Methodenbeschreibung

Seite 1: Ablauf

Eine Mediation ist ein strukturiertes freiwilliges Verfahren zur konstruktiven Beilegung eines Konfliktes. Die Konfliktparteien erarbeiten gemeinsam eine Konfliktlösung, die ihren Bedürfnissen und Interessen entspricht und halten diese in einer gemeinsamen Vereinbarung fest. Unterstützt werden sie dabei von einem/einer allparteilichen Mediator/in.

Die Mediation ist ein freiwilliges Verfahren der Konfliktlösung, das in den 1970er Jahren in den USA entwickelt wurde. Dabei sollen die streitenden Parteien durch die Vermittlung eines neutralen, allparteilichen Dritten – einer Mediatorin oder eines Mediators – darin unterstützt werden, selbst Problemlösungen zu entwickeln, die von allen Parteien akzeptiert werden. Die Beteiligten bleiben die »Eigentümer« ihres Problems. Ihnen wird keine Entscheidung abgenommen oder diktiert, sondern sie sind es selber, die eine Lösung finden. Es geht nicht in erster Linie um Vergangenheitsbewältigung, sondern um Zukunftsgestaltung. Maßgeblich hierfür sind die Interessen der Parteien und nicht formale Rechtspositionen.

Ablauf

Mediationsverfahren folgen einer bewährten Struktur, die dazu beitragen soll, das Verfahren transparent und für alle Beteiligten nachvollziehbar zu machen. Die Mediator/innen tragen die Verantwortung für die Einhaltung dieser Struktur. Folgende Phasen oder Arbeitsschritte können unterschieden werden:

a) Vorbereitungsphase

  • Auswahl eines Mediators und Klärung von Vertragsformalien
  • Konsensuales Ermitteln der Verfahrensbeteiligten auf der Basis von Betroffenheiten und Potenzialen zum Lösungsbeitrag
  • Klärung der Bereitschaft der Beteiligten an einem Mediationsverfahren teilzunehmen
  • Einarbeiten des Mediators in den Konflikt (Problem- oder Konfliktanalyse aus der Positionen, Präferenzen und Interessen für alle Beteiligten transparent werden),
  • Aufklärung der Verfahrensbeteiligten über Mediationsverfahren und »Spielregeln«
  • Klärung der Rolle des Mediators
  • Sicherstellen des Zugangs zu allen Informationsquellen für alle Verfahrensbeteiligte (Motto: »für gleich lange Spieße sorgen«)
  • Sicherstellen der notwendigen Fachkompetenz (intern durch Verfahrensbeteiligte, extern ggf. durch Experten, Gutachter, Berater)
  • Klärung der Gestaltungsräume für einen Interessenausgleich
  • Zustimmung (ggf. schriftlich) aller Beteiligten zu dem Verfahrensmodell (Motto: »Wer nicht dahintersteht, macht nicht mit«)
  • Klärung des Umgangs mit den späteren Ergebnissen. Wer dokumentiert? Wer legt wem was vor? Wie öffentlich sind die Ergebnisse? Qualität und Bindung der Ergebnisse (bei Mediationen im öffentlichen Bereich sind häufig »nur« Empfehlungen möglich), Verhältnis zur Politik klären (Motto: »Gegen gute Argumente gibt es keine politischen Entscheidungen«, d.h. ein Mediationsergebnis wird nur mit offengelegten, besseren Argumenten verändert oder abgelehnt).

Bürgerbeteiligung zur Verbesserung der Situation am Hauptplatz in Landsberg Lech

b) Durchführungsphase

  • Gemeinsame Erstellung einer Themensammlung, über die gesprochen werden soll und Verständigung über die Reihenfolge der Bearbeitung
  • Verständigung über zu erreichende Ziele und Kriterien der Zielerreichung (das ist nicht die inhaltliche Lösung, sondern ergibt die Messlatte, an der später Lösungsalternativen beurteilt werden können)
  • Herausarbeiten der Konfliktpunkte und Verständigung darüber (Konsens über den Dissens)
  • Erhebung und Wahrnehmung der zugrundeliegenden Interessen (von Positionen zu Interessen kommen; Konflikterhellung)
  • Ausloten von Handlungsspielräumen und Entscheidungsmöglichkeiten zum beiderseitigen Vorteil (win-win-Situation), kreative Ideen- und Lösungssuche, Bewertung der Lösungsoptionen.

