Methodenbeschreibung

Seite 1: Methode

Dragon Dreaming ist ein sehr wirksames Instrument, um partizipative Projekte zu entwickeln und durchzuführen. Es verbindet Elemente uralter Traditionen australischer Aborigines mit der Chaostheorie und einer speziellen Form der Netzplantechnik. Die Methode besteht aus vier gleichen Teilen: Träumen, Planen, Handeln und Feiern mit jeweils 3 Projektschritten. Der Prozess kombiniert Flexibilität und spielerische Aspekte mit einer sehr stringenten, holistischen Struktur.

Dragon Dreaming ist ein Instrument, um Projekte, vor allem im Bereich der nachhaltigen Gemeinschaftsentwicklung, durchzuführen. Es wurde von John Croft, einem australischen Geographen und Berater für Organisationsentwicklung und Projektmanagement, entwickelt.

Entstehung

Nach John Crofts eigener Erzählung entstand Dragon Dreaming während seiner Tätigkeit in einem von der Weltbank geförderten integrierten Entwicklungs- und Bildungsprogramm in einem entlegenen Tal im südlichen Hochland von Papua-Neuguinea. Der ursprüngliche Plan der Weltbank zur Effizienzsteigerung der Landwirtschaft und zum Anbau neuer Produkte hätte die traditionellen, gewachsenen Strukturen der Region zerstört und führte daher auch zu massivem Widerstand. Gemeinsam mit der Bevölkerung gelang es jedoch, ein nachhaltiges Projekt zur Gemeinschaftsentwicklung durchzusetzen.

Andererseits unterstützte John Croft eine Gruppe australischer Aborigines, die Yaoyn, in deren Kampf gegen den Uranabbau in ihrem Land und arbeitete auch für die australische Regierung in gemeinschaftsbildenden partizipativen Projekten. In diesen Zusammenhängen lernte er die uralten Traditionen verschiedener Gruppen von Aborigines kennen und integrierte sie neben der Chaostheorie und einer durch die Aborigines inspirierten Variante der Netzplantechnik in die Methode des Dragon Dreaming.

Was ist Dragon Dreaming?

Dragon Dreaming stützt sich auf vielfältige Erkenntnisse und Inspirationen aus Geschichte, Wissenschaft und unterschiedlichen kulturellen und spirituellen Traditionen. Es ist weit mehr als eine Methode zur Entwicklung und Durchführung erfolgreicher Projekte. Dragon Dreaming liegt eine bestimmte Haltung zugrunde, eine Haltung der Wertschätzung uns selbst und anderen Menschen gegenüber – mit all ihren Stärken und Schwächen – und gegenüber der Umwelt.

Daher sollen Dragon Dreaming-Projekte folgende Kriterien erfüllen:

  • Sie fördern das persönliche Wachstum, die Weiterentwicklung jedes Einzelnen im Team. Der Prozess selbst ist Teil des Ziels, denn während jedes Spiels lernen wir unsere Kreativität neu kennen, entdecken neue Seiten an uns und wachsen als Personen.
  • Sie stärken die Gemeinschaft und den Zusammenhalt des Projektteams. Die Ausrichtung des Projekts soll generell eine einbeziehende, gemeinschaftsfördernde sein. Auch die Gruppe selbst wächst während des Prozesses. Wir erleben im besten Fall, wie alle ihren Platz im Ganzen finden, Gegensätze einander ergänzen und die Gruppe weit mehr ist als die Summe ihrer Teile.
  • Und sie dienen dem Wohl der Erde, fördern Vielfalt, Kreativität und die nachhaltige Weiterentwicklung der Gesellschaft. Das Projekt wird in den Dienst des Ganzen gestellt und dadurch wird ihm Sinn und Bedeutung gegeben.

Warum heißt es Dragon Dreaming?

In vielen Kulturen symbolisiert der Drache die Ängste eines jeden Menschen, aber auch seine stärkste Kraft, wenn er sich diesen Ängsten stellt. Es geht darum, die eigenen Grenzen zu erkennen und zu versuchen, sie ständig zu erweitern.

