Gewalt, Aggression nach Nolting

Hans-Peter Nolting unterscheidet einen engeren und einen weiteren Aggressionsbegriff.

Der weiter gefasste Aggressionsbegriff geht meist vom lateinischen Ursprung des Wortes aggredi (= herangehen, begreifen, sich annähern, unterne-men) aus. Problem bei diesem weiten Verständnis ist, dass dann Aggression im Grunde dieselbe Bedeutung hat wie Aktivität. Tatkraft und zerstörende Aktivitäten (Destruktion) werden so in einen Topf geworfen.

Von den meisten AutorInnen wird deshalb ein engerer Aggressionsbegriff bevorzugt.

Aggression ist danach ein Verhalten, dessen Ziel

  • eine Beschädigung
  • eine Verletzung oder
  • die Einschüchterung (Angsteinflößung)

eines anderen Menschen ist. Aggressive Verhaltensweisen sind also solche, die Individuen oder Sachen aktiv Schaden zufügen, schwächen oder in Angst verset-zen.


Wichtig ist nach Hans-Peter Nolting die Schädigungsabsicht, nicht aber das Ziel der Handlung. Aggressiv handelt, wer eine »andere Person zu verletzen versucht oder zu verletzen droht, unabhängig davon, was letztlich das Ziel dieser Handlung ist.«

Beispiel

Die Ohrfeige des Vater, der mit der Ohrfeige bezweckt, das Verhalten des Kindes zum Positiven zu verändern, ist eine aggressive Handlung; das versehentliche Auf-den-Fuß-treten nicht.

Formen der Aggression sind:

  • physische Form: Schlagen, Töten, körperliches Bedrohen
  • verbale Form: Schimpfen, Spotten, mimische Ausdrucksweisen
  • emotionale Form: Ärger, Wut, Groll, Hass

In vielen Fällen ist aggressives Verhalten ein Versuch, ein bestimmtes Problem zu lösen. Aggressives Verhalten wird dann »instrumentell« eingesetzt, das heißt, es wird versucht, auf diese Weise bestimmte Ziele zu erreichen.

»Typische« Aggressionsziele sind zum Beispiel:

  • Durchsetzung eigener Wünsche und Interessen, die mit Wünschen anderer im Konflikt stehen
  • Beachtung durch andere finden
  • Reaktion auf Aggression anderer (Abwehr)
  • Vergeltung erlittener Aggressionsakte

Um Aggression von Gewalt abzugrenzen, orientiert sich Nolting am geläufigen Sprachgebrauch. Danach ist Gewalt vor allem die schwerere, insbesondere kör-perliche Aggression. Schimpfen und böse Blicke sind danach aggressives, nicht aber gewalttätiges Verhalten.

Literaturtipp

Nolting, H.-P.: Lernfall Aggression, Rowohlt: Reinbek, 1997
Hacker, F.: Aggression, Ullstein: Frankfurt am Main, 1985