c) Entscheidungs- und Umsetzungsphase

  • Gemeinsame Entscheidung für eine Lösungsoption, Verabredungen zur Umsetzung und Erfolgskontrolle, Absichern des Verhandlungsergebnisses (Protokolle, Vereinbarungen, Verträge), ggf. Unterschrift unter Mediationsvertrag, ggf. Präsentation des Ergebnisses auf Pressekonferenz und in Entscheidungsgremien (z.B. Stadtrat), Umgang mit künftigen Problemen klären, ggf. Evaluation des Verfahrens
  • Umsetzung der Ergebnisse.
Seite 2: Umsetzung

Wichtige Aspekte bei der Umsetzung

Prüfung von Erfolgsvoraussetzungen

Der Erfolg eines Mediationsverfahrens ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, die im Vorfeld geprüft werden müssen:

  • Sind die Konfliktparteien willens, zu verhandeln und zu einer Einigung zu kommen?
  • Gibt es einen Konsensgestaltungsraum im Konflikt? – Wertkonflikte wie z.B. im Konflikt um Atomkraft oder Gentechnik sind nicht verhandelbar.
  • Ist die Macht bei den Verhandlungspartnern gleichmäßig verteilt oder gibt es große Machtunterschiede?
  • Verfügen die Beteiligten über die fachlich-inhaltliche wie auch soziale und formale Kompetenz (Logik, Abstraktionsvermögen) für einen solchen Prozess?
  • Ist die Verbindlichkeit des Verhandlungsergebnisses für jede Gruppe sichergestellt?
  • Gibt es einen dringenden Handlungsbedarf?

Prinzipien der Mediation

Die Besonderheiten eines Mediationsverfahrens lassen sich an bestimmten Verfahrensprinzipien festmachen:

  • Selbstverantwortlichkeit: Die Parteien sind die Expertinnen und Experten ihres Konfliktes. Sie selbst wissen besser als jeder andere, wie er entstanden ist und wie er zu lösen ist. Die Mediation gibt ihnen lediglich den für die Konfliktlösung erforderlichen Rahmen.
  • Freiwilligkeit: Niemand darf zu einem Mediationsverfahren gezwungen werden. Mediation kann nur dann Erfolg haben, wenn die Parteien in ihrer Selbstbestimmung nicht beschränkt sind und jeder Beteiligte jederzeit aus dem Verfahren wieder aussteigen kann.
  • Ergebnisoffenheit: Es darf nicht von vornherein feststehen, welches Ergebnis erreicht werden soll. Nur dann sind die Konfliktparteien in der Lage kooperativ miteinander zu verhandeln und sich auf den anderen einzulassen.
  • Neutralität und Allparteilichkeit des Mediators/der Mediatorin: Anders als ein Richter hat ein Mediator keine vom Staat zugewiesene Autorität. Deshalb muss er von allen Konfliktparteien als derjenige anerkannt werden, der inhaltlich neutral und ohne inhaltliche Entscheidungskompetenz durch das Verfahren führt. Der Mediator/die Mediatorin setzt sich für die Belange und Interessen aller Konfliktparteien ein, in diesem Sinne ist er oder sie »allparteilich«.
  • Informiertheit der Beteiligten: Alle Parteien müssen über die entscheidungserheblichen Tatsachen umfassend Bescheid wissen, um eine eigene Entscheidung überhaupt treffen zu können und um diese auch in Zukunft zu akzeptieren. Alle Beteiligten sollten deshalb in gleicher Weise Zugang zu allen streitrelevanten Informationen haben.
  • Vertraulichkeit: Die Konfliktparteien verpflichten sich, alle im Mediationsprozess offengelegten Tatsachen und Begebenheiten strikt vertraulich zu behandeln.

Anforderungen an die Mediator/innen

Für den Erfolg eines Mediationsverfahrens kommt den Mediator/innen eine Schlüsselrolle zu. Entsprechend hoch sind die Anforderungen an ihre Kompetenz und Erfahrung.

