Exkurs: Der Movement Action Plan

Für Gruppen, die sich vor allem als politische Akteure verstehen, hat das Umfeld, in dem sie sich bewegen, eine weitere Bedeutung als für eine projektbezogene kleinere Initiative. Die Vernetzung mit anderen Gruppen ist wichtiger, weil einer Gruppe allein meist die Machtmittel fehlen, um die eigenen Vorhaben oder gar Utopien durchzusetzen. Der Zusammenhang, in dem Gruppen mit einem gemeinsamen Anliegen stehen, wird gemeinhin »Soziale Bewegung« genannt. Soziale Bewegungen – exemplarisch für Deutschland sind etwa die Frauen- oder die Friedensbewegung – ist viel geforscht worden. Wir wollen hier das Augenmerk auf ein Forschungsergebnis richten, das wir für besonders hilfreich halten, wenn es um das Erkennen der eigenen Machtmittel geht.

Ein US-amerikanischer Basisaktivist und Bewegungsforscher, Bill Moyer, hat als Trainer mit vielen politischen Aktionsgruppen gearbeitet und daraus Erkenntnisse gewonnen, die er in seinem »Movement Action Plan« zusammengefasst hat. Anlass für seine Untersuchung war die immer wiederkehrende, ihn verblüffende Erfahrung, dass politische Aktionsgruppen ihre Erfolge nicht erkennen und daher nicht darauf aufbauen können. Die Ursache für diese Schwachstelle sieht er in einem zu engen Blickwinkel der Aktivisten und Aktivistinnen, die nur sich und ihre momentane Betroffenheit sehen und dabei die Geschichte der Sozialen Bewegung außer Acht lassen.

Bill Moyer hat im Rahmen seiner Untersuchungen erfolgreicher Sozialer Bewegungen acht typische Entwicklungsstadien ausgemacht: Er beginnt seine Beschreibung mit dem ersten Stadium, in dem ein kritisches geselIschaftliches Problem zwar besteht, aber nur Einzelne es bereits erkennen. Die Soziale Bewegung wächst langsam, erste Erfolge stellen sich ein. Seine Beschreibung endet mit Stadium 8, wo die erreichten Erfolge ausgeweitet werden, indem neue Soziale Bewegungen an den ungelösten Problemen entstehen. In jedem Stadium gibt es typische Reaktionsweisen der Öffentlichkeit, der Opposition und der Herrschenden, etwa den Versuch letzterer, das Problem so lange wie möglich zu leugnen.

Spannend werden Moyers Erkenntnisse dort, wo er feststellt, dass sich bei Sozialen Bewegungen in der Regel ausgerechnet dann ein starkes Gefühl von Misserfolg einstellt, wenn sich real eigentlich Erfolge zeigen und die Bewegung sich etabliert hat. Dieses Gefühl wird von den Aktivisten und Aktivistinnen selbst natürlich untermauert mit rationalen Erklärungen. Aber diese treffen meist nicht den Kern, zumindest dann nicht, wenn die langfristige Dynamik der Bewegungen in den Blick genommen wird. Die Stadien und die typischen Reaktionen können hier nicht im Einzelnen vorgestellt werden. Genügen soll ein Hinweis darauf, dass es sich für jede Aktionsgruppe empfiehlt, den eigenen Ort in der Geschichte der jeweiligen Sozialen Bewegung sorgfältig zu bestimmen und sich somit zu schützen vor übertriebenen Euphorien, die sowieso nur kurzfristig halten, und vor Misserfolgsmeldungen, die voreilig das Ende der Bewegung nach sich ziehen.

Literaturtipp

Bill Moyer: Aktionsplan für soziale Bewegungen, Kassel 1989