Der Zauberer

Die Bedeutung einer guten Bestandsaufnahme der Probleme für die »kreative« Lösungssuche mag folgende Geschichte aus Persien illustrieren:

Beispiel

Der Mullah, ein Prediger, wollte für seine Frau Nüsse holen, denn sie hatte ihm versprochen, Fesenjan, ein Gericht, das mit Nüssen zubereitet wird, zu kochen. In der Vorfreude auf seine Lieblingsspeise griff der Mullah tief in den Nusskrug und fasste so viele Nüsse, wie er nur mit der Hand erreichen konnte. Als er versuchte, die Hand aus dem Krug herauszuziehen, gelang es ihm nicht. So sehr er auch zog und zerrte, der Krug gab seine Hand nicht frei. Er jammerte, stöhnte und fluchte wie ein Mullah es eigentlich nicht tun sollte. Aber nichts half. Auch als seine Frau den Krug nahm und mit der Gewalt ihres Gewichtes daran zog, nützte dies nichts. Die Hand blieb fest in dem Hals des Kruges stecken. Nach vielem vergeblichen Mühen riefen sie ihre Nachbarn zu Hilfe. Alle verfolgten voller Interesse das Schauspiel, das sich ihnen bot.

Einer der Nachbarn schaute sich den Schaden an und fragte den Mullah, wie dies Missgeschick geschehen konnte. Mit weinerlicher Stimme und verzweifeltem Stöhnen berichtete der Mullah sein Unglück. Der Nachbar sagte: »Ich helfe Dir, wenn du genau das tust, was ich dir sage!«. »Mit Handkuss mache ich das, was Du mir sagst, wenn du mich nur von diesem Ungeheuer von Krug befreist.« »Dann schiebe deinen Arm wieder in den Krug hinein.« Dem Mullah kam dies erstaunlich vor, denn warum sollte er mit dem Arm in den Krug hineinfahren, wo er ihn aus ihm heraushaben wollte. Doch er tat, wie ihm geheißen.

Der Nachbar fuhr fort: »Öffne jetzt deine Hand und lasse die Nüsse fallen, die du fest hältst.« Dieses Ansinnen erregte den Unwillen des Mullah, wollte er doch gerade die Nüsse für seine Lieblingsspeise herausholen, und jetzt sollte er sie einfach fallen lassen. Widerwillig folgte er den Anweisungen seines Helfers. Der sagte: »Mach Deine Hand ganz schmal und ziehe sie langsam aus dem Krug heraus.« Der Mullah tat, wie ihm geheißen, und siehe da, ohne Schwierigkeiten zog er seine Hand aus dem Krug.

Ganz zufrieden war er aber noch nicht. »Meine Hand ist jetzt frei, wo bleiben aber meine Nüsse?« Da nahm der Nachbar den Krug, kippte ihn um und ließ so viele Nüsse herausrollen, wie der Mullah brauchte. Mit größer werdenden Augen und vor Erstaunen geöffnetem Mund sah der Mullah zu und sagte: »Bist du ein Zauberer?«