Methodenbeschreibung

Seite 1: Enstehung der Methode, Vorbereitung

Entstehung der Methode

Bei der Arbeitsbuchmethode handelt es sich um einen aufsuchenden Ansatz der Bürgerbeteiligung, der in den 1970er Jahren von dem norwegischen Landschaftsarchitekten und -planer Johs Oraug entwickelt wurde. Oraug war damals beim Norwegischen Institut für Stadt- und Regionalforschung tätig und leitete später ein Planungsbüro in Oslo.

Als Sonderfall der aktivierenden Befragung wurde die Arbeitsbuchmethode nicht nur in Norwegen, sondern auch in Schweden und in Dänemark häufig angewandt. Als besonders geeignet erwiesen sich hierbei Wohngebiete und Stadtteile, in denen es soziale Probleme zu lösen galt. Aber auch in lokalen Agenda-Prozessen sowie bei Veränderungsprozessen innerhalb von Großorganisationen wurde die Methode eingesetzt.

Tipp

»Arbeitsbuchprozesse führten jeweils zu neuen Kenntnissen über die Bedarfe, Bedürfnisse und Meinungen der beteiligten Menschen, brachten unterschiedliche Bevölkerungsgruppen miteinander ins Gespräch und belebten die lokale Demokratie.« (Reinert, 2009)

Ablauf: Schrittweise Entwicklung von Lösungen durch die Arbeitsbuchmethode

Vorbereitung

Die Initiative für ein Arbeitsbuch-Projekt kann von Bewohner/innen eines Stadtteils, lokalen Initiativen oder auch von der Stadtverwaltung oder der Kommunalpolitik ausgehen. Die zu behandelnden Themen können ebenso unterschiedlich sein und mal mehr spezifisch auf eine konkrete Fragestellung zugespitzt, mal mehr allgemein gehalten sein, wenn es z.B. um das Thema eines besseren Zusammenlebens in einem bestimmten Stadtteil geht.

Vorab ist es in jedem Fall wichtig, ein räumlich klar abgrenzbares Gebiet mit 500 bis maximal 5.000 Haushalten zu definieren, in dem das Projekt durchgeführt werden soll. Zu klären ist im Vorfeld auch, ob vor Ort genügend Kooperationspartner/innen aus Politik und Verwaltung gewonnen werden können, die bereit sind, sich auf den Prozess und einzulassen.

Sodann kann mit der Bildung einer koordinierenden »Redaktionsgruppe« begonnen werden, deren Mitglieder durch eine heterogene Zusammensetzung möglichst unterschiedliche Gruppen und Interessen des Stadtteils abbilden. Die Redaktionsgruppe leitet das Arbeitsbuch-Projekt an und benennt aus ihrer Mitte einen/eine Koordinator/in, der/die idealerweise hauptamtlich eingesetzt wird. Er/sie gilt als Ansprechpartner/in nach innen und außen und setzt die Beschlüsse der Redaktionsgruppe inhaltlich und organisatorisch um.

Seite 2: Arbeitsbuch 1: Die Befragung im Stadtviertel, Arbeitsbuch 2: Die Bearbeitung der Befragungs-Ergebnisse

Arbeitsbuch 1: Die Befragung im Stadtviertel

Zunächst trägt die Redaktionsgruppe im sogenannten Arbeitsbuch 1 Fragen zu Thematiken zusammen, die für das definierte Stadtviertel von hoher Relevanz sind und die im Rahmen des Projektes bearbeitet werden sollen. Dabei helfen nicht nur die Erfahrungen der einzelnen Redaktionsgruppen-Mitglieder, sondern auch der Austausch mit anderen Personen aus dem Stadtviertel, wie z.B. mit Geschäftsleuten, Lehrer/innen, Erzieher/innen oder Sozialarbeiter/innen.

Der zusammengetragene Fragen-Katalog wird in einem kleinen »Pretest« auf Verständlichkeit geprüft und anschließend – als Arbeitsbuch 1 betitelt – abgedruckt. Jedoch handelt es sich weniger um ein Buch als vielmehr um ein heiter und lesefreundlich aufgemachtes A4-Heft von 16-24 Seiten Umfang. Darin enthalten sind viele Abbildungen, Zeichnungen oder auch Zeitungsartikel.

Neben einer kurzen Einführung, warum das Arbeitsbuch-Projekt ins Leben gerufen wurde, sind auf den ersten Seiten des Heftes Informationen zur gewählten Methode, zum Ablaufprozedere und den Personen enthalten, die an seiner Erstellung beteiligt waren.

Der eigentliche Fragebogen-Katalog startet meist mit einigen offenen Fragen, zum Beispiel zu allgemeinen Themen und Punkten, die für das Stadtviertel als wichtig empfunden werden. Im Anschluss daran werden unterschiedliche Problemfelder skizziert sowie außerdem Lösungsansätze und Meinungen, zu denen die Befragten Stellung nehmen können. Durch das offene Format können die Befragten auch eigene Ideen und Vorschläge einbringen. Gleichzeitig werden sie dazu ermutigt, sich selbst zu engagieren und im weiteren Verlauf des Projektes an der Findung von Lösungsmöglichkeiten mitzuarbeiten.

Das Arbeitsbuch 1 wird persönlich an die Bewohner/innen im Stadtteil verteilt und nach 10-14 Tagen wieder abgeholt. Für diese Aufgabe sollten Personen gewonnen werden, die vor Ort bekannt und vertraut sind, zum Beispiel durch ihre Arbeit in Vereinen und Organisationen. Idealerweise werden die Frage-Kataloge auch von möglichst vielen Vertreter/innen derjenigen Bevölkerungsgruppen verteilt, die im Stadtteil leben. Sie können bei ggf. auftretenden Schwierigkeiten als vertrauenswürdige Ansprechpartner fungieren.

