Ein Beispiel: Etherpad
Ein weiteres Beispiel für ein Tool mit einem klar umrissenen Nutzen (siehe Drei Regeln für den Einsatz von Kommunikations-Tools) ist die Open-Source-Software Etherpad. Etherpad ist ein webbasierter Editor zum gemeinsamen Bearbeiten von Texten. Er ermöglicht es, in Echtzeit im Internet einen Text zu bearbeiten. Es gibt verschiedene kostenlose Angebote zur Nutzung der Etherpad-Software im Netz (z. B. von der gemeinnützigen Mozilla Foundation).
Wie funktioniert das? – Eine Person legt eine Arbeitsfläche (ein »pad«) an und schickt anderen Personen den Link zu dieser Arbeitsfläche per E-Mail. Rufen diese den Link auf, erscheint im Browser etwas, das einem stark reduzierten Textverarbeitungsprogramm gleicht. Alle Besucher/innen des Pads haben einen eigenen Cursor und eine eigene Textfarbe. Wenn Sie einen Satz schreiben oder löschen, dann sehen Ihre Kolleg/innen in Echtzeit, wie Buchstaben erscheinen oder verschwinden.
Das Etherpad ist sehr nützlich, wenn mehrere Leute gemeinsam an einem Text schreiben oder begleitend zu einer Telefonkonferenz ein Protokoll erstellt werden soll. Es gibt auch viele andere kreative Anwendungsmöglichkeiten, z. B. im Rahmen von Konferenzen oder Barcamps. Ich selbst habe das Etherpad häufig benutzt, um gemeinsam mit anderen an Texten für Projektanträge zu arbeiten. Die Fragen haben wir einfach in ein Pad kopiert und dann mehrere Tage gleichzeitig oder zeitversetzt daran gearbeitet. So vermeidet man die Entstehung einer unübersichtlichen Masse von Dateien, die sich in den verschiedensten Versionen auf verschiedenen Rechnern befinden und zusammengeführt werden müssen (und kurz vor dem Abgabedatum Titel tragen wie »TeilB_Carola_30032015_überarbeitetDP.doc« oder »Gesamt_finalfinalfinal.doc«).
Nutzer/innen müssen sich nicht einloggen, sondern nur einen Link aufrufen. Das Programm ist so einfach, dass es die meisten Menschen nach wenigen Minuten benutzen können. Interessanterweise fragen viele Menschen, die das Etherpad zum ersten Mal benutzen: »Hat unsere Arbeitsfläche keinen Passwortschutz?« Oder: »Kann ich die Texte von anderen Leuten einfach löschen, ohne dass diese Änderungen angezeigt werden?« Bemerkenswerterweise stellen diese Personen nach einigen Minuten fest, dass man solche Funktionen überhaupt nicht braucht und das gemeinsame Erstellen der Texte wunderbar funktioniert. Der reduzierte Funktionsumfang ist gerade die Stärke des Programms. Wenn Sie häufig mit mehreren Menschen an Texten arbeiten und Sie der »Änderungen nachverfolgen«-Modus schon in den Wahnsinn getrieben hat, sollten Sie sich das Etherpad oder ähnliche Tools anschauen. Andere Gruppen, die ich kenne, haben sich bei ähnlichen Anforderungen für das etwas kompliziertere »Google Docs« entschieden, weil sie damit vertraut waren.
Den richtigen Kommunikationskanal wählen
Vor einiger Zeit hatte ich in einer Angelegenheit mit der Agentur für Arbeit zu tun. Die deutschen Behörden haben angekündigt, sich den modernen Kommunikationsformen zu öffnen. Ich war jedenfalls angenehm überrascht, als ich irgendwann sogar eine E-Mail von meiner Kontaktperson erhielt. Sie enthielt zwar nur einen Satz, und meine Kontaktperson schrieb mir als Herr/Frau »_BA_Berlin-Mitte 170« – aber immerhin. Leider blieben weitere Klärungsversuche per E-Mail unbeantwortet. Einige Wochen später griff ich dann doch zum Telefon und ließ mich in die zuständige Abteilung vermitteln. Der Mitarbeiter, bei dem ich landete, reagierte verwirrt, als ich ihm erzählte, dass ich eine E-Mail mit einer Anfrage geschickt hatte. Ich hatte das Gefühl, ich hätte ihm auch erzählen können, dass ich ein Außerirdischer sei. Nachdem wir einige Minuten telefoniert hatten, rief der Herr plötzlich aufgeregt aus: »Hier ist sie, ich habe ihre E-Mail gefunden!« Ich fragte: »In ihrem Posteingang?« Er antwortete: »Aber nein, hier, in der Akte!«
Warum erzähle ich diese Geschichte? – Projektmanager/innen verbringen viel Zeit damit, zu kommunizieren – nach innen (mit Kolleg/innen oder Mitstreiter/innen, siehe z. B. Arbeitstreffen), aber auch nach außen, d. h. mit Menschen außerhalb der Organisation. Dies könnten z. B. Klient/innen, Kooperationspartner oder Förderer sein.
Kommunikation kann aus vielen Gründen scheitern. Einer davon betrifft die Wahl eines falschen Kommunikationskanals durch die Projektmanager/in. Was bedeutet das? – Ein Beispiel: Es ist zum Zeitpunkt, als ich dieses Buch geschrieben habe (2015), relativ aussichtslos, mit Lehrer/innen einer Schule per E-Mail zu kommunizieren. Die meisten Schulen verfügen auch gar nicht über die entsprechende Infrastruktur. Dafür besitzt jede Lehrperson person ihr eigenes»Fach« im Sekretariat, in das man einen Brief oder eine Nachricht hineinlegen kann.
Bei noch jüngeren Menschen (z. B. Schüler/innen) funktioniert die Kommunikation per E-Mail nicht. Manche Schüler/innen überprüfen ihren E-Mail-Posteingang mit derselben Häufigkeit, mit der der erwähnte Verein seinen Briefkasten leert. Wenn man es allerdings schafft, dass eine Nachricht in irgendeiner Form auf dem Smartphone des Empfängers angezeigt wird, kann man mit einer Antwort innerhalb von Minuten rechnen.
Falls Sie auf Ihre Kommunikationsversuche also keine Antworten erhalten, kann es auch daran liegen, dass Sie den falschen Kommunikationskanal benutzen. Banal, aber wahr.
Übrigens: Für routinierte Kommunikation innerhalb von Projekten können E-Mails, Briefe oder Smartphone-Nachrichten durchaus nützlich sein. Wenn es jedoch darum geht, komplexere Themen zu erörtern oder eine Verhandlung zu führen, dann gibt es kein effizienteres Format als das persönliche Gespräch. Aus diesem Grund verbringen laut einer Studie der Harvard Business School auch im 21. Jahrhundert Manager/innen 60 % ihrer Arbeitszeit in Arbeitstreffen.