Tassew Shimeles (Gründer der Internationalen Gärten Göttingen e.V. und Praxisbeirat im Netzwerk Interkulturelle Gärten) beantwortet die Fragen der Redaktion.
Welche Entstehungsgeschichte steckt hinter den Internationalen Gärten Göttingen?
Eigentlich angefangen hat alles 1995. Hier in Göttingen gibt es ein Flüchtlingsberatungszentrum, getragen von Caritas und Diakonie. Migrantinnen und Migranten bekommen dort Hilfe und Tipps zu allen (sozial-)rechtlichen Fragen.
Viele von diesen Menschen haben schlimme Erfahrungen gemacht, wenn sie in Deutschland ankommen, sind regelrecht entwurzelt. So kam in diesem Umfeld die Idee auf, diesen Menschen die Möglichkeit zu geben Kontakte zu knüpfen, aktiv zu werden, sich wieder zu verwurzeln.
Wo geht das besser als in einem Garten – zumal gerade die Flüchtlingsfrauen aus Bosnien und Serbien die Gartenarbeit aus ihrer Heimat kannten. Ich wurde gebeten, das Projekt zu begleiten (ich bin ja Agraringenieur und zudem selbst Migrant) und so haben wir 1996 die Internationalen Gärten gegründet.
Welche Hindernisse gab es (z. B. bei der Gründung / im weiteren Vereinsalltag)?
Die Gründung war erst der Anfang. Denn um unsere Vision mit Leben zu füllen, brauchten wir ja ein passendes Grundstück. Das war unser größtes Problem. Drei Jahre lang haben wir hier in Göttingen gesucht. Auf eine Zeitungsannonce hin hat sich dann jemand gemeldet und uns eine Baulücke zwischen zwei Häusern angeboten. Das war am Kaltenborn – ein schönes Omen, da Born ja so etwas wie Quelle bedeutet!
Heute sind die Kommunen und viele Menschen offener geworden und beginnen, unsere Arbeit anzuerkennen, aber das war ein langer Prozess. Vertreter von Politik und Stiftungen, aber auch Umweltverbände und die Zivilgesellschaft sind uns lange mit der Haltung »Baut Eure Tomaten an, aber lasst uns in Ruhe.« entgegengetreten. Niemand hat uns ernst genommen. Das hat sich inzwischen geändert.
Aber unser größter interner Schwachpunkt ist nach wie vor die Bürokratie. Die offiziellen Wege verbrauchen viel Energie und Aufwand. Ein Beispiel: Wir haben sage und schreibe 17 Sitzungen gebraucht, um unsere Satzung niederzuschreiben! Können Sie sich das vorstellen? Damals kannten wir leider die Stiftung MITARBEIT noch nicht.
Wie sind Sie auf den Wegweiser Bürgergesellschaft / die Stiftung MITARBEIT gestoßen? Welche Fragen hatten Sie konkret?
In unserem Netzwerk Interkulturelle Gärten arbeiten wir inzwischen mit 110 Projekte in ganz Deutschland zusammen. Immer wieder gibt es einen großen Bedarf, unterschiedliche Fragen zum Themenbereich Vereinsrecht loszuwerden, der ja mitunter recht komplex und sperrig daherkommt.
Auf der Suche nach einem passenden Referenten ist meine Kollegin auf Dr. Hüttig gestoßen, mit dem wir inzwischen bereits vier Seminare in ganz Deutschland veranstaltet haben.
Wie sah der Beratungsprozess aus?
Die Praxisseminare stehen unter dem Motto »Der Verein, das unbekannte Wesen« und behandeln alle Fragen rund um die Vereinspraxis. Im Voraus erfragen wir jeweils bei den teilnehmenden Gärten den Informationsbedarf, so dass wir vorab ein individuelles Programm erarbeiten können.
Während des Seminars selbst schafft Herr Hüttig es, dieses doch recht trockene Thema lebendig und so anschaulich zu vermitteln, dass es jedem einleuchtet. Dabei beantwortet er souverän und koordiniert alle Fragen – auch wenn diese manchmal kreuz und quer durcheinandergehen! Man merkt, dass er mit Spaß bei der Sache ist und Ahnung hat. Und nicht zuletzt ist es ihm – genau wie uns auch – wichtig, die Teilnehmer zu befähigen, ihre Probleme rund ums Vereinsrecht möglichst selbst zu lösen.