Durchführung

Seite 1: Raum und Gruppe

Balance zwischen den verschiedenen Anforderungen

Der Raum

Die Anforderung, einen »neutralen« Raum für Großgruppen-Mediationen zu finden, könnte schwer zu erfüllen sein, wenn die Teilnehmer/innen-Zahl groß ist und geeignete Räumlichkeiten nur von am Konflikt beteiligten Gruppierungen gestellt werden können. Deshalb müssen sich die Konfliktparteien in der Planungsphase auf einen gemeinsam akzeptierten Ort einigen.

Wichtiger als die Neutralität des Ortes dürften jedoch Ausstattung und Flexibiliät der Räume sein:

  • Sind die benötigten technischen Geräte vorhanden – z.B. Beamer, Mikrofone, ggf. Ton-/ Bildaufnahme?
  • Sind ausreichend Moderationsmaterialien vorhanden oder können sie für die Treffen organisiert werden – z.B. Flipcharts, Moderationswände, Stifte, Papier in allen Größen etc.?
  • Sind die Anzahl und die Größe der Räume geeignet für die vorgesehenen Arbeitsmethoden – z.B. großer Plenarsaal, Podium, Arbeitsgruppenräume, Imbissmöglichkeiten?
  • Erlauben die Räume verschiedenartige Arbeitsformen – z.B. Reihenbestuhlung für Informationsblöcke mit größerem Auditorium, Stuhlkreis oder Tische im Quadrat zur Face-to-face-Kommunikation, Außenkreis-/innenkreis-Bestuhlung für Fishbowl-Gespräche oder Trennung von Verhandlungsgruppe und nur zuhörenden Teilnehmer/innen oder Öffentlichkeit, freie Fläche für Arbeitsmethoden im Raum (Aufstellungen, Kleingruppen-Gespräche, Marktplatz, World-Café, Arbeitsaufgaben oder Präsentationen auf verschiedenen Moderationswänden etc.)?

Großgruppe - Kleingruppe(n)

Für eine Konfliktklärungsarbeit ist eine überschaubare Gruppengröße Voraussetzung, bei der alle ausreichend zu Wort kommen und sich beim Gespräch direkt anschauen können. Bei der Erarbeitung von vielfältigen und kreativen Problemlösungen sind größere Teilnehmer/innen-Zahlen möglich und manchmal auch hilfreich. Für Transparenz und Öffentlichkeit ist eine maximale Einbeziehung der interessierten Bevölkerung angesagt.
Diese verschiedenen Anforderungen an ein Vermittlungsverfahren zeigen an, dass die Arbeitsformen und die Größe der Gruppen unterschiedlich sein können und sollten. Was das für das Verfahren konkret bedeutet, soll hier und in den folgenden Abschnitten ausgeführt werden.

Seite 2: Unterschiedliche Grupengrößen
  • Information: Maximale Gruppengröße

Da es sich um öffentliche Themen und deren Bearbeitung handelt muss die interessierte Bevölkerung auch mitbekommen können, was geschieht. Sonst ist das Verfahren intransparent und dem Verdacht auf Mauschelei ausgesetzt.

Eine direkte Anwesenheit aller Interessierten ist dabei jedoch weder erforderlich noch immer möglich. Die Berichterstattung der Medien und ein gezielter Informationsdienst in Papierform oder via E-Mail oder Internetseiten dürfte das Bedürfnis nach Information weitgehend abdecken. Dabei ist zu beachten, dass es verschiedene E-Mail-Verteiler gibt: einen für den inneren Kreis (auch mit vertraulichen Informationen) und andere zur Information einer breiteren Öffentlichkeit. Darüber hinaus könnten informative Teile des Vermittlungsverfahrens – wie etwa gutachterliche Stellungnahmen, Zwischenstände des Dialogprozesses oder die Bekanntgabe der erzielten Vereinbarungen – im Rahmen eines größeren Publikums stattfinden.

Sobald es jedoch um Diskussion oder Konfliktklärung geht, müssen Teilnehmer/innen-Zahlen und Arbeitsformen verwendet werden, die eine Kommunikation in beide Richtungen ermöglichen.

  • Diskussion und Entscheidungsfindung: Gruppengröße von 20 bis 100 Personen

Die meisten Formen einer ausgeglichenen und wechselseitigen Kommunikation haben eine »natürliche« Grenze bei ca. 20 Personen. Das zeigt sich u.a. daran, dass eine Runde (= alle Anwesenden kommen kurz zu Wort) von mehr als 20 Beiträgen die Konzentrationsfähigkeit und Geduld einer Gruppe überstrapaziert. Auch lässt sich eine Gruppendiskussion mit annähernd gleicher Redezeit für alle und einer konsensualen Entscheidungsfindung nur bei Gruppen bis zu 20 Personen realisieren.

