Methodenbeschreibung

Seite 1: Start, Interessen erkunden, Rollen klären, Ortsbegehung

Ein guter Start ist die halbe Miete

Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern zu planerischen Fragestellungen – wie kann man diese Aufgabe in der Praxis gestalten? Die Planungswerkstatt bietet dazu einen guten methodischen Rahmen. Grundsätzlich gilt: Eine Planungswerkstatt bewährt sich nur dann, wenn mit ihrer Hilfe die Ziele für eine konkrete Fragestellung erreicht werden. Einzelne methodische Bausteine bieten hier eine gute Hilfe und werden im Folgenden beschrieben. Es empfiehlt sich darüber hinaus eine gute Portion Kreativität und Flexibilität, um ein maßgeschneidertes Konzept zu entwickeln. Für die Beschreibung der individuellen Ausgangs- und Wunschsituation können folgende Fragen hilfreich sein:

  • Was ist das Wunschergebnis? Möchten Sie erst einmal gute Ideen für die Gestaltung eines Raumes sammeln, soll das Ergebnis 3 bis x Planungsalternativen bestehen, wünschen Sie sich ein Meinungsbild zu priorisierten Lösungen, geht es um die Motivation der Beteiligten für eine zukünftige Zusammenarbeit?
  • Welche Handlungsspielräume gibt es? Welche Potenziale können Sie für sich nutzen (Einbindung von Befürworter/innen, Aktualität des Themas, politische Priorität, Fördergelder) und welche Bindungen müssen Sie beachten (politische Vorgaben, Interessen von Eigentümer/innen oder Interessengegensätze wichtiger Akteure, räumliche Restriktionen)?
  • Wie wird die Planungswerkstatt in politische oder privatwirtschaftliche Entscheidungsprozesse eingebunden? Wer muss im Vorfeld oder ggf. bei der Veranstaltung eingebunden werden, weil er/sie wesentliche Entscheidungen mit fällt? Wer würde eher stören? Wie kann die Planungswerkstatt im Vorfeld optimal vorbereitet werden und was ist im Anschluss wichtig, damit die Ergebnisse umgesetzt werden können?

Methodische Bausteine für einen guten Verlauf

Interessen der Akteure herausfinden

Planungsprozesse leiten eine Veränderung des Lebensumfeldes von Menschen ein. Eine wichtige Voraussetzung für einen sachlichen Dialog ist, die Interessen der wesentlichen Akteure (Bürger/innen, Eigentümer/innen, Multiplikator/innen) im Vorfeld zu kennen und diese transparent zu machen. Diese Interessenanalyse ist besonders wichtig, wenn durch einen Planungsprozess negative Konsequenzen (Neubauten, erhöhtes Verkehrsaufkommen, Wegfall von Grünflächen) befürchtet werden oder wenn wichtige Entscheidungsträger mit ins Boot geholt werden sollen.

Ganz konkret bedeutet Interessenanalyse, im Vorfeld Gespräche mit den wesentlichen Akteuren zu führen. Mögliche Fragen sind:

  • Welche Chancen und Risiken verbinden Sie mit dem Vorhaben bzw. sehen Sie für die Entwicklung eines bestimmten Raumes?
  • Welche Themen müssen aus Ihrer Sicht bei der Planungswerkstatt angesprochen werden?
  • Welche Erwartungen haben Sie an die Gesprächs- und Arbeitssituation?


Es empfiehlt sich, die wesentlichen Ergebnisse in einem öffentlichen Bericht (teilweise anonymisiert) zusammenzufassen. Er ist eine wesentliche Grundlage für einen konstruktiven Dialog.

Rollen klären

Eine wichtige Voraussetzung für eine gelungene Veranstaltung ist die Klärung der Rollen der Beteiligten:

  • Für die Bürgerinnen und Bürger liegt diese auf der Hand. Sie bringen Ihre persönlichen Interessen und ihre Kenntnisse über die Situation vor Ort im Rahmen der aufgezeigten Handlungsspielräume ein.
  • Die Moderation sorgt dafür, dass die Rahmenbedingungen für den gemeinsamen Dialog stimmen. Sie trägt Sorge für eine Orientierung in Richtung auf die formulierten Ziele und Spielregeln, ist Zeitwächter und vermittelt zwischen den Akteuren. Darüber hinaus sorgt sie für die Sicherung von wesentlichen Ergebnissen (Qualitätsstandards, Vereinbarungen, offene Fragen).
  • Die Planerinnen und Planer haben eine Berater- und Dienstleisterfunktion. Sie bringen auf Nachfrage ihr fachliches Know-how ein und unterstützen die Bürgerinnen und Bürger bei der Visualisierung ihrer Ideen.
  • Sind politische Vertreter/innen anwesend, so sollten diese in erster Linie die Funktion von Zuhörer/innen haben. Darüber hinaus haben sie die Aufgabe, die Ergebnisse in ihre politischen Gremien zu tragen und darüber zu beraten.


