Doorknocking

Seite 1: Zielsetzung, Besonderheiten der Vorgehensweise

Zielsetzung des »Doorknocking«

Der englische Begriff kommt aus der Tradition des Community Organizing (»Gemeinschaft/Nachbarschaft organisieren«). Wenn in einer Nachbarschaft »organisiert« wurde, gingen die Aktiven von Haustür zu Haustür und »klopften an«, um ein kurzes, persönliches Gespräch zu führen. Übersetzt wird es hier mit »Haustürgespräch«. Sie sind sinnvoll,

  • wenn eine bestimmte Information besonders wirkungsvoll verbreitet werden soll. Dazu sind Handzettel zwar auch wichtig, aber sie werden in der Regel wenig gelesen, wenn sie einfach nur so im Briefkasten liegen.
  • zum ersten, oberflächlichen Kennenlernen der Bewohner/innen in einem bestimmten Haus oder einer bestimmten Gegend
  • zur kurzfristigen Erinnerung: »Heute abend ist die Bewohnerversammlung, an der Sie Interesse hatten. Hier ist der Handzettel« oder »morgen findet eine Spielplatzaktion statt – haben Sie davon schon gehört?«

Bekanntlich bleiben Informationen besser hängen, wenn sie auf mehreren sinnlichen Ebenen erfahrbar sind. Wenn Informationen über ein Haustürgespräch vermittelt werden, passiert aus der Sicht des Besuchten gleichzeitig sehr viel:

  • Störung/ Unterbrechung: Jemand steht vor meiner Haustür – also passiert etwas Wichtiges. Achtung: Vielleicht löst das Klingeln an der Wohnungstür aber auch Ärger über eine Störung oder Misstrauen und Angst aus.
  • Persönlicher Kontakt: Eine Person übergibt mir eine Information, d.h. irgendwie hat diese Person etwas mit dieser Information zu tun.
  • Entscheidungsfreiheit: Es ist offen, wie ich mit dieser Situation umgehe. Ich habe mehrere Möglichkeiten:
  • Dies kann mich neugierig machen auf das, worüber mich diese Person informiert (wenn mir diese Person bekannt ist oder ich sie sympathisch finde).
  • Ich kann über diese Information ins Gespräch kommen bzw. Fragen stellen (z.B. »Wer hat sie geschickt? Warum machen Sie das? Was soll das bewirken?«)
  • Ich kann die Tür sofort wieder schließen, im Türrahmen ein Gespräch führen oder die Person bitten herein zu kommen.
  • Ich kann meine Meinung oder Andeutungen dazu machen, ob mich dieses Thema überhaupt interessiert.
  • Ich kann bei dieser Gelegenheit abchecken, ob ich mit dieser Person oder dieser Sache etwas weiter zu tun haben will. Vielleicht habe ich ja vorher schon mal was von dieser Sache gehört, aber wusste nicht, wer dahinter steckt oder was das für mich bedeuten könnte.
  • Wenn ich etwas Schriftliches nach diesem Haustürgespräch in der Hand habe, kann ich es lesen, wegschmeißen, für später aufbewahren, mit anderen drüber sprechen...

Es ist von zentraler Bedeutung, dass die besuchte Person diese Wahlfreiheit spüren kann!

Besonderheiten in der Vorgehensweise

Die Tabelle verdeutlicht stichwortartig die Unterschiede zwischen »Doorknocking« und Aktivierenden Gesprächen/Interviews.