Bei größeren Gruppen (20 –100) müssen Arbeitsformen gefunden werden, welche die Zahl der Redenden begrenzt, ohne sie komplett auszuschließen oder zu reinen Zuhörer/innen zu machen. Dies kann geschehen durch eine zeitweilige Begrenzung der Diskussion auf einen Innenkreis, während die anderen im Außenkreis zuhören. Oder die Beschränkung der Meinungsäußerung auf jede zweite, dritte oder vierte Person in einer Runde – mit der Möglichkeit, dass wichtige zusätzliche Statements der anderen anschließend noch zugelassen werden. Die Diskussion in einer Großgruppe kann auch durch die Bestimmung von Gruppenvertreter/innen in einen überschaubaren Rahmen überführt werden, wobei die restlichen Gruppenmitglieder zuhören und sich in den Pausen mit ihren Vertreter/innen abstimmen können. Bei Meinungsbarometern oder sonstigen Aufstellungen im Raum können jeweils einige Personen mit unterschiedlichen »Standpunkten« befragt werden, während die anderen allein durch ihren »Standort« deutlich machen, inwieweit sie einer gegebenen Fragestellung zustimmen oder nicht.

Bei einer Konsensfindung in größeren Gruppen gibt es die Möglichkeit, die eigentliche Entscheidungsfindung in kleinen (Bezugs-)Gruppen – wiederum bis zu max. 20 Personen – anzusiedeln, wobei die Ergebnisse von ein bis zwei Sprecher/innen in einem »Sprecher/innenrat« ausgetauscht werden und Dissenspunkte wieder in die Gruppen zur Beratung zurückgegeben werden. Zur einfacheren und schnelleren Durchführung können die (Bezugs-)Gruppen sich im Raum befinden und dem Sprecher/innenrat beim Informationsaustausch zuhören. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit durch Karten oder Handzeichen verschiedene Konsensstufen in einer größeren Gruppe abzufragen und an Dissenspunkten im Plenum gemeinsam zu arbeiten.

  • Intensives Gespräch und Konsensfindung: Gruppengröße bis 20 Personen

In Gruppen von bis zu 20 Personen lassen sich – bei genügender Zeit! – Sachverhalte gründlich diskutieren und Entscheidungsprozesse in optimaler Weise zu einem Konsens führen. Bei dieser Größenordnung muss es keine »Fraktionen« geben, sondern jede Person kann für sich sprechen und eine eigenständige Position vertreten und hat dafür auch den nötigen Raum. Um zu einer solchen, optimalen Gruppengröße in öffentlichen Konflikten zu kommen, sollten die Konfliktparteien jeweils nur mit ein, zwei oder maximal drei Delegierten vertreten sein. Sie müssen sich aber zwischen den einzelnen Gesprächen mit ihrer entsendenden Gruppe besprechen können. Falls es zu viele vom Konflikt betroffene Gruppen gibt, die einbezogen werden wollen und sollten, können die Gruppierungen nach gleichen oder ähnlichen Positionen und Zielvorstellungen zusammen genommen werden und von ihnen gemeinsame Delegierte ausgewählt werden. Der Rückkopplungsprozess ist dann etwas aufwändiger.

  • Konfliktklärung: Zwei bis ca. acht Personen

Wenn es nicht nur um Sachdiskussionen geht, sondern um Konflikte mit der ganzen Emotionalität und Feindseligkeit zwischen den zerstrittenen Parteien, sollten die Geprächspartner/innen auf eine Mindestanzahl reduziert werden, idealer Weise auf zwei Personen. Im Zweiergespräch ist die reinste Form des »Dia-Logs« möglich.

Diese Begrenzung ist notwendig, weil ein Klärungsgespräch außerordentlich konzentriert und tiefgehend, im stetigen Wechsel und ohne Zeitdruck durchgeführt werden muss, um wirklich etwas »lösen« zu können.

In Gruppen bis zu 20 Personen können, wenn die Betroffenen einverstanden sind, die Klärungsgespräche im Fishbowl (in der Mitte eines umgebenden Halb-/Kreises) durchgeführt werden. Das erfordert allerdings große Zurückhaltung, Disziplin und Geduld des Außenkreises.

Größere Gruppen oder die Einbeziehung von Medien stören den vertraulichen Charakter dieser sehr persönlichen Gespräche.

Seite 3: Bearbeitungsebenen

Konflikt – Beziehungsklärung – Sacharbeit

Über die Gruppengröße sind schon verschiedene Arbeitsformen und Bearbeitungsebenen angesprochen worden. Diese sollen nun weiter ausgeführt werden.

