Praxisbeispiel Bremen: Vielfältige Jugendbeteiligung mit Stadtteilbudgets

In Bremen gibt es in den meisten Stadtteilen Jugendbeteiligungsprojekte, die den Jugendlichen jeweils einen Fonds oder ein Budget zur Verfügung stellen. Die Projekte basieren auf unterschiedlichen Modellen der Jugendbeteiligung (Stand 2016):

  • Beteiligungs(fach)tag
  • e-participation
  • Ideenwettbewerb
  • Jugendbeirat
  • Jugendkultur-Projekt
  • Planungsbeteiligung
  • Spielleitplanung
  • Spiel- oder Bolzplatzplanung

Neben den stadtweiten politischen Institutionen wie Bürgerschaft und Senat gibt es in Bremen 22 stadtteilbezogene direkt gewählte Stadtteilbeiräte, die von 17 Ortsämtern unterstützt werden. Ihre Arbeit regelt das Ortsgesetz über Beiräte und Ortsämter. Darin heißt es nach einer Reform im Jahre 2010 zur Partizipation: »Der Beirat gewährleistet die Bürgerbeteiligung im Beiratsbereich und regt sie an.« (Freie Hansestadt Bremen 2016).

Auch die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen auf Stadtteilebene soll gefördert, die Einrichtung von Jugendbeiräten ermöglicht werden. Es gab bereits vor dieser Reform punktuell einzelne gemeinwesenorientierte Beteiligungsprojekte für Kinder und Jugendliche.

Zur Unterstützung der Akteur/innen auf Stadtteilebene wurde mit der Reform eine Beratungs- und Vernetzungsstelle bei der Bremer Senatskanzlei – der Behörde des Bürgermeisters – eingerichtet.

Ziele der stadtteilorientierten Beteiligung von Kindern und Jugendlichen

Kinder und Jugendliche sollen über ihre Rechte, sich zu beteiligen und eigene Ideen zu verwirklichen, informiert werden. Sie sollen die Möglichkeit haben, Wünsche und Kritik zur Gestaltung ihres Quartiers zu erarbeiten, einzubringen und möglichst zu realisieren.

Dazu brauchen sie eine Adresse, eine Anlaufstelle oder ein gemeinwesenorientiertes Projekt zur Beteiligung junger Menschen in jedem Stadtteil. Um die Möglichkeit zu eröffnen, Ideen umzusetzen, wird jährlich ein Budget oder eine andere Ressource (etwa ein Festival, die Gestaltung eines Platzes, o.ä.) für junge Menschen reserviert. Da alle Jugendlichen angesprochen werden sollen, sind Geschlechtergerechtigkeit, inklusive Angebote, Sprachbarrieren und die Einbeziehung bildungsbenachteiligter Jugendlicher zu berücksichtigen (vgl. Stange, Waldemar/Meinhold-Henschel, Sigrid/ Schack, Stefan (2008), www.kinderpolitik.de und den Diskurs bei der Stiftung Mitarbeit und der Bertelsmann Stiftung).

Die Projekte sollen ein Empowerment ermöglichen, schon das Erlebnis, dass das eigene Handeln Wirkung zeigt (Selbstwirksamkeitserfahrung), fördert Selbstbewusstsein. Kontinuierlich engagierten Jugendlichen werden Fortbildungen angeboten, um diesen Prozess zu verstärken.

Jugendbeteiligung kann auch zu einer beteiligungsfreundlichen Haltung der Erwachsenen und zu einer Beteiligungskultur im Stadtteil beitragen (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2015).

Abläufe

Die Prozesse in den verschiedenen Stadtteilen verlaufen unterschiedlich. Meist geht die Initiative von den Stadtteilpolitiker/innen aus. Eine gute Kooperation mit Schulen, außerschulischer Jugendbildung und Jugendhilfe ist unerlässlich. Nach dem Bremischen Kinder-, Jugend-, und Familienförderungsgesetz ist die Jugendhilfe generell der Partizipation verpflichtet. Dort heißt es: »Junge Menschen und ihre Familien sind … im Bereich der Jugendhilfe … zu beteiligen.« (Freie Hansestadt Bremen 1998). Mit dem Rahmenkonzept zur offenen Jugendarbeit wurde die gemeinwesenorientierte Beteiligung junger Menschen ebenfalls zur Aufgabe der offenen Jugendarbeit. Das Rahmenkonzept regelt die Jugendförderung in der Stadtgemeinde Bremen und beschreibt Jugendhilfeplanung, Arbeitsfelder und Qualitätsentwicklung der Jugendförderung (Freie Hansestadt Bremen 2015).