Voraussetzung für Dragon Dreaming

Das Ziel von Dragon Dreaming-Projekten ist, dass alle unsere Träume zu 100 Prozent erfüllt werden. Voraussetzungen dafür sind:

  • Das Herstellen von Win-Win Situationen, also der Verzicht auf Konkurrenz innerhalb der Projekte und Entscheidungsfindungsprozesse, die alle Beteiligten miteinbeziehen. Zu denken ist zum Beispiel an Entscheidungen, die auf Konsens beruhen.
  • Die Bereitschaft, sich auf etwas Neues, auf neue Sichtweisen einzulassen und »mit dem Drachen zu tanzen«. Vor allem im Umgang mit anderen Menschen ist es oft nicht leicht, die eigenen Grenzen auszuweiten. Nicht selten machen uns Menschen wütend, weil sie etwas anderes wissen als wir. Wenn Menschen glauben, es besser zu wissen, argumentieren, kritisieren und darauf beharren, Recht zu haben, entstehen Konflikte. Wenn diese nicht produktiv aufgelöst werden, verhärten sie sich und können im schlimmsten Fall zum Scheitern von Projekten, von Beziehungen oder Gemeinschaften führen.
    Andererseits kann es für das Gelingen von Dragon Dreaming Projekten entscheidend sein, sich mit potenziellen Gegner/innen auseinanderzusetzen, was sich möglicherweise als besondere Herausforderung erweist. Gerade da ist es nötig, über die eigenen Grenzen hinauszugehen, um beängstigende Situationen und Personen mit anderen Meinungen oder Haltungen als Lehrmeister zu verstehen. Von ihnen können wir lernen, was wir noch nicht wissen. Und wir können von ihnen lernen, dass wir nicht wussten, was wir alles nicht wissen.
    Das sind so genannte »Aha«-Momente, die entstehen, wenn wir etwas Neues erkennen oder wenn wir zwischen Dingen, die wir bereits wussten, eine neue Verbindung herzustellen vermögen. In jedem Fall führt ein Aha-Moment dazu, dass wir unsere Welt zumindest in einem bestimmten Aspekt neu wahrnehmen.
  • Eine bestimmte Art des Zuhörens, das heißt, mithilfe einer bestimmten Meditationsübung zu versuchen, die Stimme in unserem eigenen Kopf zum Schweigen zu bringen, die permanent bewertet oder sich bereits Antworten zurechtlegt. John Croft verwendet hier einen Ausdruck einer Gruppe von Aborigines, den Nyangamarta im Nordwesten Australiens: Pinakari, das so viel bedeutet wie »Die Ohren Aufstellen« und frei übersetzt wird mit »tiefes Zuhören«.
  • Gewaltfreie Kommunikation (siehe Marshall B. Rosenberg) oder Charismatische Kommunikation wie es John Croft nennt. Das Ziel dieser Form der Kommunikation ist nicht, andere Personen zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen oder von der eigenen Meinung zu überzeugen, sondern das auszudrücken was einem wichtig ist, was man fühlt. Das bedarf allerdings einerseits Mut und Vertrauen in die anderen Beteiligten, sein Inneres preiszugeben, andererseits einige Übung.
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Der Dragon Dreaming-Prozess

Ein Projekt beginnt meist mit der Idee eines Einzelnen (Impuls). Wenn diese Idee mit anderen geteilt wird, bewegt sich das Projekt auf einer waagrechten Achse Richtung Außenwelt: Andererseits ist jedes Projekt zunächst Theorie und bewegt sich auf der senkrechten Achse in Richtung Praxis oder Durchführung.

Diese beiden Achsen teilen das Rad in die vier Bereiche oder Phasen Träumen, Planen, Feiern und Handeln.
In jedem dieser Quadranten gibt es 3 Projektschritte, die in sich auch wieder alle Elemente beinhalten (T, P, H, F)

Träumen:

  • Bewusstsein schaffen für die Idee, indem sie mit anderen geteilt wird
  • Motivation durch das gemeinsame Träumen
  • Information sammeln
  • Wenn nötig Feedbackschleife zurück zum Bewusstsein (=Feiern) oder weiter zum nächsten Schritt dem

Planen:

  • Alternativen abwägen
  • Strategie entwerfen
  • Testen
  • Wenn nötig Feedbackschleife zurück zu den Alternativen (=Feiern) oder weiter zum nächsten Schritt

Handeln:

  • Beginn der Umsetzung
  • Management und Administration
  • Überprüfung des Fortschritts
  • Wieder zurück zum Beginn der Umsetzung, eventuell Änderung der Vorgangsweise oder weiter zum

Feiern:

  • Erwerb neuer Fähigkeiten
  • Transformative Ergebnisse
  • Auswertung

Und mit diesen neuen Fähigkeiten und der Auswertung der Ergebnisse können wir das nächste Projekt starten, kommen also wieder zurück zum Träumen.

