Seite 1: Geeignete Bündnispartner/innen finden
Der Berliner Energietisch ist ein parteiunabhängiges Bündnis aus verschiedenen (lokalen) zivilgesellschaftlichen Initiativen und Organisationen. Das Bündnis setzt sich für eine demokratische, ökologische und soziale Energieversorgung Berlins auf der Basis Erneuerbarer Energien ein.
Geeignete Bündnispartner/innen finden
Im Vorfeld der Abgeordnetenhauswahl im September 2011 gab es dann erste Gesprächsrunden zwischen der oben genannten Kerngruppe und Vertreter/innen der Parteien sowie interessierten Vertreter/innen weiterer lokaler Initiativen und Organisationen. Gleichzeitig wurde im Sommer 2011 der Berliner Energietisch als eine offene Plattform ins Leben gerufen.
Nachdem die Rekommunalisierung der Berliner Energieversorgung im nach der Wahl verabschiedeten Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU lediglich als Prüfauftrag verankert wurde, beschloss der Berliner Energietisch, seine im Vorfeld der Wahlen ausgesprochene Ankündigung wahr zu machen und ein Volksbegehren zur Rekommunalisierung der Berliner Energieversorgung zu starten. Schnell wurde jedoch klar, dass für eine solch langjährige und ressourcenintensive Kampagne ein tragfähiges Bündnis aufgebaut werden musste.
Um das Bündnis auf eine breite gesellschaftliche Basis zu stellen, sollten jedoch nicht nur Initiativen und Organisationen aus dem Umweltbereich angesprochen werden.
Dementsprechend wurde in einem ersten Schritt die gesamte Berliner NGO-Landschaft durchforstet und eine lange Liste potentieller Bündnispartner/innen erstellt. Die Ansprache möglicher Bündnispartner/innen erfolgte zuerst per E-Mail. Gab es keine Rückmeldungen, so wurde noch einmal telefonisch nachgehakt. Wurde Interesse an der Mitarbeit geäußert, stellten Vertreter/innen des Berliner Energietisches die geplante Kampagne vor Ort in einem persönlichen Gespräch vor. Vertreter/innen des Energietisches nahmen so im Vorfeld des Volksbegehrens an unzähligen Treffen teil.
Seite 2: Zentrale Akteur/innen und Ressourcen gewinnen
Zentrale Akteur/innen und Ressourcen gewinnen
In jedem Fall angesprochen wurden diejenigen Akteurinnen und Akteure der Berliner NGO-Szene, die nach eingehender Analyse für den Erfolg der Kampagne von zentraler Bedeutung sein konnten. Dieses Vorgehen ist auch deshalb wichtig, weil »große Namen« oft als Türöffner für weitere Bündnispartner dienen.
Hinter diesem Vorgehen steht zugleich die Überlegung, dass bekannte Schlüsselakteure in der Regel bereits über einen etablierten Zugang zu Politik und Presse verfügen, den sich unbekanntere Organisationen erst noch erarbeiten müssen und der nicht nur für den Start einer Kampagne wichtig ist.
Die Erfahrung zeigt zudem, dass auch die Bürgerinnen und Bürger genau darauf achten, ob bei Bündnissen ihnen bekannte Initiativen mit dabei sind. Wenn ja, wirkt dies fast schon wie ein »Qualitätssiegel«. Ein Bündnis zu ökologischen Fragen wird deshalb darauf achten müssen, bekannte Umweltverbände mit an Bord zu haben. Aber auch der Aha-Effekt sollte nicht unterschätzt werden, wenn neben den »üblichen Verdächtigen« auch solche Initiativen dabei sind, die in der Öffentlichkeit nicht sofort mit einem bestimmten Thema in Verbindung gebracht werden.
Im Einzelfall einer geplanten Kampagne ergeben sich jeweils weitere individuelle Gründe, die für die Einbeziehung von weiteren Unterstützer/innen sprechen können. Bei einem wie im Falle des Berliner Energietisches geplanten Volksbegehrens müssen in kurzer Zeit abertausende Unterschriften gesammelt werden. Daher wurden für das Vorhaben solche Organisationen gesucht, die über eine hohe Reichweite und eine breite Mitgliederbasis verfügen. So druckten beispielsweise einige Bündnispartner/innen die Unterschriftenliste für das Volksbegehren in ihren Mitgliedszeitschriften ab oder legten diese bei. Andere Organisationen waren wichtig, da sie viele freiwillige Helfer/innen mobilisieren konnten.
Über die Aufnahme von Organisationen, die von sich aus auf das Bündnis zukamen, wurde in großer Runde nach einem allgemein akzeptierten Verfahren entschieden. Eine intensive Diskussion führten die Beteiligten darüber, ob auch Parteien dem Bündnis beitreten dürfen. Hier bestand nach Ansicht der Mehrheit die Gefahr, dass Parteien das Volksbegehren zu stark für sich vereinnahmen könnten. Der Energietisch entschied sich schließlich dazu, Parteien nicht als Bündnispartner/innen aufzunehmen. Auf der Kampagnenseite im Netz wurde jedoch aufgeführt, welche Parteien von sich aus beschlossen hatten, das Volksbegehren zu unterstützen.