Der Ausgangspunkt für politische Mediation ist ein eskalierter Konflikt zu bestimmten, öffentlich bedeutsamen Themen. Die Art und Weise, wie diese Themen behandelt wurden, führen im schlimmsten Fall zu heftigen Reaktionen und Auseinandersetzungen, in denen sich die Beteiligten verletzender Beleidigungen, Verleumdung, psychischem Druck, Nichtbeachtung, Sanktionen und manchmal auch körperlicher Gewalt ausgesetzt sehen. Das Gesprächsklima ist deshalb von vornherein vergiftet. Sachfragen werden mit Misstrauen und Feindseligkeit thematisiert. Außer einem Schlagabtausch und womöglich neuen Verletzungen kommt nicht viel heraus.

Tipp

Deshalb ist es ratsam, von Anfang an auf emotionale Ausbrüche oder Blockaden und auf Ressentiments zu achten und sie zum Thema zu machen: Wodurch sind sie entstanden, auf welchen konkreten Vorkommnissen beruhen sie? Lässt sich durch einen Blick auf die Perspektive des/der anderen ein Stück nachvollziehen, wie es zu diesen Vorkommnissen kam? Sind evtl. Missverständnisse im Spiel? Worum ging es den Beteiligten eigentlich? Gibt es ein Bedauern für Entgleisungen und den ehrlichen Wunsch nach einem Neuanfang?

Dieser Blick auf die menschliche Seite des Konflikts macht den Weg frei für eine faire und konstruktive Bearbeitung der anstehenden Sachthemen.

Möglicherweise gibt es nur zwischen einigen der Anwesenden diese direkten, persönlichen Verstrickungen. Sie können dann eventuell auch in einem separaten Klärungsgespräch angegangen werden. Für diese Gespräche sollte ein vertraulicher Rahmen vorgesehen werden. Denn wer möchte schon vor der Öffentlichkeit über schwierige persönliche Themen reden?

Vertraulich - öffentlich

Die Frage der Vertraulichkeit ist also bei der politischen Mediation weniger eine Frage des Prinzips als der jeweiligen Arbeitsschritte und Gesprächsebenen. Es darf deshalb durchaus ein Mix aus öffentlichen Phasen, internen, halböffentlichen Gruppenphasen und vertraulichen Klärungsgesprächen geben.

Tipp

Außer zur Klärung von emotionalen Befindlichkeiten und Beziehungskonflikten könnte eine Vertraulichkeit oder Halböffentlichkeit auch sinnvoll sein, wenn es um das Entwerfen neuer Lösungsideen geht.

Denn das freie Phantasieren im Rahmen von Brainstormings könnte gehemmt werden, wenn die Beteiligten sich am nächsten Tag in Zeitungskommentaren wegen unausgegorener Ideen zum Gespött gemacht sehen könnten.

Sensibel kann auch das Aushandeln von Übereinkünften sein. Manchmal wollen die Interessengruppen nicht einmal im vertraulichen Rahmen der anderen Seite ihre Verhandlungs-Spielräume offen eingestehen, geschweige denn vor einer größeren Öffentlichkeit. In solchen Situationen kann eine Pendel-Mediationsphase angebracht sein, in der die Interessengruppen separat beraten und die Mediator/innen in vertraulichen Einzelgesprächen die Angebote, Optionen und Schmerzgrenzen der jeweiligen Gruppe erfahren. Was davon an die anderen Gruppen weitergegeben werden darf, bestimmen die Interessengruppen.

Vergangenheit - Gegenwart - Zukunft

Der Konfliktklärungs-Prozess durchläuft sinnvollerweise – ausgehend von der aktuellen krisenhaften Situation und der Aufstellung der zu behandelnden Themen – eine Phase der Vergangenheitsbetrachtung und -aufarbeitung, eine Phase der gegenwartsbezogenen Problembenennung und Sachdiskussion und eine Phase der zukunftsorientierten guten Lösungen. Wie in jeder Mediation wird es auch »Rückfälle« geben wie z.B. emotionale Eskalationen während der Sachdiskussion, die nochmals eine Bearbeitung der Beziehungsebene notwendig machen. Oder Problemanzeigen, die von der Zukunftsvision nochmals zur Sachdiskussion zurückführen. Diese Schleifen dürfen sein, andernfalls könnte sich die erzielte Übereinkunft als brüchig, weil nicht auf festem Grund erweisen.

Was den Ablauf der Vermittlungsgespräche ebenfalls bremsen oder durcheinander bringen kann, sind Vorfälle zwischen den einzelnen Sitzungen, die für Empörung sorgen. Diese außerplanmäßigen Themen müssen als »Störungen« zuerst bearbeitet werden, damit die konstruktive Grundhaltung wieder Oberhand gewinnt.