Rahmenbedingungen
Förderliche Rahmenbedingungen
Ein interfraktioneller Konsens über die Einführung eines Bürgerhaushalts weist das Verfahren als gemeinsames Anliegen der im Rat vertretenen Parteien aus und trägt unterstützend zu dessen Akzeptanz und Weiterentwicklung bei. Mit seiner Einbettung in eine lokale Beteiligungskultur wird der Bürgerhaushalt zum kooperativen Planungsverfahren über Einnahmen und Ausgaben. Voraussetzung für einen solchen Wandel zur »Bürgerkommune« ist allerdings die Bereitschaft von Politik und Verwaltung, Verantwortung und Macht zu delegieren. Im Alltag wirkt zudem eine »wandlungsfähige Verwaltung« (Költzow et al. 2013) unterstützend, die in der Lage ist, mit der Zivilgesellschaft auf Augenhöhe zu kooperieren. Die anhaltende Motivation der Bürger/innen, als Mitgestalter/in und Koproduzent/in aktiv zu werden, stellt eine weitere Gelingensbedingung dar. Auch wenn das Gros der Bürgerhaushalte von Politik und Verwaltung »top down« initiiert wird, kommt es auf die Verschränkung mit »bottom up«-Prozessen an, d.h. es gilt, Bürgerinitiativen, Genossenschaften, Bürgerstiftungen, Selbsthilfegruppen, Protestgruppen und andere zivilgesellschaftliche Akteure für einen anspruchsvollen Beteiligungsprozess zu gewinnen.
Stärken und Schwächen
Eine Bilanz der Stärken und Schwächen von BHH setzt eine Verständigung über die eingangs skizzierten Zielsetzungen voraus. Als partizipatives Format, das Elemente direkt-demokratischer Entscheidung anbietet, wie dies bei vielen lateinamerikanischen Vorbildern der Fall ist, fällt die große Mehrzahl der deutschen BHH durch, da sie nur unverbindliche konsultative Angebote machen, deren demokratischer Mehrwert bislang äußerst begrenzt ausfällt und die in der Bevölkerung eher wenig Unterstützung erfahren (Bertelsmann Stiftung/Staatsministerium Baden-Württemberg 2014). Diese Einschränkung gilt auch für ihren Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit, etwa der Umverteilung von Haushaltsmitteln zugunsten benachteiligter Quartiere und Bevölkerungsgruppen, die zumeist nicht einmal angestrebt wird. Wie es um die demokratischen Lernprozesse in Bürgerhaushalten steht, lässt sich nur vermuten. Schon aus Kostengründen gibt es eine starke Tendenz, die demokratische Dialogqualität der BHH-Prozesse zu vernachlässigen. Am Ende dieser Entwicklung steht ein elektronisch gestütztes Vorschlagwesen, das die Präferenzen von einzelnen zum Ausdruck bringt, aber kein Ergebnis von gemeinsamen Debatten und Abwägungen darstellt.
Die Beteiligungsrate in den deutschen Bürgerhaushaltsverfahren liegt im Schnitt bei nur 1 Prozent der Wahlberechtigten, wobei meist gut ausgebildete Männer im Alter zwischen 25-64 Jahren den Ton angeben. Schränken Kommunalpolitiker/innen den Gegenstand auf Vorschläge zur Kosteneinsparung ein, wie dies jüngst z.B. in Köln erfolgte, rutschen die Beteiligungsquoten auf unter 0,5 %. Ausnahmen bilden Städte wie Stuttgart, Hilden, Trier oder der Stadtbezirk Berlin-Lichtenberg mit Beteiligungsraten bis zu 8,4 % (Berlin-Lichtenberg), die durch einen Mix an Beteiligungsmöglichkeiten für unterschiedliche Zielgruppen und dezentrale Abstimmungen in Stadtviertel erreicht werden. In Berlin-Lichtenberg werden zudem Kinder und Jugendliche in das Beteiligungsverfahren eingebunden.