Auch finanzstarke Organisationen haben natürlich ihre Bedeutung bei der Auswahl geeigneter Bündnispartner/innen.
In dem Zusammenhang ist es allerdings wichtig, sich vor dem Kampagnenstart über den Umgang mit Geldgebern wie Stiftungen und Großspender/innen zu einigen. In Berlin gibt es eine gesetzlich vorgeschriebene Veröffentlichungspflicht von Spenden über 5.000 Euro. Insoweit war auf der Kampagnenseite ersichtlich, wer finanziell hinter dem Volksbegehren stand. Da die Kampagne zu fast gleichen Anteilen durch Kleinspenden, Bündnispartnerbeiträge und Stiftungen/Großspendern finanziert wurde, tat sich der Energietisch mit der Veröffentlichung auch nicht schwer
Seite 3: Weitere Faktoren
Kleine Gruppen und Einzelpersonen nicht unterschätzen
Neben der Gewinnung zentraler Akteure sollten gleichzeitig vermeintlich kleine und in der Öffentlichkeit eher unbekannte Gruppen sowie das Engagement von Einzelpersonen nicht unterschätzt werden. So waren beim Volksbegehren des Energietisches einzelne ehrenamtlich Aktive aus kleinen Initiativen besonders treue Unterstützer/innen der Kampagne, die bei fast allen Aktionen dabei waren und auf der Straße hunderte Berliner Bürgerinnen und Bürger für das Thema begeisterten. Dies ist für ein Volksbegehren besonders notwendig, da die Bürger/innen selbst aktiv werden und in ihrem Bekanntenkreis weitere Unterschriften sammeln sollen.
Aber auch für die Außenwirkung einer Kampagne sind Vielfalt und Engagement dieser vielen kleinen Gruppen wichtig. Sie zeigen die gesellschaftliche Relevanz des Themas auf und bilden für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen Brücken zum Engagement.
Durch die Vielfalt der Bündnisgruppen wird für die Öffentlichkeit offensichtlich, dass sich ein Thema aus ganz vielen Blickwinkeln betrachten lässt. Dadurch können auch die Zielgruppen einer Kampagne viel leichter und authentischer angesprochen werden.
Zu einem Treffen mit einer Arbeitsloseninitiative wird man sicher jemand anderes entsenden als zu einem Treffen im Senior/innenheim oder bei einer Energiegenossenschaft.
Gemeinsames Selbstverständnis entwickeln
Gerade bei heterogenen Bündnissen ist es wichtig, frühzeitig ein gemeinsames Selbstverständnis der Beteiligten zu entwickeln.
Es gilt, sich so früh wie möglich auf eine im Idealfall partizipativ erarbeitete, inhaltliche Botschaft zu einigen.
Bereits im Vorfeld der geplanten Kampagne des Berliner Energietischs hatten sich die Initiator/innen der ersten Stunde auf gemeinsame Grundüberzeugungen geeinigt, die als Basis der gemeinsamen Arbeit dienen konnte. Diese erste Übereinkunft bildete dann den inhaltlichen Rahmen, in dem im Zuge des geplanten Volksbegehrens die Erarbeitung eines verbindlichen Gesetzentwurfs möglich wurde. Für die Arbeit des Bündnisses und die Ansprache möglicher Unterstützer/innen bildeten das Selbstverständnis und der Gesetzentwurf die inhaltliche Grundlage, der sich neue Bündnispartner/innen anschließen konnten oder eben nicht.
Eine wichtige Frage der Öffentlichkeitsarbeit in Bündnissen ist, wer im Namen aller sprechen darf und wer die Gemeinschaft nach außen vertritt. Gibt es hier keine klaren Absprachen, droht eine unkoordinierte Außendarstellung, die sich in der Folge nicht selten auch auf das Binnenklima eines Bündnisses auswirkt.
Sich in der Praxis auf wenige Sprecher/innen zu beschränken, ist für die Medienkommunikation deshalb oft von Vorteil. Die Herausforderung ist es, Personen zu finden, die das gesamte Bündnis repräsentieren und nicht als Vertreter/in einer Bündnisorganisation wahrgenommen werden. Die damit in der Regel verbundene starke Personalisierung wird jedoch von basisdemokratischen Gruppen häufig abgelehnt. Um klare Ansprechpartner/innen für Presse und Politik zu schaffen, hat sich der Berliner Energietisch in der Hochphase seiner Kampagne dazu entschlossen, zwei Sprecher/innen zu wählen, die den Energietisch in der Öffentlichkeit vertreten durften.
Bewährt hat sich auch die Einrichtung einer Pressegruppe. In Pressemitteilungen können dann z.B. unterschiedliche Akteure für ihre Organisation auftauchen und für das Bündnis sprechen.