Ausgangslage/Rahmenbedingungen
Die Siedlung »Neues Schöpfwerk« im Süden Wiens, Ende der Siebzigerjahre erbaut, beherbergt knapp 5000 Einwohner/innen in 1700 Wohnungen in vier Bauteilen. Dichte und Dimension, sowie die architektonische Abgeschlossenheit der Stadtrandsiedlung, bedingten bald eine Stigmatisierung, unter der viele Bewohner/innen leiden. Einer der Bauteile, der so genannte Schöpfwerker Nordring mit rund 600 Wohneinheiten, gilt als sozialer Brennpunkt. Mit der Ladenzeile ist er ein stark frequentierter Ort. Nachbarschaftskonflikte, Spannungen zwischen Generationen und kulturell beeinflusste Konflikte sowie Vandalismus treten auf. Viele Mieter/innen klagen über die relativ hohe Miete. Diese Problemlagen, verbunden mit einer hohen Anonymität, haben Passivität der Mieter/innen zur Folge. Nur wenige Bewohner/innen nehmen an öffentlichen Diskussionen teil. Zu Mieter/innenversammlungen erscheinen in der Regel unter 10 Personen. Daher entschied sich die Projektgruppe, in diesem Bauteil eine Aktivierende Befragung durchzuführen. Eigentümerin der Wohnhausanlage ist die Stadt Wien. Wien wird seit Jahrzehnten von der SPÖ regiert, die zurzeit über die absolute Mehrheit im Gemeinderat verfügt.
Sechs am Schöpfwerk angesiedelte Institutionen bildeten im Dezember 2001 die Projektgruppe »Schöpfwerk-Ideen« (u.a. Jugendeinrichtungen, Musikhauptschule und Stadtteilzentren). Den Auftrag zur Aktivierenden Befragung gab sich die Projektgruppe selbst, für einige Einrichtungen entsprang er ihrer Konzeption. Hauptverantwortlich und federführend war das Stadtteilzentrum Bassena (Initiatorin des Projekts), das unter der Trägerschaft der Wiener Jugendzentren (einem von der Stadt Wien beauftragten Verein) arbeitet.
Ziele der Aktivierenden Befragung
- Es wurde erhoben, welche Themen die Menschen derzeit beschäftigen, wo sie aktiv sind und wo sie aktiv werden wollen.
- Im Stadtteil entstand die Chance auf eine nachhaltige Problembearbeitung: Anliegen der Bewohner/innen wurden sichtbar, Konfliktparteien artikulierten unterschiedliche Auffassungen, eigene Anliegen wurden formuliert, ein gemeinsames Vorgehen sollte folgen.
- Als sichtbarster Erfolg organisierten sich Bewohner/innen und engagierten sich einzeln oder möglicherweise als Initiativgruppen für ihre Anliegen. Gruppen wurden – je nach Vereinbarung – durch Professionelle begleitet.
- Die beteiligten Einrichtungen gewannen einen intensiven Einblick in die Lebenswelten der Bewohner/innen. Kontakte zu Bewohner/innen und Multiplikator/innen entstanden.
- Soziale Einrichtungen erschlossen neue Ressourcen für den eigenen Arbeitsauftrag.
- Eine in Wien neue Methode der Gemeinwesenarbeit wurde erprobt.
Besonderheiten der Vorgehensweise
Austauschforum zur Professionalisierung oder Personalressourcen
Durch die Gründung einer überregionalen, interdisziplinären Arbeitsgruppe für Aktivierende Stadtteilarbeit in Wien (asa.wien.ag) – ein Austauschforum von ca. 20 gemeinwesenorientierten Institutionen aus der ganzen Stadt – wurde der Rahmen für eine professionelle und institutionenübergreifende Auseinandersetzung mit Aktivierungsmethoden geschaffen. Die asa ist für Institutionen, die gerade Aktivierungsprojekte durchführen oder solche vorbereiten, Ort für Intervision und Reflexion. Sie erleichtert den Wissens- und Erfahrungstransfer. Außerdem nahmen über 20 Professionelle aus der asa am Projekt »Am Schöpfwerk« als Befrager/innen teil. Zusammen mit Mitarbeiter/innen aus vielen Wiener Einrichtungen, Student/innen aus den Wiener Akademien für Sozialarbeit und Mitgliedern der Projektgruppe bildeten sie Teams zur Befragung. Einerseits konnten Profis und Studierende diese für Wien neue Methode erproben, andererseits standen dem Projekt »Am Schöpfwerk« eine Vielzahl von Ressourcen zur Verfügung. Aus dem momentanen Blickwinkel stellte die asa einen unverzichtbaren Gewinn für das Projekt Aktivierende Befragung »Am Schöpfwerk« dar.
Ganzheitliche Befragung
Die Aktivierende Befragung »Am Schöpfwerk« zielte darauf ab, möglichst alle Bewohner/innen zu erreichen. So wurden neben den 270 Haushaltsgesprächen auch 30 Gespräche im öffentlichen Raum mit Kindern und Jugendlichen sowie in sozialen Einrichtungen (Jugendzentrum, Hauptschule) geführt. Jugendliche wurden dabei an »ihren« Plätzen aufgesucht und in Gruppen befragt. Dabei konnte auf Erfahrungen der beteiligten Jugendeinrichtungen zurückgegriffen werden. Diese Gruppengespräche können durchaus als vorweggenommene Bewohner/innenversammlungen von Jugendlichen gesehen werden. Die Befrager/innen bedienten sich dabei des Leitfadens der Haushaltsbefragung. Unsere Erfahrungen: Befragungen im öffentlichen Raum waren ein geeigneteres Instrument, um an Jugendliche heran zu kommen als eine Bewohner/innenversammlung, die in unserem Fall in der Hauptsache Erwachsene angesprochen hat.