximal gemischt bedeutet, dass in einer Phase je ein Teilnehmer/eine Teilnehmerin aus den verschiedenen Stakeholdergruppen zusammen an einem Thema arbeiten. Diese unterschiedlich zusammengesetzten Kleingruppen (ca. 6 bis 10 Personen) sorgen zusammen mit ausreichend Zeit für Einzelarbeit und (Zwischen-)Ergebnispräsentationen im Plenum dafür, dass viel wechselseitiges Verständnis wachsen kann.

Zugleich werden im Laufe einer Zukunftskonferenz immer wieder auch die Gemeinsamkeiten der verschiedenen Interessen-/Stakeholdergruppen gut sichtbar. Dieser Umstand trägt erheblich zur Verständigungs- und Umsetzungskraft innerhalb einer Kommune, Region oder eines Stadtteils bei. Kreative Elemente sorgen dafür, dass auch Freude und Humor nicht zu kurz kommen.

Ablauf einer Zukunftskonferenz

Ein erfolgversprechender Ablauf der Zukunftskonferenz sieht folgendermaßen aus:

 

Tag 1 Tag 2 Tag 3
Rückblick in die Vergangenheit
Einzelarbeit und Max-Mix Gruppen

Welche Entwicklungen kommen auf uns zu?
Einzelarbeit und Brain­storming im Plenum –
Erstellen einer gemeinsamen Mind-Map

Unsere heutigen Antworten auf die Entwicklungen von morgen
Homogene Gruppen

Stolz und Bedauern
Homogene Gruppen

Visionsphase
Max-Mix-Gruppen
     

Konsensphase
Plenum

Maßnahmenplanung
Freiwillige bilden themenbezogene Aktionsgruppen

Schlusskreis mit Ausblick
Plenum
Dauer: ca. 5 hDauer: ca. 5–6 hDauer: ca. 5–6 h

 

 

Seite 2: Umsetzung

Wichtige Aspekte bei der Umsetzung

Im Kern lassen sich folgende Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung
benennen:

 

  • Die Auftraggeber/innen oder die jeweiligen Führungsspitzen müssen offen für die Beiträge der Teilnehmer/innen sein und selbstverständlich an der Konferenz teilnehmen.
  • Die Konferenz sollte Teil eines klar definierten Gesamtkonzeptes sein, das auch die notwendige Unterstützung seitens der Führungsspitze hat. Dazu gehört auch die Ausstattung mit angemessenen Ressourcen (Personal, Know-how, Arbeitsmittel, Kontakte, Geld) für den Nachfolge-/Umsetzungs-Prozess.
  • Die Konferenz muss sorgfältig vorbereitet sein. Insbesondere die Gewinnung der gewünschten Teilnehmer/innen ist mit Klarheit, Wertschätzung und Engagement zu betreiben. Zur Vorbereitung gehört gerade bei Zukunftskonferenzen in Städten und Regionen unbedingt eine qualifizierte und ehrliche Medienarbeit.
  • Die Auswahl der Teilnehmer/innen sollte mit großer Sorgfalt, gerade hinsichtlich Repräsentativität – Alter, Geschlecht, Kultur, vielfältige Berufs- und Lebensbereiche, Menschen mit »Macht und Einfluss« und »Otto Normalverbraucher« – erfolgen.
  • Die Moderator/innen für eine »klassische« Zukunftskonferenz sollten zumindest eine qualifizierte Ausbildung für diesen Werkstatt-Typ nachweisen können.

Grenzen der Anwendung – thematisch und teilnehmerseitig

Obwohl Zukunftskonferenzen durchaus zu sehr konfliktreichen Themen erfolgreich durchgeführt werden können, sind sie kein geeignetes Mittel um fundamentale Meinungsunterschiede aufzuheben. In diesem Sinne kann sie auch nicht eingesetzt werden, wenn es um eine reine Ja/Nein-Entscheidung geht (Autobahn oder Umgehungsstraße, Schlossplatz bebauen oder nicht) oder ein ganz bestimmtes Ergebnis herauskommen soll.

Sofern zur Bewältigung der Aufgabe und mit Blick auf die Umsetzung weniger als 30 Personen ausreichend erscheinen, sollte unter Umständen eher die Zukunftswerkstatt oder die kleine Schwester der Zukunftskonferenz, die »search conference« (Fred Emery), gewählt werden.

Der beachtliche Erfolg der Zukunftskonferenz als Methode basiert maßgeblich auf der Kraft von Aktionsgruppen, die aufgrund eines gemeinsam erkannten Anliegens eigen­initiativ und selbstverantwortlich handeln wollen und können. Diese Gruppen können durch weitere Personen oder spezielle Fachkompetenz ergänzt werden. Auf den Einsatz einer Zukunftskonferenz sollte deshalb verzichtet werden, wenn die Auftraggeberseite nicht will, dass sich zur Umsetzung der Maßnahmen auf freiwilliger Basis und interessengeleitet Aktionsgruppen bilden.

