Verfahrensmodelle zur Konfliktlösung
Konflikte im privaten wie im politischen Bereich können zu dramatischen Eskalationen führen. (1) Aus Angst vor diesen Folgen wird zuweilen die Austragung der Konflikte durch Nachgeben oder Flucht vermieden. Dies jedoch schafft oder zementiert in der Regel Unrecht und Gewalt. Im Rechtsstaat kann durch Gesetze, Rechtsprechung, Polizei und Gefängnisse vielfach eine weitere Eskalation (vorerst) verhindert werden, die unterlegene Seite wird dadurch jedoch nicht zufrieden gestellt, besonders wenn sie mit Gewaltmaßnahmen »in die Schranken verwiesen« wurde. Der Konflikt wird dadurch nicht gelöst, sondern nur »entschieden«. Er schwelt weiter und kann (wird) an anderer Stelle wieder aufflammen – mit ähnlichen negativen Auswüchsen...
Eine Lösung aus diesem Kreislauf der Gewalt kann nur der konstruktive Umgang mit dem Konflikt bringen. Dieser ist gekennzeichnet durch einen Verzicht auf Zwangsmaßnahmen, einen respektvollen Dialog auf Augenhöhe und die Suche nach Lösungen, die von allen Beteiligten mitgetragen werden können. Dies sind die Grundlagen für verschiedene Verfahren der einvernehmlichen Konfliktaustragung:
- Direktverhandlungen zwischen den Konfliktparteien, wenn sie einander ebenbürtig sind oder die stärkere Seite auf ihre Sanktions- und Entscheidungsmacht verzichtet.
- Beratung und Therapie, wenn dabei alle Streitparteien einbezogen werden und gewährleistet ist, dass die Lösungen nicht von den Beratenden oder Therapierenden vorgegeben werden.
- Moderation als Form der Verhandlung, die durch eine neutrale Drittpartei unterstützt wird. Dabei geht es in erster Linie um die Sachebene eines Konfliktes.
- Mediation als externe, allparteiliche Unterstützung für Konflikte, bei denen starke Emotionen und Beziehungsblockaden eine sachgerechte Problemlösung erschweren oder verhindern, und für eskalierte Auseinandersetzungen.
- Vergleich, wie er bei Gerichtsverfahren von Richter/innen häufig angeregt oder in Güteterminen angestrebt wird, um ein Urteil überflüssig zu machen.
- Schlichtung (2) oder Schiedsgericht, wenn die Konfliktbeteiligten bereit sind, sich darauf einzulassen, dass der Lösungsvorschlag von externen Personen erarbeitet wird.
Dabei wird unterschieden zwischen nicht-bindenden und bindenden Schiedssprüchen: Im ersteren Falle können die Beteiligten wählen, ob sie den Schiedsspruch annehmen wollen oder nicht.
Im anderen Fall haben sich die Beteiligten darauf eingelassen, dass der Schiedsspruch zu einer rechtlichen Bindung wie bei einem Gericht führt und müssen den Spruch annehmen.
Die direkte Verhandlung zwischen zwei Streitparteien ist der häufigste und angebrachteste Weg, mit einem Konflikt umzugehen. Sie kann unmittelbar aufgenommen werden, erfordert keinen aufwändigen organisatorischen Vorlauf, kostet nichts und ist im höchsten Maße selbstbestimmt.
Da in festgefahrenen oder eskalierten Konflikten die Konfliktparteien jedoch meist nicht mehr ohne externe Unterstützung weiterkommen, jegliche inhaltliche Einmischung als Parteilichkeit und Untergrabung der Autonomie wahrgenommen wird, ist für diese Situation die Mediation das hilfreichste Verfahren. Die Unterschiede zu den anderen Mitteln der Wahl sollen deshalb kurz dargestellt werden.
Prinzipien und Ablauf einer Mediation
Das Hinzutreten einer vermittelnden Person bedarf einiger Vorraussetzungen, damit es wirklich eine Hilfe ist und nicht den Konflikt nur verkompliziert. Folgende Kriterien sollten berücksichtigt werden, wobei die Praxis lehrt, dass sie nicht immer hundertprozentig erfüllt sein können. Wichtig ist jedoch, dass sie bekannt sind und etwaige Abweichungen die Zustimmung der Betroffenen finden.
Einbeziehung aller Konfliktparteien
Bei der Konfliktklärung durch Mediation geht es darum, alle relevanten Konfliktbeteiligten miteinander ins Gespräch zu bringen, um eine einvernehmliche Lösung zu erreichen. Dies ist anders als bei Therapie, Beratung und Coaching, die in der Regel nur mit einer Person arbeiten. Es müssen also alle Konfliktparteien anwesend sein oder per Pendelmediation in Kontakt gebracht werden. Fehlen einzelne Streitparteien, kann der Konflikt mit ihnen auch nicht gelöst werden – außer sie akzeptieren das mit den anderen Beteiligten ausgehandelte Ergebnis.
