Methodenbeschreibung

Seite 1: Methode
Tipp

»My question was a simple one: Was it possible to combine the level synergy and excitement present in a good coffee break with the substantive activity and results characteristic of a good meeting?«
- Harrison Owen, Originator of Open Space Technology

Open Space ist Organisation von Rau m und Zeit für die Anliegen der Menschen, die in einem »offenen Raum« zusammenkommen, um ein ihnen wichtiges Thema selbstorganisiert und selbstverantwortet zu bearbeiten. Ziel ist es, einen Raum zu schaffen, der es den Teilnehmer/innen ermöglicht, ihre Anliegen mit anderen Interessierten zu bearbeiten. Es wird (fast) nichts vorgegeben. Open-Space vertraut auf die Eigenverantwortung der Beteiligten.

Sollen viele Menschen in kurzer Zeit an einem Veränderungs- und Klärungsprozess beteiligt werden und soll gleichzeitig auf Selbstorganisation, Selbstverantwortung und Partizipation Wert gelegt werden, dann ist ein Open Space Prozess richtig. Die Methode ist in jeder Hinsicht ungewöhnlich, da sie mit allen Formaten und Regeln klassischer Konferenzen bricht.

Zielsetzung der Methode

Im Open Space kommen Menschen in einem offenen Raum zusammen, um ein ihnen wichtiges Thema selbstorganisiert und selbstverantwortet zu bearbeiten. Die Methode ist dabei Mittel zum Zweck. Sie verfolgt keine eigenen Ziele – in keinem Falle im Blick auf das Thema und die Inhalte.

Tipp

Das Ziel liegt allein darin, einen Raum zu schaffen, der es den Teilnehmer/innen ermöglicht, ihre Anliegen zum Thema mit anderen Interessierten zu bearbeiten.

Open Space als Methode schafft den Rahmen, indem sie Struktur, Raum und Zeit organisiert. Open Space bietet die Voraussetzung für einen lebendigen Austausch und die eigenverantwortliche Arbeit an einem wichtigen Thema. Es wird (fast) nichts vorgegeben. Open Space vertraut auf die Kräfte der Teilnehmenden.

Seite 2: Ablauf

Ablauf

Es klingt wie ein Rezept für sinnloses Chaos: 50 oder 300 oder mehr Menschen finden sich für einen bis zweieinhalb Tage an einem Ort zusammen und haben keine vorher festgelegte Tagesordnung. Doch was Chaos und einen wenig fruchtbaren Zeitvertreib vermuten lässt, ist eine sehr produktive und dynamische Konferenz.

In vielen Meetings findet Entscheidendes in der Kaffeepause statt. Menschen lernen sich kennen, tauschen Informationen aus, vertiefen das soeben Gehörte, knüpfen Kontakte und verabreden sich für weiterführende Projekte. Dies passiert in einem Rahmen, der neben dem Treffpunkt, der Zeit und eben dem Kaffee zunächst keine weiteren Vorgaben macht. Alles andere geschieht allein durch das Engagement und die Initiative der Teilnehmenden.

Die Kraft, die dabei wirksam ist, ist allein die Fähigkeit zur Selbstorganisation der Teilnehmenden. Dieses Modell der Kaffeepause steht Pate beim Open Space.

Tipp

Ein für die Organisation wichtiges Thema wird mit Hilfe einiger weniger Regeln in einem Raum- und Zeitschema von den Teilnehmenden bearbeitet – und den Kaffee gibt es zu jeder Zeit dazu.

Vorbereitung

Was geschieht beim Open Space?

Einige Wochen vor der Konferenz erhalten die Teilnehmenden eine Einladung zu einer Konferenz mit einem wichtigen Thema für ihre Organisation, für das Gemeinwesen, in dem sie leben, für eine wichtige Herausforderung.

Die Einladung benennt die Zeit, wann die Konferenz stattfindet und sie benennt den Ort, wo diese stattfindet. Die Teilnehmenden werden eingeladen, ihre Themen mitzubringen, Themen, zu denen sie als Expert/innen oder als Laien einen Beitrag leisten wollen.

Irritierend ist, dass in der Einladung Zeiten der gemeinsamen Arbeit genannt werden, jedoch keine sonst übliche Tagesordnung zu finden ist. Alles dies, so die Einladung, gestalten die Teilnehmenden vor Ort. Alle, die »normale« Konferenzen gewöhnt sind, sind spätestens jetzt irritiert.