Von Seiten der Teilnehmer/innen gibt es lediglich die Grenze eines Mindestalters (ca. 14 Jahre) und der Notwendigkeit, die Sprache im Großen und Ganzen zu verstehen und zu sprechen. Sofern Menschen dabei sind, die gute Übersetzungshilfe leisten können, ist aber auch die Sprache keine unüberwindbare Hürde. Die Zukunftskonferenz ist offen für Menschen unterschiedlicher Kulturen und Nationalitäten.

Notwendiger organisatorischer Rahmen

Die Vorbereitungsdauer einer Zukunftskonferenz hängt ganz maßgeblich vom Zeitaufwand ab, der für die Gewinnung der Teilnehmer/innen nötg ist.

Ein zweiter wichtiger Punkt ist ein geeigneter Veranstaltungsort/-raum und ein gut passender Startpunkt für einen »Aufbruch«. Termine im Frühling und Frühsommer sind günstiger als im Spätherbst und Winter.

In Organisationen wie Stadtverwaltung, Behörde, Schule reicht meist ein Vorlauf von ca. 8 bis 10 Wochen aus, bei Städten/Stadtteilen und Regionen sind es eher 4 bis 8 Monate.

In der Vorbereitungsphase finden in der Regel 3 bis 4 Vorbereitungstreffen á ca. 4 Stunden statt. Eine zielgruppenspezifische Informations- und Öffentlichkeitsarbeit unterstützt das Vorhaben und die Teilnehmergewinnung erheblich.

Die Hauptkostenpositionen setzen sich zusammen aus

 

  • Kosten für ein bis zwei Moderator/innen für Vorbereitung, Durchführung und Auswertungsgespräch
  • Kosten für die Anmietung geeigneter Räumlichkeiten und ggf. Technik (Mikrofone, Beschallung, Flipcharts u.ä.)
  • Verpflegung der Teilnehmer/innen.

Für den mittel- und langfristigen Erfolg eines Veränderungs- und Entwicklungsansatzes ist gerade die Startphase von ganz entscheidender Bedeutung. Die Zukunftskonferenz legt das Fundament für einen gelingenden gemeinsamen Aufbruch und bestimmt damit maßgeblich die Energie und Qualität für den weiteren Umsetzungsweg und die Zielerreichung. Als dialogorientierte und partizipative Großgruppenmethode kann die Zukunftskonferenz gut die notwendige Vielfalt in einer Organisation und Kommune abbilden. Sie ist ein nicht alltägliches Ereignis, das durch die Einbeziehung vieler Menschen und das besondere Konzept eine deutlich höhere öffentliche Wahrnehmung des Anliegens erzeugt.

Seite 3: Stärken und Grenzen

Bilanz

Die Zukunftskonferenz entfaltet ihre besonderen Stärken, wenn sie tatsächlich über drei Tage verteilt durchgeführt wird. Dieser nicht unerhebliche Zeitaufwand wird heute und bereits in den letzten 10 Jahren kaum noch gewagt. Die vermeintliche Zeitersparnis rächt sich in aller Regel bei der Umsetzung, weil in der Praxis eine Menge potenziell möglichen Engagements auf der Strecke bleibt und weil die persönliche Basis der Beteiligten nicht ausreichend tragfähig ist.

In Politik und Verwaltung lässt sich zudem der zunehmende Wunsch nach Kontrolle beobachten, den Bürger/innen wird oft wenig eigener Bewegungs- und Erfahrungsspielraum eingeräumt. Das Ergebnis: Unsäglich viele Varianten einer »Zukunftskonferenz light«, die den Namen und die besondere Qualität der originären »Zukunftskonferenz« als Methode, Idee und Haltung nahezu ruiniert haben.
Jenseits der oft »ungelebten Praxis« bietet die Zukunftskonferenz eine Menge an kleinen Tools und Gestaltungsprinzipien, die man gut in andere partizipative Verfahren und Dialogkonzepte integrieren kann. Ansonsten bleibt die »echte Zukunftskonferenz« ein kraftvoller Ansatz für die dafür passenden Anlässe.

Tipp

Fazit: Nur selten ist wirklich »Zukunftskonferenz« drin, wo »Zukunftskonferenz« drauf steht, deshalb lohnt ein Blick in die Verpackung.

Literatur und Links

  • Weisbord, Marvin/Janoff, Sandra (2000): Future Search. Die Zukunftskonferenz. Wie Organisationen zu Zielsetzungen und gemeinsamen Handeln finden. Klett-Cotta Stuttgart .
  • Weisbord, Marvin R./Janoff, Sandra (2002): Future Search. An Action Guide to Finding Common Ground in Organizations and Communities. Berrett-Koehler. San Francisco (Das Orginal-Werk).
  • Weisbord, Marvin R. (Hrsg.) (1993): Discovering Common Ground. How Future Search Conferences Bring People Together to Achieve Breakthrough Innovation, Empowerment, Shared Vision and Collaborative Action. Berrett-Koehler, San Francisco (35 Berater aus der ganzen Welt berichten über ihre Erfahrungen mit Zukunftskonferenzen).
  • Weisbord, Marvin R. (1996): Zukunftskonferenzen 1: Methode und Dynamik. In: Organisationsentwicklung 1, S. 4–13.
  • www.futuresearch.net