Neutralität und Allparteilichkeit
Vermittler/innen sollten nicht in den Konflikt verwickelt oder von dessen Ausgang betroffen sein. Denn dies könnte ihre Unparteilichkeit einschränken. Bei der Auswahl einer geeigneten Person werden die Streitenden sehr darauf achten, dass die Vermittler/innen nicht im Verdacht stehen, einer Seite näher zu stehen und sie zu begünstigen. Die Neutralität ist deshalb oberstes Gebot. Sie bezieht sich auf die Sachebene. Den Personen dagegen sollte ein warmherziges Interesse entgegen gebracht werden. Da diese Zugewandtheit allen Beteiligten gelten muss, spricht man auch von Allparteilichkeit.
Freiwilligkeit und Bereitschaft
Mediation darf nicht aufgezwungen werden. Eine freiwillige Teilnahme ist die beste Voraussetzung für einen produktiven und gelingenden Prozess. Allerdings kann es Situationen geben, in denen diese Freiwilligkeit nicht oder nur eingeschränkt gegeben ist und Mediation trotzdem besser ist als Weitermachen wie bisher. Bei Teamkonflikten im Arbeitsleben wird in der Regel die Teilnahme aller Mitglieder erwartet, zumal wenn die Mediation in der Arbeitszeit stattfindet. Die Nichtteilnahme einer (wichtigen) Person kann das ganze Team lahm legen.
Andererseits bringt es auch nicht weiter, eine widerspenstige Person in das Verfahren hineinzuzwingen. Deshalb muss es zumindest gelingen, wenn schon nicht die Freiwilligkeit gegeben ist, zumindest die Bereitschaft zu erreichen, sich auf den Prozess (erst einmal) einzulassen und nicht dagegen zu arbeiten. Ein Ausstieg zu einem späteren Zeitpunkt ist immer möglich und gehört zu dem Aspekt der Freiwilligkeit dazu.
Inwieweit Freiwilligkeit mit Freiheit von Druck gleichgesetzt werden kann, ist fraglich. Denn jeder Konflikt ist auch eine Situation voll psychischen Drucks. Auch kann schon allein die Nichtteilnahme an einem gütlichen Einigungsversuch bedeuten, dass die regulär vorgesehenen Sanktionen greifen. Dies kann eine Abmahnung oder Kündigung bei Arbeitskonflikten oder eine vom Gericht verhängte Strafe bei Tätern sein, die sich auf keinen Täter-Opfer-Ausgleich einlassen wollen.
Bei ungleichen Konfliktparteien kann es sogar nötig sein, dass die schwächere Seite Druck erzeugt, damit sie als Verhandlungspartnerin ernst genommen wird. Dieser Druck darf jedoch nicht verwechselt werden mit Zwangsmaßnahmen, die nicht auf eine Lösung im Dialog abzielen.
Vertraulichkeit
Damit in der Mediation offen und ohne Angst vor Gesichtsverlust und negativen Konsequenzen geredet werden kann, werden die Gesprächsinhalte von den Mediator/innen vertraulich behandelt. Wie die Konfliktbeteiligten mit dem Gehörten umgehen, müssen sie miteinander zu Beginn aushandeln. Manchmal vereinbaren sie auch Verschwiegenheit nach außen hin, manchmal gestehen sie sich gegenseitig zu, mit nahen Vertrauten über die Mediation zu reden. Wichtig ist auf jeden Fall, dass mit den Informationen, die aus der Mediation gewonnen werden, so achtsam umgegangen wird, wie man es sich auch von der anderen Person wünscht.
Selbstverantwortung und eigene Lösungen
Mediation belässt die Lösungsfindung und Entscheidungsgewalt in den Händen der Konfliktparteien. Sie zielt nicht auf ein von den Mediator/innen ausgearbeitetes Ergebnis ab. Die Mediator/innen sind also für den Prozess zuständig, die Konfliktbeteiligten für die Inhalte. Dies gewährt den Teilnehmer/innen ein Höchstmaß an Autonomie, was das Ergebnis des Vermittlungsprozesses angeht.
Einvernehmliche Entscheidungen
Ein Konflikt ist erst dann gelöst, wenn alle Beteiligten der Lösung zustimmen, sie mittragen und auch umsetzen. Das bedeutet, dass es in Mediationen keine Mehrheitsentscheidungen gibt, es sei denn, man einigt sich darauf. Im klassischen Fall der Zweiparteien-Mediation ist auch keine andere Lösung denkbar als die Konsenslösung, weil es keine »Mehrheit« geben kann.
Dieses Konsens-Prinzip ist auch eine wichtige Sicherheit für »schwächere« Teilnehmer/innen oder Minderheiten, dass sie nicht »über den Tisch gezogen« werden können. Denn die anderen sind auf ihre Zustimmung angewiesen. Jeder Versuch, »handlungsfähig« zu werden durch Einführung von Mehrheitsabstimmungen, bedeutet immer auch etwas weniger an Konfliktlösung und letztlich auch die Ausgrenzung der Minderheiten.