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Praktische Durchführung

Träumen

Traumkreis

Der Traumkreis ist das zentrale Element dieser Phase: Eine Person hat die Idee für ein Projekt und, indem sie diese mit anderen Menschen teilt, lässt sie ihr individuelles Projekt sterben und zu einem gemeinsamen Projekt des Traumteams werden. Das ist ganz wichtig, damit sich alle Mitglieder des Traumteams gleichermaßen für das Projekt verantwortlich fühlen. Dadurch wird einerseits auch verhindert, dass verdeckte oder offene Hierarchien entstehen oder dass im Falle des Ausscheidens des Initiators/der Initiatorin das Projekt einschläft.

Der Initiator oder die Initiatorin stellt eine offene, »generative« Frage, das heißt eine Frage, die Ideen kreiert, also keine Entscheidungsfrage. In der Frage sollte auch ein Zeitrahmen enthalten sein, in dem das Projekt realisiert werden soll. Dann nennen reihum (mit Redegegenstand!) alle Teammitglieder ihre Träume in Bezug auf diese Frage. Diese Träume werden mit dem jeweiligen Namen festgehalten. Das geht so lange, bis niemand mehr etwas hinzufügen möchte oder die vereinbarte Zeit abgelaufen ist. Es ist hierbei nicht wichtig, ob der jeweilige Traum realistisch ist. Gegensätze bleiben stehen, und es gibt in dieser Phase keine Diskussionen.

Der Prozess der Zielfindung

Jede Person notiert nach Betrachtung des Traummanifests auf je ein Post-it die 3–5 (je nach Anzahl der Beteiligten) Dinge, die ihrer Meinung nach unbedingt getan werden müssen oder die eine Voraussetzung bilden, um alle Träume wahr werden zu lassen. Die Post-its werden geclustert. Auf dieser Grundlage werden 6 bis 8 Ziele definiert, die folgende Kriterien erfüllen:

  • Zeitlich und inhaltlich begrenzt
  • erreichbar
  • in der Zukunft liegend
  • beobachtbar
  • handlungsorientiert.

Ein Oberziel finden

Auf spielerische Weise wird im nächsten Schritt gemeinsam ein Oberziel definiert, das folgende Kriterien erfüllen soll:

  • Kurz und präzise
  • inspirierend
  • leicht merkbar
  • alle Ziele und Träume einschließend.

Planen

Spiel- oder Ablaufplan für das Projekt erstellen

Der Spielplan ordnet die einzelnen Schritte des Projekts auf einer Reise vom Start bis zur Abschlussfeier an. Während dieses Prozesses werden automatisch alle Fragen geklärt, die mit der Realisierung zusammenhängen:

  • Welche Schritte sind insgesamt notwendig für die Realisierung? Wie sind die Zwischenziele zu erreichen? Welche Aufgaben müssen erfüllt werden?
  • In welcher Reihenfolge?
  • Welche Querverbindungen gibt es zwischen verschiedenen Bereichen, wie hängen sie zusammen?

In einem Brainstorming werden Aufgaben gesammelt, die für die Erreichung der beiden zuvor priorisierten Ziele nötig sind. Die Teilnehmenden ordnen daraufhin die jeweiligen Aufgaben den Phasen des Projekts zu (T, P, H, F).

Ein großes Blatt Papier wird senkrecht in vier, den Projektphasen entsprechende Teile geteilt. Am Rand werden die einzelnen Teilschritte eingetragen. Auf der waagrechten Ebene wird das Papier dreigeteilt in Aufgaben, die eher die Gruppe betreffen, in solche, die sich nach außen richten und in solche, die mit Ressourcen in Zusammenhang stehen. Start und Ziel werden mit einem Kreis markiert.

Nun werden die zuvor gesammelten Aufgaben in den Spielplan übertragen. Aufgaben, die miteinander in Zusammenhang stehen, werden durch eine Linie verbunden, die Input oder Output darstellt. Es ist wichtig, dass jeder Punkt zumindest je einen Input und einen Output erhält.