Ortsbegehung

Als Voraussetzung für den eigentlichen Werkstattermin empfiehlt sich eine Ortsbegehung mit allen Beteiligten. Der Planungsraum wird bei dieser Gelegenheit noch einmal mit allen Sinnen erfasst. Zentrales Ziel ist, ein Gefühl für die räumlichen Dimensionen zu bekommen bzw. diese aufzufrischen, räumliche Potenziale (z.B. für Bebauungen) zu ermitteln und »Juckpunkte« – also Punkte, an denen es schwierig werden könnte – zu identifizieren. Die Planer/innen und die Moderation haben die Aufgabe, die wesentlichen Ergebnisse z.B. in Form von Skizzen festzuhalten.

Für die Durchführung gibt es verschiedene Möglichkeiten. Optimalerweise findet die Planungswerkstatt direkt im oder am Planungsgebiet statt, so dass die Teilnehmer/innen während des gesamten Verlaufes der Werkstatt ihr Bild von der Situation vor Ort erneuern können. Ist der Raum zu großflächig oder weiter entfernt, empfiehlt sich eine Ortsbegehung einen Tag vor dem eigentlichen Werkstatt-Termin. Die Planer/innen haben in diesem Fall die Möglichkeit, die Ergebnisse aufzubereiten und in der eigentlichen Planungswerkstatt gebündelt zu präsentieren.

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Werkstatt-Termin(e)

Zunächst ist die Frage zu beantworten, ob ein Werkstatt-Termin ausreicht oder ob ggf. mehrere Termine sinnvoll sind. So hat beispielsweise die Planungswerkstatt für ein ehemaliges Industriegebiet (750 ha) in den Städten Recklinghausen und Herten eine Woche gedauert. In dieser Zeit fanden drei öffentliche Veranstaltungen statt. Die Notwendigkeit für einen solchen, etwas aufwendigeren Prozess, kann gegeben sein, wenn die Aufgabenstellung komplex ist oder es sehr gegensätzliche Interessen gibt.

Bei einem ersten Termin wurden in diesem Fall die Interessen der Grundeigentümer im Rahmen einer »Talkrunde« dargestellt. Im weiteren Verlauf haben die Bürgerinnen und Bürger und die Multiplikatoren gute Ideen für die Gestaltung der Fläche gesammelt, ohne diese zu verräumlichen. Es ging darum, zunächst einmal eine Vielzahl von gewünschten Qualitäten und Ideen zu sammeln und Prioritäten zu bilden. Erst im weiteren Werkstattprozess wurden die Ideen dann gemeinsam mit Landschaftsarchitekten in Form von Leitbildern und konkreten Maßnahmen auf die Fläche projiziert. Die Trennung von Ideensammlung, Bewertung und Übertragung auf den Raum bewährte sich. Die Praxis in solchen komplexen Planungssituationen zeigt: Überspringt man die ersten Schritte, zeigen sich die Konflikte und Interessengegensätze erst bei der Arbeit an Plänen und Skizzen. Eine konstruktive Erarbeitung von Planungsvarianten ist dann viel schwieriger.

Sind die Rahmenbedingungen z.B. durch politische oder räumliche Vorgaben sehr klar, genügt in den meisten Fällen ein Werkstatt-Termin. Man wird jedoch auch hier nicht darum herumkommen, die Diskussion um gewünschte Qualitäten zu führen. So wurde beispielsweise bei einer Planungswerkstatt in Soest, bei der eine innenstadtnahe Fläche im Mittelpunkt der Betrachtung stand, vor der eigentlichen Entwurfsarbeit folgenden Fragen in Kleingruppen nachgegangen: Was sind Qualitäten der Lage? Was soll die Bebauung bewirken? Was darf auf keinen Fall entstehen? Welche Ideen gibt es schon? Die Ergebnisse bildeten eine wesentliche Grundlage für die nachfolgende Entwurfsarbeit.

Die Arbeit mit Plänen und am Modell

Die Umsetzung von Ideen in planerische Skizzen oder Modellvarianten ist ein kreativer Prozess, in dem ein wenig Chaos erlaubt oder sogar erwünscht ist. Man stelle sich einen großen (am besten hellen und lichtdurchfluteten) Raum vor, in dem – je nach Teilnehmerzahl und Aufgabenstellung – 1 bis x große Tische stehen. Auf den Tischen liegen Pläne in verschiedenen Maßstäben, Skizzenpapier und bunte, grobe Stifte. Optimalerweise stehen daneben ein oder zwei Pinnwände, an welche Pläne, Zwischenergebnisse etc. gepinnt werden können.