Open Space Exemplarischer Ablauf 2,5 Tage © VISION

1. Tag2. Tag3. Tag4. Tag
MorgensEinführung O-S Agenda MarktplatzMorgennachrichten AnkündigungenMorgennachrichten Ankündigungen
Vormittag

 

1. Arbeitsgruppen

4. Arbeitsgruppen

5. Arbeitsgruppen

Sichten der Er-
gebnisse, Priorisieren, Bildung von AGs, Verabredungen

Nachmittag

 

 

 

ankommen 
warming up
sich finden

2. Arbeitsgruppen

3. Arbeitsgruppen

Abendnachrichten Reflexion

6. Arbeitsgruppen

7. Arbeitsgruppen

Abendnachrichten
Reflexion

Abschlussrunde





Beginn

Der erste Eindruck zu Beginn der Konferenz sind offene Räume. In einem großen Raum stehen Stühle für alle Teilnehmenden in einem Kreis. In der Mitte ist Freiraum. Auch sonst gibt es Räume und Zonen, in denen Stuhlkreise aufgestellt sind, Arbeitsmaterialien bereitliegen. Sie laden ein, sich zu gemeinsamen Themen zu treffen und um ein gemeinsames Anliegen zu scharen.

Open-Space = Offene Räume.

Zur Begrüßung nehmen alle Teilnehmenden im Kreis Platz. Alle sehen sich. Der Kreis ist die ursprüngliche Form für Gemeinschaft und Dialog. Er ist frei von Hierarchie. Es gibt eine Mitte.

Ein zweiter Eindruck: Leere. Die Mitte: leer. Die Agenda der Tagung: leer.

Die Initiatorin der Konferenz begrüßt die Teilnehmenden. Sie nennt das Thema und bedankt sich für die Teilnahme aller. Sie erzählt von ihrer Motivation zum Thema, von den Anliegen, die zur Idee der Konferenz führten und von der besonderen Form dieser Veranstaltung.

Dann übergibt die Initiatorin an die Person, die den Open Space begleitet – man spricht hier nicht von Moderation. Der Begleiter erläutert einige wenige Prinzipien und die einzige Regel der Methode (siehe unten). Das Thema wird genannt und die Teilnehmenden werden aufgerufen, ihr Anliegen auf einen der Themenzettel, die in der Mitte bereitliegen, zu notieren.

Anschließend stellen die Teilnehmenden ihre Anliegen vor. So entsteht aus vielen einzelnen Anliegen die Agenda der Veranstaltung. Die Initiator/innen der Anliegen heften anschließend ihren Themenzettel an die Pinnwände der Agenda in die Zeiteinheit, in der sie das Anliegen bearbeiten wollen.

Eine Haftnotiz zeigt, in welchem Raum die Gruppe sich später treffen wird. Nach einer Stunde ist die Agenda fertig und gefüllt mit Anliegen und Ideen.

Auf dem nun folgenden Marktplatz studieren die Teilnehmenden die Anliegen und dokumentieren mit ihrem Namenszeichen auf dem Themenzettel, dass sie vielleicht teilnehmen werden.

Anliegengruppen

Die Teilnehmenden finden sich nun in »ihren« Arbeitsgruppen, an denen sie wirkliches Interesse haben. Sie sind zu nichts verpflichtet. Sie dürfen hingehen, weggehen, dableiben solange sie wollen und Interesse haben.

Die Initiator/innen begrüßen und führen in ihr Thema ein. Sie dürfen ihren Workshop leiten, sie dürfen aber auch »nur« teilnehmen. Sie dürfen alles selbst oder auch nichts machen, sie dürfen präsentieren und Vorträge halten, sie können aber auch Fragen stellen und oder nur zuhören. Es gibt keine Vorgaben. Selbstorganisation ist das Prinzip. Je nach Dauer des Open Space finden 3 bis zu 7 Einheiten mit Anliegengruppen statt. Bei mehrtägigen Veranstaltungen findet sich die ganze Gruppe zu Reflexion und Ankündigungen in den Morgen- und Abendnachrichten.

