Die Bedeutung der Vorphase

Seite 1: Vorphase

Die besondere Bedeutung der Vorphase

Das Gelingen und der Erfolg von Vermittlungsverfahren hängt wesentlich davon ab, was schon vor Beginn der eigentlichen Verhandlungen geschehen und vereinbart worden ist.

Die wichtigsten Weichenstellungen werden in der Vorphase getroffen: die Verfahrensauswahl, die Bestimmung der Vermittler/innen, die Bestimmung des Themas, die Auswahl der einzuladenden Konfliktparteien, die Gestaltung und Grundsätze des Prozesses. Vielleicht kranken die meisten der unbefriedigend verlaufenen Runden Tische daran, dass an dieser Vorarbeit nicht alle Beteiligten eingebunden waren. Es ist möglicherweise auch der entscheidende »blinde Fleck« innerhalb der Protestbewegungen, wenn sie ihre Beteiligung nicht aktiv einfordern, sondern sich erst dann mit dem Vermittlungsverfahren befassen, wenn all diese Vorgaben bereits getroffen wurden. Das Verfahren ist dementsprechend auch nicht »ihres«, sondern das der Gegenseite und wird mit entsprechender Skepsis betrachtet.

Sinn und Rahmenbedingungen für einen Dialogprozess klären

Dem gegenüber empfehlen wir einen gemeinsamen Prozess der Verfahrensentwicklung. Dabei soll eine gemeinsame Vorstellung entwickelt werden über das Vorgehen, die Art und Weise der Beteiligung sowie deren Rahmenbedingungen und Grenzen, damit jede Interessengruppe für sich Sinn in der Beteiligung sieht. Das bedeutet u.a. konkret: (1)

  • In einem Abwägungsprozess zu einer Entscheidung kommen, ob ein Dialogprozess sinnvoller und nützlicher ist als die bisherigen Durchsetzungs- oder Konfliktlösungsbemühungen.
  • Nach einem gemeinsamen, allseits akzeptierten Rahmen für die Gespräche suchen. Sofern keine absolute Ergebnisoffenheit zugesichert werden kann, müssen die Einschränkungen als sinnvoll und akzeptabel anerkannt werden.
  • Der Aushandlungsprozess sollte bereits mediativ (ggf. mit einem/einer »VormediatorIn«) geführt und von den Beteiligten als fair erlebt werden.
  • Alle Mediations-Beteiligten sollten Auftraggeber/innen des Mediationsteams werden, unabhängig davon, ob sie an der Finanzierung des Prozesses beteiligt sind.

 

Die Haltung der Mediator/innen gegenüber den Protestbewegungen

In der Vermittlung von politischen Konflikten spielt die Haltung der Mediator/innen ein besondere Rolle: Um Akteure aus der sozialen Bewegung für eine Mediation zu gewinnen, ist es unabdingbar, jederzeit eine Haltung von »Achtung und Respekt für die Solidarität der Bewegung« einzunehmen. Denn der Erhalt der Solidarität ist für eine soziale Bewegung ein Wert an sich, weil sie kein monolithischer Block ist, sondern ein Zusammenhang, der aus einem gemeinsamen Ziel entstanden ist und seine Stärke nur durch die Solidarität gewinnt. Diese Solidarität sollte nicht durch die Mediator/innen untergraben werden. Dazu kann schon das Angebot einer Vermittlung oder einer Mediation gezählt werden, weil darin schon der Keim einer Spaltung liegen kann – in diejenigen, die reden wollen, und jene, die keinen Dialog mit der anderen Seite suchen.

Welche Handlungsmöglichkeiten haben dann die Mediator/innen?

Zunächst sollte ein Vermittlungsverfahren als eine Möglichkeit von mehreren ins Gespräch gebracht werden – und dies nicht unbedingt durch die Mediator/innen selbst. Sie können dann auf Anfrage informieren, wie ein Mediationsverfahren konkret aussehen könnte, und in der Anbahnungsphase bestimmte Rahmenbedingungen aushandeln. Hilfreich könnte es sein, wenn die Vorphase von anderen Mediator/innen begleitet wird als das Hauptverfahren.
Die Entscheidung, ob die Widerstandsbewegung sich auf eine Mediation einlässt oder nicht, muss ihr überlassen bleiben. Wenn nicht alle dafür zu gewinnen sind, müssen die Protestgruppen selbst entscheiden, wie sie mit dieser Situation umgehen.

Wichtig

Wichtig ist, dass die Mediator/innen wissen, welch große Bedeutung die Solidarität für eine soziale Bewegung hat und die Vermittler/innen nicht als »Spalter/innen« empfunden werden.

