Ein Team werden: Teamphasen

Was passiert, wenn Menschen zu einem Team zusammenfinden? Der US-amerikanische Psychologe Bruce Tuckman entwickelte vor etwa einem halben Jahrhundert ein Modell, das die Teamentwicklung beschreibt. Es wird manchmal auch »Teamuhr« genannt. Das Modell zeigt, dass eine Teamentwicklung unterschiedliche Phasen durchläuft. Obwohl es vor fast einem halben Jahrhundert entwickelt worden ist, wird es häufig bei Teamtrainings vorgestellt, da es viele spannende Gedanken enthält.

Forming

Die Gruppe bildet sich. Die Gruppenmitglieder finden heraus, wie man sich verhalten darf, wobei sie sich an anderen Gruppenmitgliedern orientieren. Die Gruppe verhandelt, wie sie mit einem bestehenden Arbeitsauftrag umgeht. Bei neuen oder locker organisierten Gruppen geht es darum, ein Gruppenziel auszuhandeln.

Storming

Es kommt zu Konflikten untereinander. Diese können zwischenmenschlicher Natur sein (wie Machtkämpfe) oder durch ein zwiespältiges Verhältnis von Gruppenmitgliedern zum Arbeitsauftrag oder zum formulierten Ziel entstehen.

Norming

Es sind Verhaltensnormen und Rituale entstanden. Die Gruppenmitglieder akzeptieren, ein Teil der Gruppe zu sein und ein gemeinsames Ziel zu haben. Sie haben Wege gefunden, mit den Eigenarten anderer Gruppenmitglieder umzugehen.

Performing

Die Gruppe hat die zwischenmenschlichen Beziehungen geklärt und widmet sich nun der Arbeit. Sie bewältigt Herausforderungen und löst Probleme. Tuckman ergänzte die vier Phasen später um eine weitere:

Adjourning (mourning)

Die Gruppe hat längere Zeit zusammengearbeitet, den Arbeitsauftrag bewältigt oder das gesetzte Ziel erreicht. Vielleicht löst sich das Arbeitsteam auf, was Gefühle der Trauer oder der Nostalgie auslösen kann.

Diese Teamphasen sind ein Modell, d. h. eine Vereinfachung, die dazu dienen soll, gruppendynamische Prozesse in Teams zu verstehen. Die Phasen können in der Realität in einer anderen Reihenfolge ablaufen, wobei wahrscheinlich ist, dass ausgelassene Phasen zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden. Ein Team kann die verschiedenen Phasen aber auch mehrfach durchlaufen (daher der Vergleich mit einer Uhr).

Welche Schlüsse können Projektmanager/innen aus diesem Modell ziehen?

  • Gruppen sind keine technisch-administrativen Einheiten, denen Arbeitspakete zugeteilt werden können. Die zwischenmenschlichen Prozesse innerhalb der Gruppe wirken sich stark auf ihre Leistungsfähigkeit aus.
  • Konflikte in Gruppen sind normal. Sie treten früher oder später auf und dienen auch der Gruppenbildung, damit eine effizient arbeitende Gruppe entstehen kann. Die Frage ist weniger, wie Konflikte vermieden werden können, sondern ob eine Gruppe konstruktiv mit ihnen umgeht.
  • Bevor eine Gruppe »performt«, also effizient zusammenarbeitet, sind verschiedene Entwicklungen notwendig. Tuckman formuliert drei Phasen vor dem »Performing«.

Aufgaben der Teamleitung während der Teamphasen

Wenn Sie als Projektmanager/in die Aufgabe haben, ein Team anzuleiten, dann stellt sich die Frage, welche Rolle die Teamleitung in den jeweiligen Phasen einnimmt.