Die Mediator/innen

  • leiten das Verfahren und tragen die Verantwortung für dessen ordnungsgemäßen Ablauf. Sie sorgen für eine faire Streitkultur und die Einhaltung der »Spielregeln«
  • sind offen und unvoreingenommen gegenüber allen Verfahrensbeteiligten und vorgebrachten Argumenten. Sie legen im Verfahren die jeweils angewandten Methoden, Ziele und Arbeitsschritte offen und sorgen für größtmögliche Transparenz im Hinblick auf die ausgetauschten Positionen und Argumenten
  • pflegen eine neutrale, allparteiliche Form der Verhandlungsführung. Sie sind verläss­lich bei Absprachen, arbeiten nicht mit Tricks und wahren die Vertraulichkeit
  • sind kompetent und erfahren in Methoden der Kommunikation (Gesprächsführung, Diskussion, Streitgespräch), der Verhandlung und des Konfliktmanagements. Sie sollten für ein gutes »Klima« sorgen, einen konstruktiven Dialog ermöglichen, Argumente spiegeln, ggf. umformulieren, »Schwache« zu Wort kommen lassen, Machtungleichgewichte ausgleichen, Vor-Urteile, »Aneinandervorbeireden« und »Missverständnisse« erkennen und aufklären, persönliche Angriffe unterbinden, Darlegungen zusammenfassen und Synthesen bilden, Gestaltungsräume für Konsense erkennen und herausarbeiten; helfen, dass die Parteien sich ihrer Interessen bewusst werden; Optionen entwickeln und bewerten sowie kreative, eigene Lösungen entwickeln können
  • müssen persönlich unabhängig vom Auftraggeber arbeiten (keine Weisungen oder Ergebnisvorgaben). Sie dürfen keine eigenwirtschaftlichen Interessen am Ausgang des Konfliktes haben. Sie arbeiten im Thema neutral (können also auch nicht gleichzeitig Gutachter oder Berater sein) und allparteilich, d.h. allen Verfahrensbeteiligten gegenüber gleichermaßen aufgeschlossen und zugewandt. Sie sind zuständig für das methodische Vorgehen, die Teilnehmer/innen sind zuständig für den Inhalt.

»Spielregeln« für Mediations-Sitzungen

Als Mindestspielregeln haben sich bewährt:

  • Die Teilnahme erfolgt freiwillig.
  • Die persönliche Integrität und die Wertvorstellungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden respektiert. Persönliche Angriffe werden nicht toleriert.
  • Jeder bemüht sich, die andere Seite ausreden zu lassen und währenddessen aufmerksam zuzuhören.
  • Entscheidungen werden von den Konfliktparteien selbst und eigenverantwortlich getroffen.
  • Die Vertraulichkeit aller Äußerungen in den Sitzungen wird gewahrt.
  • Die Mediator/innen verhalten sich bezüglich des Problems neutral.

Darüber hinaus kann es – abhängig von der Größe und dem Thema des Verfahrens – noch zusätzliche Regeln geben. Beispiele sind der Umgang mit der Presse und mit Tonaufzeichnungen, die Protokollführung oder die Rückbindung der zu entsendenden Gruppen.

Seite 3: Organisatorischer Rahmen

Notwendiger organisatorischer Rahmen

Bei der Durchführung eines Mediationsprozesses sind bestimmte organisatorische Rahmenbedingungen zu beachten.

Die Zahl der Teilnehmer/innen schwankt erheblich und ist abhängig von den Themen und Betroffenheiten. Die Bandbreite reicht von einer kleineren Teilnehmerzahl ab 10 Personen bis zu 100 und mehr Beteiligten in Großverfahren. Bei großen Verfahren empfiehlt sich eine Gliederung in Arbeitskreise und Plenen oder auch in Innenkreis – dort sitzen die unmittelbar Betroffenen, die verhandeln – und Außenkreis – dort sitzen beispielsweise Politik, Verwaltung, Sachverständige, die eher beraten, rückmelden und sich selbst informieren. In intensiven Verhandlungsphasen ist es notwendig, dass sich die Teilnehmer/innen ins Gesicht sehen, die Mimik erkennen und ausreichend aufeinander reagieren können.

Die Dauer von Mediationsverfahren variiert erheblich. Es gibt kompakte Verfahren, die – nach längerer und guter Vorbereitung – nur ein bis zwei Tage oder ein einziges Wochen­ende benötigten. Es gibt aber auch Prozesse, die sich über ein bis zwei oder mehr Jahre hinziehen und insgesamt 50 bis 100 Sitzungen umfassen. Die Dauer eines Verfahrens hängt wesentlich davon ab, ob sich die Vertreter/innen von Gruppeninteressen immer wieder mit ihren entsendenden Gruppen rückkoppeln müssen oder davon entbunden sind. Sie bringen zwar die Kompetenz und Interessenlage des Gruppeninteresses ein, sprechen aber nicht verbindlich im Namen der Gruppe.

Im Hinblick auf Räumlichkeiten und Materialausstattung ist die Mediation eine Low-Tech-Methode. Es braucht geeignete Plenar- und Arbeitsgruppenräume, Flipcharts, Pinnwände, Beamer und Moderationsmaterial. Die Teilnehmer/innen nehmen in der Regel ehrenamtlich an dem Verfahren teil. Es ist angezeigt, dieses freiwillige Engagement durch Getränke und ggf. einen Imbiss zu honorieren.