Handlungsplanung

In der letzten Einheit einer Open Space Konferenz finden sich die Teilnehmenden wieder im Plenum. Sie erhalten die Berichte aller Anliegengruppen. Diese Berichte haben die Gruppen erstellt, um über wesentliche Ergebnisse ihrer Diskussion zu informieren. Eine alternativ Methode sind Ergebnisplakate, die im Anschluss an die Arbeitsgruppen in einer Info-Zone veröffentlicht werden. Die Teilnehmenden informieren sich über die Ergebnisse, ggf. priorisieren sie mit Blick auf das Thema das Wesentliche und Dringliche.

In der nun folgenden Phase haben alle die Gelegenheit, wesentliche Erkenntnisse und Themen zu benennen und zum weiteren Engagement einzuladen. Dies geschieht in einer ähnlichen Form wie das Agenda-Setting am Anfang der Konferenz. An informellen Treffpunkten zu jeder Initiative finden sich Gleich-Interessierte zu einer ersten Absprache zusammen.

Abschluss

Am Ende versammeln sich alle ein letztes Mal im Kreis. Das Mikrofon wandert von Teilnehmerin zu Teilnehmer, Gelegenheit, persönliche Eindrücke und Resümees zu formulieren. Hier endet die Konferenz wie sie begonnen hat: Die Teilnehmenden nehmen sich als große Gemeinschaft wahr. Jede/r wird gehört. Die Initiatoren der Konferenz verabschieden die Teilnehmenden und formulieren ihr persönliches Feedback. So endet die Konferenz.

Seite 3: Wichtige Aspekte bei der Umsetzung

Wichtige Aspekte bei der Umsetzung

Im Open Space gibt es vier Prinzipien und ein Gesetz. Sie werden zu Beginn erläutert und im Raum visualisiert. Sie beschreiben die Kultur dieser Konferenz.

1) Die da sind, sind die Richtigen.

Alle, die »da« sind und alle, die»nicht da sind«, haben jeweils eine Entscheidung getroffen, eine Entscheidung für ihr Thema. Das Prinzip verweist auf diese Wahlfreiheit im Open Space: die, die da sind, sind die Richtigen. Denn sie haben Interesse und Motivation zur Mitwirkung. Allein darauf kommt es an.

2) Was auch immer geschieht: Es ist das Einzige, was geschehen konnte.

Oft verbinden wir mit dem, was wir tun, ganz konkrete Erwartungen. Ein Ergebnis ist nur dann »gut«, wenn es unseren Erwartungen entspricht. Dieses Prinzip erinnert an das Loslassen im Blick auf den Verlauf und das Ergebnis. Egal was passiert, es ist das, was geschehen konnte.

3) Es fängt an, wenn die Zeit reif ist.

4) Vorbei ist vorbei. Nicht vorbei ist nicht vorbei.

Diese beiden Prinzipien erinnern uns an den Umgang mit der Zeit. Workshops im Open Space beginnen zu einer festgelegten Uhrzeit. Manchmal beginnen sie dann aber noch nicht wirklich, sondern es braucht seine Zeit (Ereigniszeit), um zum Wesentlichen zu gelangen. Im Blick auf diese erlebte Zeit geht es meist später erst richtig los. Es beginnt, wenn es beginnt.

Auch der Endzeitpunkt ist im Open Space offen: Wenn es vorbei ist, dann ist es zu Ende. Das kann nach 20 Minuten sein oder erst nach einer Stunde oder noch später. Wichtig ist, dass wir Schluss machen, wenn wir am Ende angekommen sind.

5) Das Gesetz der zwei Füße … und Menschen, die »Hummeln« oder »Schmetterlingen« gleichen.

Das ist die einzige wirkliche Verpflichtung im OpenSpace: Teilnehmende müssen mit den Füssen abstimmen. Sie gehen in die Anliegengruppen, in denen sie mitwirken wollen, sie gehen weg, wenn sie das Interesse verlieren und meiden Gruppen, in denen sie nichts bewirken können.

Menschen, die von diesem Gesetz regen Gebrauch machen, sind im Open Space wie Hummeln. Sie »fliegen« von Gruppe zu Gruppe und tragen Ergebnisse und Eindrücke (»Nektar«) hin und her. Schmetterlinge besuchen keine Gruppe, sitzen nur da oder finden sich in informellen Gruppen, z.B. an der Kaffeebar. Aber auch da passiert oft Wesentliches.

5) Augen auf! Mit Überraschungen ist zu rechnen!

Dieser Appell betont nochmal das Überraschende, das Ungeplante im Verlauf und Ergebnis. Es appelliert an das Loslassen und die Offenheit.