Während des Forming haben Sie die Aufgabe, einen Arbeitsauftrag zu vergeben und ihn zu erläutern. Sie sollten dafür sorgen, dass sich die Gruppenmitglieder kennenlernen und Möglichkeiten für informellen Austausch schaffen. Weiterhin planen Sie gemeinsam mit der Gruppe, welches Gruppenmitglied welche Aufgabe oder Rolle übernimmt. Bedenken Sie, dass sich Gruppenmitglieder während dieser Phase an höherrangigen Mitgliedern orientieren (also z. B. an Ihnen), wenn es darum geht, herauszufinden, wie man sich in der Gruppe verhält. Dabei ist Ihr konkretes Verhalten wichtiger als das, was Sie sagen.

Während der Storming-Phase ist die Gruppe mit sich selbst beschäftigt. Sie haben nicht die Aufgabe, Konflikte einzudämmen oder zu unterdrücken, sondern die Gruppe dabei zu unterstützen, Konflikte und Meinungsverschiedenheiten konstruktiv zu klären. Die Teamleitung hat eher eine moderierende Rolle. Diese beinhaltet z. B., dafür zu sorgen, dass es keine schwerwiegenden emotionalen Verletzungen gibt oder Klärungsprozesse nicht als zu langwierig empfunden werden. Ziel ist es, dass die Gruppe die auftretenden Konflikte löst und wieder aus dieser Phase herausfindet, um arbeitsfähig zu werden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Gruppe zerbricht oder dauerhaft schlecht zusammenarbeitet.

Unterstützen Sie die Entstehung von Ritualen, die während der Phase des Normings entstehen. Manchmal lassen sich Gruppenrituale einführen, manchmal entstehen Sie spontan. Dies ist nur bedingt steuerbar. In jedem Fall stärkt es den Zusammenhalt des Teams, wenn es sich nach außen darstellen und abgrenzen kann, um Einigkeit zu demonstrieren. Ist eine Gruppe auf »frisches Blut« angewiesen ist, also auf den Einstieg von Neumitgliedern, sollten Sie darauf achten, dass Gruppenrituale nicht abschreckend oder ausgrenzend wirken.

Beispiel

Ein Beispiel für ein Gruppenritual: Clap Hands!

Ein Verein organisiert zweimal im Jahr eine Veranstaltung. Die Arbeit wird ausschließlich ehrenamtlich geleistet. Es hat sich eingebürgert, dass während der Abschlussrunde alle Personen, die an der Organisation der Veranstaltung beteiligt waren, ausgiebig beklatscht und bejubelt werden. Für die Freiwilligen ist dieses Ritual, wie eine »Motivationsdusche«.

Haben Sie gute Arbeit als Teamleiter/in geleistet, können Sie sich während des Performing zurückziehen. Die Rollen in der Gruppe und die Aufgaben sind verteilt. Die Gruppe arbeitet. Natürlich tragen Sie als Teamleiter/in eine große Verantwortung, müssen Prozesse überwachen und ggf. steuernd eingreifen. Weiterhin sollte die Teamleitung die Erfolge der Gruppe sichtbar machen, da dies die Motivation der Gruppenmitglieder erhöht.

Wenn Sie jedoch das Gefühl haben, dass »nichts ohne Sie läuft«, dann war der Aufbau des Teams nicht erfolgreich. Ein Rückzug aus dem Tagesgeschäft fällt gerade »Kontrollfreaks« schwer, also Menschen, die gerne alles und jeden kontrollieren und noch das letzte Detail der Projektarbeit kennen müssen. Aus diesem Grund eignen sich diese nur bedingt dazu, ein erfolgreiches Team aufzubauen. Sie haben Schwierigkeiten damit, Aufgaben und Tätigkeitsbereiche vertrauensvoll zu delegieren. Die daraus resultierende Arbeitsweise kann für einige Zeit funktionieren, ist aber für alle Beteiligten langfristig sehr anstrengend.

Während des Adjourning (Mourning) hat die Teamleiter/in die Aufgabe, die Arbeit der Gruppe auszuwerten und zu überprüfen, ob die gesetzten Ziele erreicht wurden. Gleichzeitig müssen Gruppenmitglieder auf die Auflösung des Teams vorbereitet werden. Rituale des Abschieds oder der Trauer können hierbei helfen.