Seite 2: Fünfzehn Schritte zur Mediation

15 Schritte, die zu einer Mediation führen können

Um eine Mediation auf ein stabiles Fundament zu stellen, muss bei ihrer Anbahnung im Kontext eines politischen Konfliktes besonders sorgfältig vorgegangen werden. Auf der Fachtagung »Vermittlung in politischen Konflikten« am 24.-25.4.2012 in Stuttgart wurden folgende 15 Schritte beschrieben, die nötig sein können, eine Mediation in eine gute Spur zu bringen.

Die einzelnen Schritte zur Anbahnung sind als offener Prozess zu verstehen, d.h. nicht jedem Schritt folgt automatisch der nächste: Es kann auch »Schleifen« geben, Schritte können übersprungen oder neue Zwischenschritte müssen eingeschoben werden.

Diese Liste zeigt auf, wie sorgfältig eine Mediation angebahnt und vorbereitet werden sollte, um eine tragfähige Grundlage für den Konfliktklärungs- und Verhandlungsprozess zu legen. In dieser Phase kommen bereits viele moderative und mediative Elemente zum Einsatz ggf. sogar kleine Mediationen im Vorfeld der eigentlichen Mediation.

15 Schritte zur Mediation

1. Schritt
Entdecken des Bedarfs an Vermittlung in einem Konflikt.
Es braucht Menschen, die sich als »Prozess-Initiator/innen« berufen fühlen!

2. Schritt
Überlegen, ob es sinnvoller ist, den Prozess mit den eigenen Ressourcen selbst anzugehen oder sachkundige Dritte einzubeziehen.

3. Schritt
Die so gewachsene »Spurgruppe« baut nun den Kontakt zu den Beteiligten oder Einzubeziehenden auf.

4. Schritt
Information über die Möglichkeiten der Konfliktbearbeitung und deren Verfahren innerhalb der Protestbewegung. Dazu können auch Fachleute eingeladen werden.

5. Schritt
Interne Klärungsprozesse der Beteiligten zu den Fragen der Teilnahme, der Form der Konfliktbearbeitung und der Rahmenbedingungen der Mitwirkung (vertrauensbildende Maßnahmen, Ressourcen).

6. Schritt
Die Spurgruppe wird erweitert mit Menschen aus den sozialen Bewegungen und beginnt nun die Aushandlung aller einzubeziehenden Gesprächsbeteiligten, mit welchem Verfahren der Konflikt bearbeitet werden soll und mit welchen Themen. Welche Akteure gehören noch ins Boot und müssen gewonnen werden und wie geschieht die Auswahl der Moderator/innen oder Mediator/innen, die durch den Prozess oder die Mediation führen? Welche Forderungen als Voraussetzung für eine Teilnahme werden von den Gruppen/Akteuren gestellt und wie wird damit umgegangen?

7. Schritt
Um zu einer Entscheidungsfindung kommen, kann die Unterstützung durch »Vormediator/innen« hilfreich sein. Diese müssen nicht unbedingt die Mediator/innen des Hauptverfahrens sein.

8. Schritt
Die Ergebnisse werden dann in die soziale Bewegung zurückgekoppelt.

9. Schritt
Es fällt die Entscheidung über Start oder Abbruch der Vermittlungsbemühungen.

10. Schritt
Ist eine Entscheidung für die Mediation getroffen worden, beginnt das gemeinsame Auswahlverfahren für die eigentlichen Moderator/innen oder Mediator/innen, wobei die Vormediatorin oder der Vormediator aus dem Spurteam das Verfahren moderiert.

11. Schritt
Alle beteiligten Konfliktparteien einigen sich auf ein Mediationsteam.

12. Schritt
Es beginnt nun die Prä-Mediationsphase, das konsensuale Besprechen der Rahmenbedingungen, der Tagesordnung und der Verfahrensabläufe für die Mediation (vgl. auch die weiter unten skizzierten Checklisten, S. ?? ff.).

13. Schritt
Rückkopplung der Ergebnisse in die soziale Bewegung.

14. Schritt
Entscheidung, ob unter diesen Konditionen eine Mediation stattfindet oder nicht.

15. Schritt
Bei positiver Entscheidung findet die (eigentliche) Mediation statt.

Seite 3: Quellen und Anmerkungen

(1) Vgl. König, Ursula/Wassermann, Emanuel/Büsser, Maurus: Was macht Beteiligungsverfahren zu Mediation? In: Perspektive Mediation 4 I 2012, S. 222–227.

Literaturtipp

König, Ursula/ Wassermann, Emanuel/Büsser, Maurus: Was macht Beteiligungsverfahren zu Mediation? In: Perspektive Mediation 4/2012, ISSN 1814-3895.