Übergang zur Phase des Handelns

Nach nochmaliger Betrachtung der Träume, der Ziele und des Ablaufplans überlegen alle Teilnehmenden, welche Aufgaben und welche Rolle (Koordinator/in, Lernende oder Berater/in) sie übernehmen wollen.

Die Rollen werden zugeteilt und auf den einzelnen Post-its mit Namenskürzel markiert. Wichtig bei Dragon Dreaming ist, dass niemand zur Übernahme von Aufgaben gezwungen oder überredet wird.

Alle Positionen können auch von mehreren Personen besetzt sein. Jedes Team legt Zeit und Raum für das nächste Treffen fest.

Management und Administration

Anders als beim klassischen Projektmanagement, bei dem das Management das Wichtigste überhaupt ist, stellt es bei Dragon Dreaming nur ein Zwölftel des gesamten Projekts dar. Der wesentliche Unterschied ist, dass die Projektsteuerung nicht zentral erfolgt, sondern von der ganzen Gruppe wahrgenommen wird.

Der Flow des Projekts ist selbstverständlich auch ein Flow an Kommunikation zwischen den einzelnen Knoten und den damit befassten Personen. Dieser Flow sollte bereits nach der Erstellung des Ablaufplanes sichergestellt werden, indem sich alle Koordinatoren/innen bewusstmachen, von welchen Personen ihnen Inputs zufließen und an welche Personen sie ihrerseits Outputs zufließen lassen. Permanente Kommunikation beugt den in jedem Projekt drohenden Schnittstellenproblemen vor.

Budget und Zeitplan

Eine erste Grobschätzung des Budget-und Zeitplans wird vom gesamten Team auf spielerische Weise und aus dem Bauch heraus erstellt:

Dazu beginnt die ganze Gruppe klatschend, stampfend oder mit Trommeln und Rasseln in einen Rhythmus zu kommen und sich auch ein bisschen zu bewegen. Durch das Schwingen im gemeinsamen Rhythmus entsteht ein Gefühl von Gemeinschaft und der Rhythmus aktiviert die rechte Gehirnhälfte. Gegenüber dem Versuch, nur logisch zu denken, werden so wesentlich mehr Informationen freigesetzt. Das Schwingen im Rhythmus wird leise fortgesetzt, während jemand die einzelnen Aufgabe des Spielplan in chronologischer Abfolge vorliest und nach Zeitaufwand, Dauer und Geld fragt.

Jemand aus der Gruppe macht einen Vorschlag. Kommt kein Widerspruch, wird die Zahl genommen und in die vorbereitete Tabelle eingetragen. Zum Abschluss werden die finanziellen Mittel summiert. Sie ergeben eine erste grobe Schätzung der benötigten Finanzierung.

Monitoring und Übergang zum Feiern

Monitoring bedeutet, den Projektfortschritt zu überwachen. Dazu ist es bereits in der Planungsphase notwendig, brauchbare Indikatoren festzulegen, die den Fortschritt messen können.

Feiern

Die Phase des Feierns ist genauso wichtig wie jede der vorhergehenden Phasen. Feiern bedeutet bei Dragon Dreaming auch Feedback, Evaluation, Anerkennung des Erreichten, aber auch der Fehlschläge. Dieser Schritt erfolgt vor jedem Übergang zur nächsten Phase und kann auch dazu führen, dass ein Schritt zurückgegangen werden muss.

Natürlich wird nach jedem erfolgreichen Zwischenschritt und nach Abschluss des Projekts tatsächlich ausführlich im eigentlichen Sinn gefeiert.

Was bedeutet Feiern?

Feiern bedeutet Dankbarkeit und Wertschätzung uns selbst und den anderen Teammitgliedern gegenüber, Anerkennung dessen, was wir geleistet haben, wie wir daran gewachsen sind, was jede einzelne Person dazu beigetragen hat.


Feiern bedeutet auch Reflexion und Feedback in jeder der Phasen des Prozesses. Feiern hilft uns zu erkennen, ob wir auf dem richtigen Weg sind. Es bedeutet Wertschätzung des neu erworbenen Wissens, der Erfolge, aber auch des Scheiterns.

Durch das Feiern gewinnen wir jene Energie zurück, die wir zuvor hinein gesteckt haben. Und wir gewinnen zusätzliche Energie für unsere persönliche Weiterentwicklung und die Entwicklung der Gemeinschaft. Feiern ist also auch eine Vorbeugung gegen Überforderung und Ausbrennen.