»Das ist doch was für alte Leute hier?!« (Lahnstein)

Als Vertretungsprofessor der Hochschule Koblenz wurde Michael Noack vom Caritasverband Westerwald-Rhein-Lahn, dem Träger der stationären Altenpflegeeinrichtung »Haus St. Martin«, beauftragt, eine Sozialraumanalyse durchzuführen. Die Ergebnisse der Stiftung fungierten als Grundlage für die Entwicklung eines Antrags auf Fördermittel, der beim Deutschen Hilfswerk (DHW) eingereicht wurde. Einen Schwerpunkt legt die Stiftung auf die Förderung von »Projekten mit Ansatz zur Quartiersentwicklung«.

Ausgangslage

Als Vorbereitung auf das geplante Projekt wurde eine Stadtteilwerkstatt durchgeführt, die die Bewohner/innen der Altenpflegeeinrichtung, die Stadtteilbewohner/innen, Vertreter/innen sozialer Dienste aus dem Stadtteil und Akteur/innen der Kommunalpolitik und -verwaltung an der Projektentwicklung beteiligen sollte. Dies stellte insofern eine Herausforderung dar, dass durch die Teilanalysen zu einem Zeitpunkt Bedürfnisse aufgedeckt und ggf. Erwartungen bezüglich der Deckung dieser Bedürfnisse geweckt wurden, an dem noch nicht klar war, ob das geplante Quartierprojekt überhaupt gefördert werden würde. Die Förderzusage erfolgte ein halbes Jahr nach der Quartierwerkstatt.

Die Initiator/innen des Projekts begannen ihre Arbeit mit aktivierenden Haustürgesprächen, um Erkenntnisse der sozialraumanalytischen Untersuchung sechs Monate zuvor, mit der lediglich ältere Bewohner/innen erreicht worden waren, zielgruppenübergreifend zu aktualisieren. Aufgrund der Feststellung, dass viele den Begriff »aktivierende Befragung« mit einem Forschungsprojekt in Verbindung brachten, wurde Bewohner/innen, Presse und Kooperationspartner/innen deutlich gemacht, dass es sich bei dieser Befragung – im Gegensatz zur vergangenen Sozialraumanalyse – nicht um ein Forschungsvorhaben handelte.
Im Fokus stand die Herausforderung der »Gestaltung des demografischen Wandels«. Ziel war es, die Folgen des demografischen Wandels auf der Quartierebene inklusiver zu gestalten, indem alle Bürger/innen- und Altersgruppen im Gemeinwesen in das Quartiermanagement einbezogen werden sollten.

Ziele und Vorgehensweise

Eine Woche nachdem die ersten Presseberichte zur Ankündigung der Haustürgespräche in der lokalen Tageszeitung und in einem lokalen Anzeigeblatt veröffentlicht worden waren, meldete sich ein Mann, der großes Interesse an dem Quartierprojekt zeigte und einige Verbesserungsvorschläge für eine Optimierung der Lebensqualität vor Ort hatte. Allerdings kam der Mann aus einem gänzlich anderen Stadtteil als jenem, für den die Fördermittel beantragt worden waren. Da es sich bei dem Mann jedoch um eine stadtbekannte Schlüsselperson handelte, die erheblichen Einfluss auf den Stadtdiskurs nehmen konnte, nutzte die Projektleitung das Gespräch dennoch, um die aktivierenden Haustürgespräche weiter zu bewerben. Sowohl die aktivierenden Gespräche, als auch die anschließende Gemeinwesenarbeit sollte nicht an Stadtteilgrenzen halt machen.

Um die Menschen, die bereits an der Stadtteilversammlung teilgenommen hatten, auch für die Bewohner/innenversammlung zu sensibilisieren und darüber hinaus die Chance zu erhöhen, sechs Monate nach der Stadtteilversammlung noch wiedererkannt zu werden, nutzten die Projektleiter/innen als Einladung das »Stadtteilquartett«, das sie während der Stadtteilwerkstatt etabliert hatten. Im Rahmen der Sozialraumanalyse waren vier Stadtteildimensionen fokussiert worden, entlang derer die Analyseergebnisse ausgewertet und Handlungsvorschläge für das Quartiermanagement abgeleitet worden waren, die in der Stadtteilwerkstatt zu Diskussion gestellt wurden.
Die Bezeichnung »Stadtteilquartett« sollte einerseits darstellen, dass die Gestaltung des demografischen Wandels analytische und konzeptionelle Klarheit hinsichtlich der Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb der unterschiedlichen Dimensionen erfordert und andererseits die Verwobenheit der vier Stadtteildimensionen (Wohnraum & öffentlicher Raum, Helfens- & Hilfsbedarf, Besorgung & Versorgung, Freizeit & Kultur) im Alltagsleben der Bewohner/innen des Altenzentrums und des Stadtteils kennzeichnen.

Bei der Bewohner/innenversammlung war es den Veranstalter/innen wichtig, auch artikulationsschwache Personen miteinzubeziehen und ihren Rückzug in eine reine Zuschauerrolle zu vermeiden. Zu diesem Zweck wurden im Anschluss an die Besichtigung der Ergebniswände samt etwaiger Ergänzungen vier Arbeitsgruppen gebildet, die sich mit je einer Dimension des »Stadtteilquartettes« beschäftigten. Die Arbeitsgruppen, in denen Maßnahmen zum Ausbau genannter Stärken der jeweiligen Stadtteildimension und der Kompensierung benannter Schwächen entwickelt werden sollten, ermöglichten es auch jenen Teilnehmer/innen ihre Sicht einzubringen, die sich während der Diskussion im Plenum auf das Zusehen beschränkt hatten.

Kritische Punkte

Erst nach der Durchsicht der ersten Gesprächsprotokolle wurde deutlich, wie wichtig eine entsprechende Schulung der Studierenden war, die bei der aktivierenden Befragung halfen. Diese wurde unverzüglich nachgeholt, indem die Studierenden dafür sensibilisiert wurden, bei jedem protokollierten Satz zu reflektieren, ob dieser die »sieben W-Fragen« (Was macht wer, wo, wann, wieso, wie häufig und warum?) beantwortete.

Auch entging den Projektleiter/innen bei der Festlegung des Termins für die Bewohner/innenversammlung, dass dieser in die erste Woche der Sommerferien fiel und zeitgleich mit einer Informationsveranstaltung eines Bauinvestors stattfand, der in der Stadt ein neues Wohnquartier errichtete. Zudem waren bei der Versammlung Menschen ab dem 60. Lebensjahr überproportional vertreten, was auf eine ungeschickte Wahl des Veranstaltungsortes zurückgeführt wurde. Bei diesem handelte es sich um den Tagesraum der Altenpflegeeinrichtung. Viele Menschen, die die Adresse auf den Flyern und Plakaten sahen, mit denen zusätzlich zu persönlichen Einladung während der Haustürgespräche für die Bewohner/innenversammlung geworben wurde, nahmen deshalb an, dass es sich um eine Veranstaltung für ältere Leute handelte.