Methodenbeschreibung

Seite 1: Methode

Ein Bürger Think-Tank oder eine Crowdsourcing-Plattform ist eine auf Dauer angelegte, offene Innovationsplattform, die in der Regel stark auf die Nutzung des Internets setzt. Ihr Ziel ist es, Wissen und Ideen der lokalen Bevölkerung zu sammeln und die Einwohner/innen dafür zu gewinnen, sich an der Lösung aktueller kommunaler Fragestellungen zu beteiligen. Bei einigen Plattformen können eigene Ideen eingebracht und weiterentwickelt sowie Unterstützer/innen bzw. Finanzierungsmöglichkeiten gesucht werden.

Crowdsourcing in der Stadtentwicklung

Methoden und Erfahrungen mit Nexthamburg

Seit 2009 ist Nexthamburg als Realexperiment für eine neue Art der partizipativen Stadtentwicklung aktiv. Ziel ist es, das Wissen und die Ideen der Menschen vor Ort zu bündeln und diese zu nutzen, um aktuelle Stadtentwicklungsfragen zu bearbeiten.

Hintergrund: Auf dem Weg zum »Open Urbanism«

Nexthamburg ist 2009 angetreten, um das aus der Praxis technologieorientierter Innovationsprozesse stammende Modell der »Open Innovation« auf den Stadtentwicklungskontext zu übertragen. Das Modell hat sich im Zuge immer schneller und unübersichtlicher werdender Innovationsprozesse als Gegenentwurf zum klassischen Modell der »Closed Innovation« etabliert (vgl. Chesbrough 2006).

Tipp

Die Grundidee: Statt die Innovation in der eigenen Organisation »einzuschließen«, wird ein Prozess der Öffnung eingeleitet, der die kreativen Kräfte außerhalb des Unternehmens in den Veränderungsprozess einschließt – speziell auch die Adressaten oder »Abnehmer« der künftigen Innovation.

Das Einbeziehen vieler Wissensträger/innen in den Innovationsprozess wird auch unter dem Begriff »Crowdsourcing« diskutiert. Die Menge (Crowd) wird zur Quelle (source) der Innovation, wobei die neuen digitalen Vernetzungsmöglichkeiten eine zentrale Rolle spielen. Das Paradigma der offenen Innovation hat als »Open Government« oder »Citizensourcing« (vgl. Hilgers 2010 und Hilgers 2012) längst auch die Diskussionen in Bezug auf Politik und öffentliche Angelegenheiten erfasst. Immer mehr Kommunen öffnen ihre politischen und administrativen Prozesse für eine frühe und offene Mitgestaltung durch die Bürger/innen im Sinne des gemeinsamen Problemlösens. Diese Öffnung findet statt vor dem Hintergrund eines breiten Feldes verschiedener Praktiken und Akteure des »Stadtmachens« (vgl. Petrin 2015 und Rauterberg 2013).

Zielsetzung der Methode

Nexthamburg versteht sich als Katalysator für das Phänomen des »Stadtmachens«. Der Fokus liegt auf der Frage, wie Kommunikationsprozesse vernetzt und aktuelle Phänomene der Selbstermächtigung für stadtentwicklungsbezogene Innovationsprozesse genutzt werden können. Indem es Stadtentwicklung als fortlaufenden und offenen Innovationsprozess versteht und von der Problem- auf eine Lösungsorientierung schwenkt, versucht Nexthamburg, einen Weg aus der an vielen Stellen unübersehbaren Blockadesituation zwischen Staat und Bürger/innen zu finden.

Die operativen Ziele von Nexthamburg lagen in den ersten Jahren auf dem Aufbau einer »Innovatoren-Community« von mehreren tausend Menschen sowie auf der Etablierung als Akteur. Seit dem Jahr 2012 setzt sich Nexthamburg dafür ein, die Stimme der beteiligten Bürger/innen in der Stadtentwicklungsdebatte stark zu machen, an thematischen Schwerpunkten zu arbeiten und den Ansatz auf andere Städte zu transferieren.

Seite 2: Ergebnisse

Prozessbeschreibung

In den ersten drei Jahren seines Bestehens hat Nexthamburg mit Hilfe einer Bundesförderung im Rahmen des Programms der Nationalen Stadtentwicklungspolitik seine Methode entwickeln können. Ein besonderes Augenmerk lag von Anfang an auf einer starken Einbindung des Internets, insbesondere der sozialen Netzwerke.

Von 2009 bis 2012 hat Nexthamburg auf vielen unterschiedlichen Kanälen über eintausend Lösungsideen für Probleme der Stadtentwicklung gesammelt, die im Jahr 2012 im Rahmen der »Bürgervision« publiziert wurden – einer alternativen Stadtvision, die zeigt, wie sich Hamburg verändern würde, wenn man die Ideen der Bürger/innen zugrunde legt. Dabei hat Nexthamburg auch mit neuartigen Workshopphasen und Methoden experimentiert (u.a. Massen-Speeddating mit 400 Personen, Turnier der Ideen, fünftägiges Zukunftscamp). Seit 2012 ist Nexthamburg als Verein organisiert und führt thematisch fokussierte Ideenprozesse mit Partner/innen aus Politik und Zivilgesellschaft durch.

Ergebnisse

Die Ergebnisse von Nexthamburg lassen sich in inhaltlich-planerische und methodische Erkenntnisse unterteilen. Auf der Ebene der inhaltlichen Ergebnisse stehen neben der Bürgervision und den über 1.000 Projektideen zahlreiche thematische Studien, die von Bürger/innen und Expert/innen gemeinsam entwickelt wurden, zum Beispiel zu den Themen Mobilität, Innenstadtentwicklung oder Postwachstumsökonomie. Die Arbeit an Themen läuft weiter – aktuell ist eine Aktivität zum Thema Stadtwachstum in Vorbereitung. Die zahlreichen methodischen Erkenntnisse haben über Literatur und Praxisaustausch Eingang in Beteiligungspraxis an vielen Orten gefunden. Der Ansatz von Nexthamburg wurde zudem durch Akteure oder das Team selbst an andere Orte gebracht (Nextzürich, Nextkassel, Nextleipzig, Nextwien, Nextistanbul, Nextbangalore, Nextlissabon).

Um der Entwicklung einzelner Bürgerideen mehr Raum zu geben, wurde von 2014 bis 2016 die Plattform »Stadtmacher« erprobt, die Projektgebern die Möglichkeit gibt, selber um Ressourcen für die Umsetzung von Projekten zu werben – unter anderem mit einer eigenen Crowdfundingplattform.