Notwendiger organisatorischer Rahmen

Die Planung einer Open Space Konferenz sollte – ganz partizipativ – mit einer »Spurgruppe« erfolgen, die in ihrer Zusammensetzung alle Interessensgruppen am Thema repräsentiert. Diese Gruppe sollte das Thema definieren, beraten, wer eingeladen werden soll und die organisatorischen Rahmenbedingungen klären. Diese Gruppe trifft sich zwei- bis dreimal vor der Konferenz.

Ansonsten braucht ein Open Space

  • ein Thema, das bewegt, motiviert und begeistert
  • einen großen Raum für das ganze Plenum im Kreis
  • Treffpunkte und Räume für die Arbeitsgruppen (Faustregel: Anzahl der Teilnehmer/innen geteilt durch 10)
  • die Prinzipien und das Thema der Veranstaltung als Großplakate im Raum
  • Zettel und Stifte für die Anliegen der Teilnehmenden
  • die Agenda mit den Zeiten der Arbeitsgruppen und den Haftnotizen für die Räume.
Tipp

Für die Durchführung braucht es eine erfahrene Begleitung. Ihre Aufgabe ist es, den Rahmen der Veranstaltung mit seiner besonderen Kultur präsent und unauffällig zu begleiten. Sie ist allein für den Prozess verantwortlich, nicht für den Inhalt.

Seite 4: Anwendungsfelder

Anwendungsfelder

Wichtige Voraussetzungen für einen Open Space:

  • Die Aufgabe ist komplex und konfliktträchtig.
  • Die Lösung ist unbekannt, Ergebnisse sind offen.
  • Die Sache brennt allen unter den Nägeln.
  • Die Gruppe ist ein Spiegel des ganzen Systems.
  • Vorgegebenes und die Rahmenbedingungen des Prozesses sind bekannt.

Es gibt viele Gelegenheiten im Open Space zu arbeiten. Das Verfahren ist immer dann sinnvoll, wenn ein hohes Maß an Beteiligung gewünscht ist, wenn es um offene Fragen und Themen geht, wenn Wissen und Erfahrung zu einer wichtigen Frage zusammengebracht werden sollen. Es kann Kick-Off für ein Thema oder Abschluss eines Projektes oder Veränderungsprozesses sein. Ein Open Space hilft, unterschiedliche Interessen zu fokussieren und neue Handlungsideen zu generieren. Es geht mit jungen und älteren Menschen, in allen Organisationen und allen Kulturen, weltweit.

Es gibt wenige Situationen in denen Open Space nicht angewendet werden sollte:

  • Es handelt sich nur um »Schein-Beteiligung«, da Ergebnisse feststehen oder Gestaltungsräume nicht vorhanden sind.
  • Es gibt einen eskalierten Konflikt und Interessengruppen stehen sich unversöhnlich gegenüber.
  • Die Rahmenbedingungen – »Givings« – der Beteiligung sind nicht offen kommuniziert und unklar.
  • Die Teilnehmer /innen erfahren erst nach der Konferenz, dass bestimmte Dinge nicht möglich sind.

Stärken und Grenzen der Methode

Wenn die Voraussetzungen stimmen, dann gibt es bei der Durchführung der Methode viel Licht und wenig Schatten. Der hohe Beteiligungsgrad, die Energie, die Kultur während und nach einer solchen Konferenz sind wirkliche Stärken. Schwächen entstehen da, wo trotz fehlender Voraussetzungen die Methode angewendet wird. Dies ist aber keine spezifische Schwierigkeit des Open Space. Die Methode teilt dabei das Schicksal anderer Methoden: Wenn sie nicht »passend« eingesetzt werden, verfehlen sie Ihre Wirkung.

Literatur und Links

  • Owen, Harrison (2001): Open Space Technology. Ein Leitfaden für die Praxis, Stuttgart.
  • Maleh, Carole (2000): Open Space: Effektiv arbeiten mit großen Gruppen. Ein Handbuch für Anwender, Entscheider und Berater, Weinheim/Basel.
  • Pannwitz, Michael M. (2010): Meine open space Praxis, Berlin/Bonn.
  • Scholz, Holger / Vesper, Roswitha (2010): open space technology. Lernlandkarte Nr. 1, Much/Eichenzell.
  • Seliger, Ruth (2008): Einführung in die Großgruppen-Methoden, Heidelberg.
  • OpenSpaceWorld.org