Ein grauer und recht kalter Februarnachmittag. Normalerweise liegt das Grundschulgebäude im Nordosten Neuköllns kurz vor 16 Uhr ruhig und verlassen da. Doch an diesem Montag finden sich einige Eltern ein und lassen sich durch gut sichtbare Hinweiszettel in türkisch, arabisch und deutsch durch das Schulgebäude führen. Am Ziel dieser Wegweisung stehen bereits einige Eltern auf dem Flur vor drei offenen Klassenzimmern. Getränke und etwas Knabbergebäck schaffen eine einladende Atmosphäre und erleichtern den Zugang mit einem unverbindlichen Blick sowie ersten Worten.
»Hoşgeldin Bacım« begrüßt mich ein freundlich lächelnder Mann mittleren Alters. Eine für eine Schule überraschend unformale Begrüßung, die soviel bedeutet wie: »Willkommen Schwester.« Allmählich gelingt das Abschalten vom Arbeitsalltag und die angenehme Stimmung lässt Neugier entstehen, was wohl noch kommen mag. An den Türen der drei nebeneinander liegenden Klassenzimmer kleben Zettel, an der einen auf Deutsch, an den anderen auf Türkisch bzw. Arabisch. Um 16 Uhr werden die Eltern gebeten, sich in die Räume zu begeben, in denen sie sich sprachlich am wohlsten fühlen. Zugleich werden die Kinder, die teilweise mit den Eltern mitgekommen sind, in den Kinderklub der Schule begleitet. Dort ist schon alles vorbereitet, um eine interessante und kurzweilige Spiel- und Bastelzeit zu verleben. Zwei freundliche Erzieherinnen sprechen die Kinder abwechselnd in verschiedenen Landesprachen an.
In den Räumen der Eltern beginnen nun die Veranstaltungen in den verschiedenen Sprachen. In unserem Raum sind rund zwanzig Mütter unterschiedlichen Alters, teilweise mit Kopftuch. Auch ein Vater hat sich eingefunden. Der Herr, der uns zuvor so herzlich auf dem Flur begrüßt hat, stellt nun einen Psychologen türkischer Herkunft vor, der in Berlin eine psychotherapeutische Praxis führt. Er wird an diesem Abend zu Erziehungsfragen im Grundschulalter referieren. In einfachen Worten berichtet der Psychologe von alltagstypischen Situationen, die einige Eltern sehr gut zu kennen scheinen. Die Erklärungen zu diesen Phänomenen werden ebenfalls leicht verständlich präsentiert. Für die Eltern sind diese sehr beeindruckend und gut nachvollziehbar. Aufmerksam lauschen sie den Ausführungen des Psychologen.
Immer wieder führen einzelne Alltagsbeschreibungen dazu, dass wir uns ein Lachen nicht verkneifen können. Man fühlt sich an typische Situationen mit den eigenen Kindern erinnert und ist erleichtert, dass diese ›Probleme‹ offensichtlich auch anderen Eltern bekannt sind. Der Psychologe berichtet vorwurfsfrei davon und seine Ideen für alternative Umgangsweisen klingen ebenfalls ganz nachvollziehbar.
Jetzt ist es an der Zeit, Fragen an den Erziehungsexperten zu richten. Der freundliche Herr ergreift wieder das Wort und sagt, dass nunmehr gut eine Stunde Zeit sei für Fragen und ein gemeinsames Gespräch. Aber falls sich niemand melden sollte, müssten trotzdem alle noch eine Stunde hier sitzen bleiben, scherzt er. Diese Äußerung führt zu einem erneuten Lachen und schafft eine lockere Stimmung für die Fragerunde, die gleich rege in Anspruch genommen wird. Durch das Gespräch und die Antworten weitet sich das Themenspektrum immer mehr aus. Auch kommen die Eltern untereinander teilweise sehr lebhaft ins Gespräch. Man tauscht Erfahrungen aus und gibt sich gegenseitig hilfreiche Hinweise auf konkrete Unterstützungsangebote.
Die Stunde vergeht wie im Flug und der Moderator weist schließlich darauf hin, dass er sehr gerne noch vor Ende der Veranstaltung von den anwesenden Eltern erfahren möchte, welche anderen Themen sie denn beschäftigen und interessieren. »Wozu möchten Sie beim nächsten Mal Informationen bekommen?« Nach einer kurzen und regen Diskussion einigt sich die Gruppe auf ein neues Thema für den kommenden Elternabend. Der Moderator verspricht, alle wieder rechtzeitig über die nächste Veranstaltung zu informieren und bittet sie, auch ihre Nachbarn, Freunde und vor allem die Väter mitzubringen, was zu einem erneuten Lacher der anwesenden Mütter führt. Die Veranstaltung ist nun offiziell beendet. Doch in Kleingruppen wird noch weiter diskutiert und auch der Psychologe wird nun noch mal persönlich konsultiert. Die Kinder kommen aus dem Kinderklub zurück und allmählich machen sich alle auf den Heimweg.