Damit die Informationen über den Start, die Dauer und den Ablauf möglichst viele Bewohner/innen des betreffenden Stadtteils erreichen, wird das Arbeitsbuch-Projekt vorab über die Lokalpresse, Handzettel, Aushänge in Geschäften, in Schulen und örtlichen Vereine etc. angekündigt. Theoretisch lassen sich die Arbeitsbücher über Vereine, Schulen oder Geschäfte auch verteilen. Eine persönliche Haus-zu Haus-Verteilung ist jedoch in jedem Fall vorzuziehen.

Arbeitsbuch 2: Die Bearbeitung der Befragungs-Ergebnisse in Arbeitsgruppen

Sofern sich mindestens ein Viertel der Bewohner/innen des betreffenden Stadtteils am Arbeitsbuch-Prozess beteiligt haben, werden die Antworten und Ergebnisse aus dem Arbeitsbuch 1 im sogenannten Arbeitsbuch 2 zusammengetragen, abgedruckt und abermals an alle Bewohner/innen des Stadtteils ausgeteilt. Damit einher geht nochmals eine persönliche Einladung, sich an dem weiteren Verlauf des Projektes bzw. nun konkreter an einer oder mehreren Arbeitsgruppen zu beteiligen. Die verschiedenen Arbeitsgruppen werden nach inhaltlichen oder räumlichen Kriterien gebildet und auch Expertinnen und Experten aus relevanten Themenfeldern sowie Sachverständige aus der Verwaltung werden hierzu eingeladen. Im gemeinsamen Gespräch geht es darum, eine Rangordnung und Gewichtung der zusammengetragenen Thematiken/ Problemlagen vorzunehmen sowie konkrete Lösungsvorschläge, -möglichkeiten und -schritte zu entwickeln. Die hieraus hervorgehenden Ideen werden idealerweise gleichzeitig mit einer Kostenschätzung versehen und mit Angaben zu verfügbaren Haushaltsmitteln abgeglichen. Die Arbeitsgruppen, deren Arbeit in der Regel innerhalb von zwei Monaten abgeschlossen sein sollte, werden von Mitgliedern der ursprünglichen Redaktionsgruppe oder dem/der Koordinator/in moderiert.

Seite 3: Arbeitsbuch 3: Ergebnis-Zusammenfassung, Stärken der Methode, Literatur

Arbeitsbuch 3: Die Ergebnis-Zusammenfassung für Politik und Verwaltung

Schließlich werden aus den gemeinsam erarbeiteten Ideen der Arbeitsgruppen Handlungsempfehlungen abgeleitet und im sogenannten Arbeitsbuch 3 zusammengefasst. Auch diese Fassung wird nochmals an alle Bewohner/innen verteilt sowie abschließend Vertreterinnen und Vertretern aus Politik und Verwaltung vorgelegt. Von letzteren wird innerhalb eines zuvor vereinbarten Zeitraums aufgezeigt, ob, wann und wie die an sie gerichteten Vorschläge umgesetzt werden können. Ein entsprechender Umsetzungsbericht wird abgegeben.

Stärken der Arbeitsbuchmethode

Die Arbeitsbuchmethode kann dazu verhelfen, Veränderungsprozesse zu initiieren und einen nachhaltigen Dialog zwischen Betroffenen, Politik und Verwaltung in Gang zu bringen. Die positiven Erfahrungen, die in den skandinavischen Ländern z.B. im Rahmen diverser lokaler Planungsprozesse gemacht wurden zeigen, dass die Methode vielfältig und global einsetzbar ist.

Ihre Vorteile bestehen in einer meist hohen Akzeptanz, einer entsprechend hohen Beteiligung, der Teilhabe aller und der direkten Beteiligung im Verlauf des Prozesses. Von großer Bedeutung ist dabei die persönliche Ansprache durch bekannte Personen, die Vertrauen schaffen.

Mit einzukalkulieren ist, dass mit der Arbeitsbuchmethode ein recht hoher zeitlicher Aufwand verbunden ist, der v.a. mit der Erarbeitung, Verteilung und Auswertung der Fragen-Kataloge einhergeht. Hinzu kommen die Sitzungen der Arbeitsgruppen und die Ergebnis-Dokumentation im Verlauf der Entwicklung der Arbeitsbücher.

Besonders hervorzuheben ist, dass die Ergebnisse von Arbeitsbuch-Prozessen in Skandinavien meist breite Zustimmung und Verankerung fanden. Die beteiligten Bürger/innen unterstützten die Umsetzung und fast überall entstanden aus dem Kontakt im Rahmen der Arbeitsbuchmethode vielfältige weitere soziale und politische Aktivitäten. Die Arbeitsbuchmethode weist demnach ein hohes Potential auf, die lokale Demokratie beleben zu können.

Literaturtipp

Reinert, Adrian (2009): Arbeitsbuchmethode: Werkzeug und Prozess, in: Ley, Astrid; Weitz, Ludwig (Hrsg.): Praxis Bürgerbeteiligung. Ein Methodenbuch, Arbeitshilfen für Selbsthilfe und Bürgerinitiativen der Stiftung Mitarbeit, Nr. 30, S. 76-82, Bonn.

Oraug, Johs (1988): 10 års erfaringer med Arbeidsbokmetoden, Oslo.

Mårtensson, Bo / Orrskog, Lars (1988): Så här vill vi göra' t. Arbetsboksmetoden; Byggforskningsrådet, Stockholm.

Sandelius, Kerstin (1985): Arbetsboksmetoden. Brevskolan, Stockholm.