»Doorknocking« Aktivierende Gespräche
Ziel Ich habe ein Thema, zu dem ich kurz informieren will und nehme das zum Anlass für ein kurzes Gespräch Ich bin offen, für die Themen die mein Gegenüber nennt
Mögliche Einsatzbereiche Erinnerung an eine konkrete Veranstaltung, z.B. eine Bewohner/innenversammlung an der Interesse gezeigt wurde Offene Fragen: Was sind die Themen im Viertel?
Leute motivieren etwas bestimmtes zu tun Offene Frage: Worüber ärgern Sie (die Bewohner/innen) sich?
Ersten Kontakt herstellen – das »Gesicht« kennen lernen, das hinter der Tür wohnt Wer sind wichtige Schlüsselpersonen im Viertel?
Kurz- Umfragen/ Erhebungen: z.B.: Haben Sie auch Schimmel in Ihrer Wohnung? Was sind die Eigeninteressen der Personen? Was bewegt sie wirklich?
Kurzes Anknüpfen an einen alten Kontakt
Smalltalk zwischen Tür und Angel um über aktuelle Ereignisse im Viertel informiert zu werden
Methoden Hauptsächlich geschlossene Fragen (»Haben Sie...?, Kommen Sie...?«)
Offene Fragen z.B. Was gefällt Ihnen im Viertel?
»Nebenziel« Kontakt herstellen – Anknüpfungspunkte für weitere Kontakte finden Kontakt herstellen – Anknüpfungspunkte für weitere Kontakte finden
Immer etwas Schriftliches hinterlassen z.B. Termine, Anmeldezettel oder die neue Stadtteilzeitung
Gut zuhören und alle Eindrücke auf sich wirken lassen! Gut zuhören und alle Eindrücke auf sich wirken lassen!
Dauer Wenige Minuten 15 bis 45 Minuten
Zeitpunkt/ Ankündigung
unangemeldet Nach Vereinbarung, nach vorheriger Information durch Anschreiben
Zu beachten!
Sehr sensibel sein, ob Leute sich über die unangemeldete Unterbrechung freuen oder ob sie sich gestört fühlen
Nachbereitung Notizen machen!
Mögliche Anknüpfungspunkte für später notieren
Keine vorschnellen Schlüsse ziehen. In einem kurzen Gespräch werden nur selten die wichtigsten Sachen gesagt!
Notizen machen!
Keine vorschnellen Schlüsse ziehen!
Seite 2: Erkenntnisse, Kritische Punkte, Kontaktadressen

Erkenntnisse

Wichtig ist die innere Haltung beim »Doorknocking«:

  • Ich bin keine Bettlerin oder Vertreterin, die Ramsch verkaufen will oder Leute zu etwas manipulieren will, sondern: ich mache ein Angebot!
  • Ich komme möglicherweise zu einem unpassenden Augenblick und mache daher dem Gegenüber deutlich, dass ich respektiere, wenn dieser jetzt nicht mit mir reden möchte. Oft lässt sich das schon an der Mimik des Gegenübers ablesen. Wenn die Person sauer guckt, kann auch ein »Entschuldigen Sie, dass ich Sie störe, ich...« helfen (es gibt aber meistens viele, die durchaus Zeit und Interesse haben zu reden).
  • Die Person sollte spüren können, dass sie die Entscheidungsfreiheit hat, also keinen moralischen Druck machen, wenn jemand gerade nicht mit einem sprechen will.
  • Es ist einfach so, dass Leute, die keinen Terminkalender führen auch Termine, die ihnen wichtig sind, schon mal vergessen. Deshalb sind viele dankbar für diese kleine Erinnerung.
  • Öfters mal eine kurze Runde Haustürgespräche – das ist das beste Gegenmittel gegen zu viel Schreibtischarbeit. Da erweitert sich der eigene Blick sofort und bringt einen ein Kontakt damit, was bei den Menschen im Stadtteil angekommen ist oder wie Informationen aufgenommen werden (»Ach, den Handzettel habe ich noch gar nicht gesehen..., haben Sie schon gehört...«).
  • Haustürgespräche lassen sich gut gemeinsam mit aktiven Bewohner/innen durchführen. Sie sind ein gutes Übungsfeld, damit sich Bewohner/innen überhaupt trauen, Nachbarn (mit denen sie nicht bekannt oder befreundet sind!) zu besuchen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Dann ist es allerdings wichtig, vorher genau die Rollenverteilung abzusprechen!

Kritische Punkte

  • Wenn Leute sich darauf verlassen können, dass vor Versammlungen jemand zum Erinnern vorbeikommt, nach dem Motto: »Wenn es wirklich wichtig ist, dann kommt sie noch mal vorbei und erinnert mich« – dann ist man wohl zu häufig vorbeigelaufen.
  • »Doorknocking« ermöglicht den Kontakt zu vielen Personen innerhalb von kurzer Zeit. Allerdings muss ich mir im Klaren darüber sein, dass auch mehrere kurze Haustür-Gespräche kein Ersatz für ein längeres offenes Gespräch mit einer Person ist.
  • Wenn einem viele Türen vor der Nase zugeschlagen werden, kann das schon mal auf die eigene Stimmung schlagen und man fühlt sich wie eine Vertreterin für Staubsauger. Mit schlechter Stimmung lassen sich solche Gespräche nicht führen, dann besser aufhören und an einem anderen Tag weitermachen.
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Philippstraße 4
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E-Mail: hille.richers@t-online.de

Autor

Dieser Beitrag von Hille Richers ist folgener Publikation entnommen:
Handbuch Aktivierende Befragung: Konzepte, Erfahrungen, Tipps für die Praxis (Bonn 2012)
Die Publikation finden Sie hier.