Ein Vorlauf von ein bis zwei Jahren bis zur Bildung eines Jugendbeirats ist üblich. Häufig gibt es vier Etappen zur Entwicklung eines Projekts:

  • Politische Willenserklärung des Stadtteilbeirats. Der Beirat verständigt sich auf eine Ressource, oft die Höhe eines Jugendbudgets, aktuell zwischen 2.500 und 10.000 €. Die Ortsämter überprüfen, ob die Entscheidungen der Landeshaushaltsordnung und den Ausführungsbestimmungen entsprechen.
  • Mit Jugendeinrichtungen und Schulen werden Zeitplan und Aufgabenteilung verabredet. Die Jugendlichen benötigen eine feste Kontaktperson, die das Projekt begleitet und die Jugendlichen unterstützt. Wer diese Aufgabe übernehmen kann, wird geklärt.
  • Der Vorschlag für ein Beteiligungsprojekt wird mit Jugendlichen erörtert. Dabei diskutieren die Jugendlichen ein potenzielles Modell der Jugendbeteiligung.

Mögliche Formen dieser ersten Diskussion sind:

  • Jugendforum oder Beteiligungstag während der Schulzeit, zu dem interessierte Jugendliche vor allem über Schulen eingeladen werden
  • Jahrgangsveranstaltungen in den Schulen, bei denen erfahrene Jugendbeiräte ihre Arbeit vorstellen und erste Ideen von Jugendlichen eingebracht werden können
  • Klassenbesuche mit erfahrenen (Jugend-)Beiräten, bei denen die Idee des Projektes beraten wird
  • SV-Konferenzen, bei denen die Klassensprecher/innen informiert werden und Ideen einbringen.

Auf der Grundlage dieser Beratung wird ein Projekt, möglicherweise der Modus zur Bildung eines Jugendbeirats durch den Stadtteilbeirat verabschiedet (Wahlordnung).

Ergebnisse

Legale Graffitiflächen, die Rampe auf dem Skate-Platz, Konzerte, ein Open Air Festival, ein befestigter Weg zum Fußballplatz, Begrünung am Straßenrand – viele Aktionen für Kinder- oder Jugendeinrichtungen und aktuell vor allem viele Flüchtlingsprojekte werden von Jugendlichen entwickelt, unterstützt oder durchgeführt.

Jugendbeteiligung wird zu einem öffentlichen Faktor. Auf der Webseite www.jubis-bremen.de gibt es einen Überblick über die Stadtteilprojekte. 5 bis 10 % ihrer Mittel geben die Stadtteilbeiräte in Bremen in Jugendfonds oder reservieren sie, damit über sie von Jugendlichen entschieden werden kann.

Bei vielen Jugendlichen beobachten wir ein Empowerment. Die Jugendlichen engagieren sich – trotz der Nähe zur Kommunalpolitik – ganz überwiegend nicht parteipolitisch.

In einer gemeinsamen Erklärung zur Jugendbeteiligung im Stadtteil (Bremer Erklärung zur Jugendbeteiligung im Stadtteil 2015) verständigten sich Jugendliche mit Erwachsenen aus Jugendhilfe und Kommunalpolitik auf Grundsätze zur Jugendbeteiligung, darunter »ein eigenes Budget.«

Um die stadtteilorientierte Jugendbeteiligung in Bremen strukturell zu verankern, sind weitere Schritte erforderlich. Dazu werden Module gemeinsam erarbeitet, die in einer virtuellen »Beteiligungskiste« allen zur Verfügung gestellt werden (Freie Hansestadt Bremen 2016).

Faktische Grenzen bilden die personelle Situation der Ortsämter und der Jugendhilfe, die die Projekte unterstützen.

Vanessa Stelter, Auszubildende, Mitglied des Jugendparlaments Gröpelingen/ Oslebshausen von 2011 bis 2015:
»Ich habe gelernt, selbstbewusster zu sein. Zu Anfang habe ich wenig geredet, während heute das Sprechen vor Erwachsenen selbstverständlich für mich ist. Ansonsten bin ich weniger verbissen und probiere, schwierige Themen immer mal wieder auf den Tisch zu bringen, wenn nicht gleich eine Lösung gefunden wird.«

Florian Boehlke, Ortsamtsleiter Burglesum:
»Viele Kommunen haben eine angespannte Haushaltslage und werden mit der Frage konfrontiert, nun auch noch ein bestimmtes Budget in die Hände von Jugendlichen zu geben. Können wir uns das überhaupt leisten? Ja, lautet die Antwort. Durch eine aktive Jugendbeteiligung mit einem eigenen Budget werden Projekte von Jugendlichen für Jugendliche gefördert. Dieses hat zur Folge, dass öffentliche Gelder noch zielgerichteter in den Jugendbereich fließen. Darüber hinaus habe ich die Erfahrungen gemacht, dass die Jugendlichen sehr verantwortungsvoll mit größeren Budgets umgehen und sehr gewissenhaft ihre Entscheidungen abwägen. Das stärkt die Jugendlichen enorm in ihrem Selbst- und Verantwortungsbewusstsein.«

Literatur und Links