Auftraggeber von Umweltmediationsverfahren sind in der Regel staatliche oder kommunale Körperschaften. Die Kosten einer politischen Mediation werden in Zeiten knapper öffentlicher Kassen manchmal als hoch empfunden. Dabei wird übersehen, dass die Kosten in Relation gesetzt werden müssen zu »Streitwert«, Dauer und dem ungewissen Ausgang gerichtlicher Auseinandersetzungen. Für eine Einschätzung hilft es, sich die Frage zu stellen, was die möglichen Alternativen zur Mediation kosten und was es kostet, wenn nichts getan wird.

In der Regel ist es ungewiss, wie lange ein Dialog dauern wird. Der Kostenrahmen sollte deshalb nicht zu knapp bemessen sein. Damit kein Freibrief für grenzenlose Diskutiererei ausgestellt wird, sollten im Vorfeld Meilensteine, Sollbruchstellen und Erfolgskriterien festgelegt werden. Auch die Einbindung in vorhandene politische und administrative Entscheidungsprozesse muss im Vorfeld einzelfallbezogen sichergestellt werden. Da politische Mediationsverfahren in den formalen Entscheidungsstrukturen in der Regel nicht vorgesehen sind, können ihre Ergebnisse auch nicht rechtlich bindend sein. Sie haben daher empfehlenden Charakter. Damit sich teilnehmende Gruppen ehrenamtlich auf so einen Prozess einlassen, muss der Umgang mit den Ergebnissen im Vorfeld befriedigend geklärt sein und in der Verfahrensvereinbarung aufgenommen werden.

Anwendungsfelder

Als Verfahren der Konsensfindung für miteinander streitende Personen oder Gruppen ist die Mediation in den letzten Jahren immer stärker ins öffentliche Interesse gerückt. Als Umweltmediation oder Mediation im öffentlichen Bereich wird sie in Deutschland seit 1988 angewendet (Mülldeponie Münchehagen, Niedersachsen). In einer Studie für den Zeitraum 1996 bis 2002 werden insgesamt 86 politische Mediationsverfahren in Deutschland genannt (Meuer, Dirk / Troja, Markus, 2004).

Seite 4: Stärken und Grenzen

Stärken und Grenzen der Methode

Eine Mediation ist nicht für alle Konfliktarten gleich gut geeignet: Für Interessen- und Beziehungskonflikte passt ein Mediationsprozess sehr gut. Bei Sach-, Struktur- und Wertekonflikten muss geprüft werden, ob es Gestaltungsspielräume und Verhandlungsmöglichkeiten gibt.

Eine Mediation braucht ein eher konkretes, abgegrenztes, in Alternativen gestaltbares Thema, das sinnvoll verhandelt werden kann. Allgemeine Themen eignen sich eher weniger. Verfahrensinterne Probleme stellen sich im Hinblick auf den notwendigen Arbeits- und Zeitaufwand und die ungleichen Ressourcenvoraussetzungen der jeweiligen Beteiligtengruppen. Darüber hinaus können sich Probleme bei der Informationsrückkopplung und Willensbildung in den Teilnehmergruppen ergeben.

Teilnehmer/innen haben wiederholt Informationsüberlastung als Nachteil des Verfahrens benannt.

Um Mediationsverfahren bei Umweltkonflikten nutzen zu können und Ergebnisse von Verhandlungen zwischen Konfliktparteien zu implementieren, muss die Einbindung der Verfahren in politische und administrative Entscheidungsprozesse gewährleistet sein (im österreichischen UVP-Gesetz ist die Mediation als Option angeführt). In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob neue Rechtsregelungen gefunden werden müssen oder ob eine »Verrechtlichung« der Mediation nicht nur unnötig, sondern sogar kontraproduktiv ist.

Bei einem Großteil der bisher durchgeführten Verfahren war die Mediation die »End-of-Pipe-Sozialtechnologie«. In bereits weitgehend eskalierten und scheinbar aussichtslosen Situationen waren die Beteiligten bereit, die Mediationsmethode zu nutzen. Mediation muss jedoch nicht zwangsläufig am Ende einer Kette erfolgloser Lösungsversuche stehen. Sie kann ihr Potenzial gerade im Vorfeld administrativer und politischer Entscheidungsprozesse entfalten. Diese Möglichkeit ist bisher zu wenig genutzt worden.

Literatur

  • Meuer, Dirk/Troja, Markus (2004): Mediation im öffentlichen Bereich – Status und Erfahrungen in Deutschland 1996–2002, Oldenburg.