Die Ausgangsbasis dieser Untersuchung
Ausgangspunkt war ein 2004 vom Jugendamt in Berlin-Neukölln veröffentlichtes Papier mit der Überschrift »Mehr Vorsorge – weniger Nachsorge.« Darin werden etliche Maßnahmen benannt, die nötig sind, um die Jugendhilfelandschaft im Bezirk zu reformieren. Betont wird, dass es lebenswelt- und sozialraumorientierter, präventiver Familienunterstützung bedürfe, um so genannte bildungsferne Milieus zu erreichen, insbesondere solche mit Migrationshintergrund. Denn gerade diese Milieus begegnen nach Einschätzung des Jugendamtes Präventivangeboten wie Schwangerschaftsberatung, Erziehungs- und Familienberatung, Gesundheitsuntersuchungen etc. bislang meist skeptisch bis gleichgültig.
Die Brisanz und Relevanz des Themas
Auch der aktuelle 12. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung (BMFSFJ 2005) zeigt die Bedeutung dieses Themas. Er kritisiert, dass bislang viel zu wenig getan wird, um benachteiligte Eltern, und zwar insbesondere Familien mit Migrationshintergrund, frühzeitig anzusprechen und zu unterstützen. So erreicht etwa das gegenwärtige Angebot der Familienbildungsstätten nur 5% der Eltern. Diese gehören zudem mehrheitlich zur Mittelschicht. Um das zu ändern und – wie es im Bericht heißt - »Familienbildung in Deutschland als Selbstverständlichkeit zu etablieren« (ebd.:261), sind gelingende niedrigschwellige Angebote nötig. Sie sollen gerade sozial benachteiligte Eltern ansprechen.
Entsprechend lautete die zentrale Fragestellung unserer Studie:
Wie müssen familienunterstützende Angebote strukturell und methodisch gestaltet sein, damit Migrantenfamilien sie als attraktiv und hilfreich erachten und nutzen?
Der Forschungsstand
Die Ausgangslage unseres Forschungsprojektes war dadurch gekennzeichnet, dass auf mehreren Ebenen der Eindruck geäußert wurde, es werde bislang noch zu wenig getan, um Migrantenfamilien frühzeitig anzusprechen und Angebote zu entwickeln, die sie als hilfreich erachten und nutzen. Doch die wenigen bereits durchgeführten Praxisforschungsprojekte beziehen sich in erster Linie auf die vorhandenen Schwierigkeiten bei der Arbeit mit Migrantenfamilien. So befassen sich die Studien zur Inanspruchnahme von Angeboten durch Migrantenfamilien, z.B. in der Kinder- und Jugendhilfe, ausschließlich mit den dabei auftretenden Problemen bzw. mit den Gründen für die Nicht-Inanspruchnahme. (22)
Nur vereinzelt gibt es Studien, die erfolgreiche Handlungsstrategien in den Fokus stellen. Hier sei besonders auf die Studie von SORG (2002) verwiesen. Die Autorin untersuchte »Erfolgreiche Kommunikation in der interkulturellen Verwaltungspraxis.« Sie führte dazu Interviews mit Mitarbeitenden des Sozialamtes sowie des Wohnungs- und Flüchtlings-amtes und beobachtete sie in alltäglichen interkulturellen Arbeitssituationen. Darüber hinaus sprach sie mit Nutzern und Nutzerinnen. Ergebnis dieser Studie ist ein ansprechend gestaltetes Handbuch für die tägliche Praxis der interkulturellen Kommunikation im Verwaltungsbereich. Diesen von Sorg eingeschlagenen Weg haben wir weiterverfolgt und erfolgreich arbeitende Projekte in Neukölln hinsichtlich der Geheimnisse ihres Erfolgs unter die Lupe genommen.
Die Ziele der Untersuchung
Unsere Studie verfolgt zwei eng miteinander verbundene Zielstellungen. Wir beleuchten einerseits Projekte, die bereits gelingende Ansätze praktizieren, und wir versuchen andererseits im Austausch mit verschiedenen Akteuren noch andere unterstützende Faktoren zu finden:
Zum einen wurden exemplarisch bisherige Vorgehensweisen im Bezirk Neukölln bezüglich ihrer gelingenden Anteile untersucht und systematisiert dokumentiert. Dabei haben wir sowohl die Struktur- als auch die Prozessqualität berücksichtig und gefragt, wo die Unterstützung von Familien aus so genannten bildungsfernen Milieus bzw. von Migrantenfamilien gelingt und welche strukturellen, prozessualen und methodischen Faktoren dafür wesentlich sind.
Zum anderen bestand unser Ziel darin, weitere denkbare, aber bislang noch nicht realisierte, d.h. potenzielle Faktoren des Gelingens herauszuarbeiten. Hierzu haben wir unsere Fragestellungen und Zwischenergebnisse mit Personen aus unterschiedlichen Bereichen diskutiert, wie etwa
- mit Fachleuten im Jugendamt und in anderen Verwaltungen,
- mit Praktiker(inne)n bei freien und kommunalen Trägern der Jugendhilfe,
- mit Migrantenfamilien und Vertreter/innen ihrer Kulturgruppen und schließlich mit
- Nutzer(inne)n von familienunterstützenden präventiven Angeboten.

Um unsere Forschungsziele zu erreichen, haben wir drei unterschiedliche Perspektiven einbezogen: die Perspektive von Konzeptionell Tätigen, die Perspektive derjenigen, die die Konzeptionen in die Praxis umsetzen und schließlich die Perspektive der Nutzerinnen und Nutzer.