Eine kostenaufwendigere Variante ist die Arbeit an einem Modell. So standen beispielsweise bei den Mieterwerkstätten in einer Arbeitersiedlung in Essen-Katernberg die Mieterinnen und Mieter rund um ein 1 x 1 Meter großes Modell ihres Quartiers und probierten gemeinsam mit den Planern in Form von kleinen Holzhäusern verschiedene Bebauungsvarianten aus, deren Vor- und Nachteile gemeinsam erörtert wurden. Die Planer/innen haben in dieser Phase eine sehr wichtige Aufgabe. Sie sollten die Ideen der Bürger aufgreifen und diese bei der Darstellung im Modell oder in Form einer Skizze unterstützen. Die Bürgerinnen und Bürger haben meistens eine große Scheu, die Stifte selbst in die Hand zu nehmen. Hier ist viel Fingerspitzengefühl gefragt, die Bürgerinnen und Bürger einerseits zum Visualisieren zu ermutigen und andererseits für sie als Dienstleister stellvertretend Ideen zu visualisieren.

Die Moderation hat die Aufgabe, den Prozess durch gezieltes Nachfragen zu unterstützen und zwischen Planer/innen und Bürger/innen zu vermitteln. Eine wichtige Aufgabe ist z.B. die Visualisierung von Vor- und Nachteilen von Planungsvarianten.

Präsentation

Die Ergebnisse des Entwurfsprozesses sind für einen Außenstehenden in der Regel nicht auf den ersten Blick zu erfassen und zu verstehen. Da gibt es verschiedene Planungsskizzen zu unterschiedlichen Themen. Da wurden Modellvarianten mit Vor- und Nachteilen erarbeitet, die dann fotografisch festgehalten wurden. Sind die Ergebnisse durch eine entsprechende Visualisierung der Moderation und der Planer/innen gut strukturiert, kann eine abschließende Präsentation der Ergebnisse am Ende des Werkstatt-Termins und eine Darlegung der weiteren Vorgehensweise ausreichen.

In vielen Fällen empfiehlt sich jedoch ein nachgeschalteter Präsentationstermin. So wurden den Mieterinnen und Mietern in Essen-Katernberg beispielsweise ca. eine Woche nach dem Werkstatt-Termin die Ergebnisse – planerisch aufbereitet – präsentiert. Sie hatten an diesem Termin noch einmal die Möglichkeit, inhaltliche Anmerkungen und Ergänzungen zu machen.

Chancen

  • Das Ideenspektrum der Planer/innen wird um die Ideen bzw. die konkreten Ortskenntnisse von Bürgerinnen und Bürgern bzw. Multiplikator/innen erweitert.
  • Die Interessen und Ideen der Beteiligten werden in räumliche Planungsvarianten »gegossen«. Diese bilden eine gute Grundlage für weitere Entscheidungsprozesse (z. B. Bebauungsplanverfahren).
  • Das Verständnis der Bürger/innen für planerische Fragestellungen und öffentliche Interessen wird geschärft und die Akzeptanz für die Planungen erhöht.

Grenzen

  • Die Planungswerkstatt ist kein Instrument zur Konfliktlösung. Sie muss in diesem Fall um entsprechende Methoden (Interessenanalyse, Runder Tisch) ergänzt werden.
  • Bürgerinnen und Bürger sind keine Planer/innen. Die Ergebnisse einer Planungswerkstatt sind keine qualitativ hochwertigen, abgewogenen Pläne, sondern Ideenskizzen, Varianten etc., die in einen weiteren Bearbeitungs- und Entscheidungsprozess einfließen.
  • Der Dialog zwischen Planer/innen und Bürgerinnen gestaltet sich manchmal schwierig. Die verständliche Darstellung von Planungsaspekten ohne »Fachchinesisch«, das Eingehen auf die Interessen und Ideen der Bürger/innen – beides sind große Herausforderungen.

Fazit

Eine Planungswerkstatt bietet den Raum für gemeinsame Lernprozesse zwischen Planer/innen, Bürger/innen und anderen Beteiligten. Produkt sind qualitativ gute und von den wesentlichen Akteuren gemeinsam getragene Lösungen, die weitere Entscheidungsprozesse verkürzen und erleichtern.

Autor

Bianca Bendisch
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