Aktivierung und Beteiligung stehen derzeit – zumindest programmatisch – hoch im Kurs. Bei genauerem Hinsehen zeigen sich jedoch so manche Tücken: Da werden Veranstaltungen perfekt durchorganisiert und degradieren Beteiligung zur Verkaufsveranstaltung. Beteiligung sieht dann oft so aus, dass mit Powerpoint-Demonstrationen die Leute »plattgebeamt«, mit Overheadprojektoren geblendet oder mit der Aufgabe, Moderationskärtchen zu kleben, schlichtweg überfordert werden.
Und selbst die Aktivierende Befragung verkommt mancherorts zum einmaligen aktionistischen Happening, das sich in einer Hochglanzbroschüre gut vermarkten lässt – selbst wenn die Akteure kurze Zeit später bereits das Weite gesucht haben. Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer – und eine Aktivierende Befragung allein bringt den Stadtteil nicht auf Trab.
Die folgenden Ausführungen sollen Hinweise liefern, um die Ausgangslage für Aktivierungs- und Beteiligungsprozesse einschätzen zu können. Sie zeigen Faktoren auf, die Menschen – trotz einer wunderbar organisierten und durchdachten Aktivierenden Befragung – oftmals daran hindern, aktiv zu werden.
Zu den Aufgaben sozialraumorientierter Arbeit gehört es, die Ausgangslage für Beteiligungsprozesse nicht nur zu analysieren, sondern darüber hinaus an der Verbesserung dieser Situation zu arbeiten. Geschieht dies nicht, werden die vorhandenen Schwellen der Aktivierung akzeptiert und gerade ohnehin benachteiligte Bevölkerungsgruppen weiter ausgegrenzt. Dann heißt es – wie so oft angesichts mangelnder Teilnahme an einer Versammlung – nach einer Aktivierenden Befragung: »Die Leute hatten keine Lust mitzumachen« .
Bei derartig verkürzten Analysen über geringe Beteiligungsquoten werden die Zugangsvoraussetzungen ignoriert. Wer Beteiligung fördern will und Beteiligungsmöglichkeiten schafft, dabei jedoch den Status Quo der Ausgangslage hinnimmt, akzeptiert einen »sozialdarwinistischen Filter« (Emig 1995) mit gesellschaftlichen Folgen: Wer sich Engagement leisten kann, bestimmt über die mit, die nicht können oder wollen. Es darf dementsprechend nicht darum gehen, durch eine Akzeptanz der Zugangsschwellen die sich ohnehin kontinuierlich hochschaukelnde »Spirale der Benachteiligung« zu verstärken und damit soziale Spaltungsprozesse zu forcieren.
Soziale Arbeit kann stattdessen darauf achten – parallel zu Aktivierenden Befragungen und der Organisation von Partizipationsforen – die Voraussetzungen bei den Bewohner/innen zu befördern, um aktiv zu werden. Im Folgenden sollen zunächst kurz die Stufen von Partizipation und dann die Vielfalt fördernder und behindernder Faktoren benannt werden, um Hinweise für die Arbeit zu liefern, die parallel zur Aktivierungsarbeit notwenig ist, um Partizipation nachhaltig zu fördern.
Stufen der Partizipation
Zur systematischen Einordnung von Partizipation als Ergebnis der Teilhabegewährung der Entscheidungsträger/innen (z.B. Politik) und der Teilnahme eines interessierten Personenkreises (z.B. Bürger/innen), schlage ich ein Stufenmodell vor, das in Anlehnung an Wickrath (1992) entwickelt wurde (s. dazu ausführlich Lüttringhaus 2000):
Das Modell kann hilfreich sein, um bei der Förderung von Partizipation Fehleinschätzungen zu vermeiden (z.B. zu viel zu versprechen) und im Vorfeld zu klären, welche Stufe von Partizipation auf Grund der jeweiligen politischen Rahmenbedingungen (z.B. Gesetze; Bereitschaft der Entscheidungsträger/innen) und der eigenen Potenziale (z.B. Protestpotenzial) möglich ist und angestrebt wird.
Grundvoraussetzungen politischer Partizipation
Das nächste Modell zeigt nun wesentliche Faktoren auf, die helfen können das jeweilige Potenzial an Partizipationsbereitschaft einordnen zu können. Damit werden auch die Punkte aufgezeigt, die durch eine langfristig angelegte soziale Kommunalpolitik (u.a. durch Gemeinwesenarbeit bzw. Quartiermanagement) verändert werden können, um die Chancen zur Teilnahme am öffentlichen Geschehen zu verbessern (s. dazu ausführlich Lüttringhaus 2000).
Ich möchte zeigen, dass eine Vielzahl einzelner Faktoren aufeinander aufbauen bzw. sich gegenseitig beeinflussen und tendenziell die jeweils nächste Stufe des Partizipationsprozesses mitbestimmen.
Den Ausgangspunkt für Partizipationsprozesse bildet zunächst eine Sachlage, in der zwei oder mehrere miteinander konkurrierende Entscheidungsalternativen bestehen, die einen Aushandlungs- bzw. Partizipationsprozess erfordern (vgl. ebd., S. 20). Das Partizipationsverhalten auf den vier Partizipationsstufen wird jeweils durch subjektive und objektiv-strukturelle Grundvoraussetzungen (Determinanten) bedingt, die sich wechselseitig beeinflussen und jeweils eine wichtige Grundlage bilden für den Übergang von einer Teilnahmeform zur Nächsten. Das Modell räumt mit der nicht selten anzutreffenden Vorstellung auf, man könne durch die Veränderung eines Faktors – beispielsweise durch eine einmalige gezielte niederschwellige Aktivierung – die Teilnahmebereitschaft dauerhaft steigern. Es verdeutlicht somit die Komplexität und Verwobenheit der Faktoren und kann – mit Blick auf Partizipationsprozesse – übertriebene Erwartungen Sozialer Arbeit dämpfen. Es unterstreicht stattdessen die Notwendigkeit einer langfristig angelegten sozialen Kommunalpolitik auf vielen Ebenen, um Ausgrenzung zu minimieren. Ich möchte betonen, dass das Modell teilweise eine Linearität und Universalität suggeriert, die es in dieser strikten und reduzierten Form nicht gibt. Die hier gewählte Systematik soll lediglich zur groben Systematisierung dienen.