Erkenntnisse, kritische Punkte, Fazit

Erkenntnisse

Insgesamt hat sich aktivierende Befragung als Einstieg in die 3-jährige Projektphase bewährt. Durch die Befragung von mehr als 300 Haushalten im Quartier konnte nachvollzogen werden, wie die jeweiligen Gesellschaften mit ihren Mieter/innen, Reparatur- und Investitionsbedarfen, Belegungspolitik und dem Wohnumfeld umgehen. Viele Mieter/innen fühlten sich durch mangelndes Verantwortungsgefühl der Immobiliengesellschaften mit ihren Problemen allein gelassen zeigten sich frustriert und wütend hinsichtlich maroder Dächer, Schimmel in den Wohnungen, bröckelnder Fassaden und dreckiger Hausflure. Im Rahmen der Bewohnerversammlung wurden die Schwierigkeiten von der Presse thematisiert und damit der Druck auf die Immobiliengesellschaften erhöht. Durch die Etablierung einer Steuerungsgruppe zum Projekt und den Einbezug der Mieter/innen in die weiteren Schritte konnten die Bedürfnisse im Anschluss an die Befragung aufgegriffen werden.

Gerade mit Blick auf die Befragung geflüchteter Familien, alter und kognitiv beeinträchtigter Menschen war die Befragung durch Expert/innen aus dem Stadtteil vorteilhaft. Hier stand nicht das eigentliche Ziel der Befragung im Vordergrund, sondern die anschließende Unterstützung im Einzelfall. Auch konnte festgestellt werden, dass sich Migrantenfamilien weniger über die sprachintensive aktivierende Befragung erreichen ließen, sondern die Ansprache eher über Kinderangebote, aufsuchende Angebote wie eine »Spieletonne« oder ein mobiles Tee-Café im Quartier gelang.

Weitere praktische Erkenntnisse:

  • Die meisten Menschen konnten nachmittags und am frühen Abend angetroffen werden.
  • Die Gespräche dauerten zwischen 5 und 30 Minuten und ein Großteil der Menschen im Quartier war an einem Gespräch interessiert, obwohl Sprachbarrieren intensivere Gespräche zum Teil verhinderten.
  • Die 2er-Teams waren im Idealfall jeweils mit einer Fachkraft und einem/einer Studierenden sowie männlich und weiblich besetzt.
  • Für möglichst genaue Ergebnisse war eine zeitnahe Auswertung der Gespräche sinnvoll.
  • Es hat sich bewährt, zentrale Ergebnisse der Befragung auf Plakate zu drucken und diese nicht nur bei der Versammlung, sondern auch danach gut sichtbar im Quartier aufzuhängen. Dies sorgte im Anschluss an die Befragung für rege Diskussionen und erhöhte die Aktivitätsbereitschaft.

Kritische Punkte

  • Die zeitnah an die Befragung anschließende Bewohnerversammlung wurde eher von Langzeitmieter/innen besucht, die sich sehr interessiert an den Ergebnissen und der Möglichkeit der öffentlichkeitswirksamen Kritikäußerung zeigten, aber nicht unbedingt ein Engagement im Anschluss an die Versammlung anstrebten. Einige aktive Mieter/innen schlossen sich jedoch den bestehenden Mieter/inneninitiativen an.
  • Umfangreiche Modernisierungsarbeiten, die auch eine Folge des Projekts waren, erforderten kontinuierliche Gespräche mit den Mieterinitiativen und der Wohnungswirtschaft, um modernisierungsbedingt steigende Mietpreise und die Verdrängung von Mieter/innen zu vermeiden. Gänzlich war dies jedoch nicht möglich.
  • Obwohl die Verbesserung der Spielplätze im Quartier ein zentrales Thema der Befragung war und viele Bewohner/innen bereit waren, sich hierbei aktiv einzubringen, gelang eine Umsetzung des Vorhabens trotz Absprache mit den Immobiliengesellschaften nur bedingt. Hohe Kosten bei gleichzeitig geringen Gewinnerwartungen begrenzten die Gestaltung der Spielplätze auf kleine Maßnahmen.
  • Der Verkauf eines Bauunternehmens nach ca. einem Jahr machte alle bis dahin getroffenen Absprachen zunichte. Die Zusammenarbeit wurde auch mit dem neuen Eigentümer fortgesetzt, Mieter/innen und Quartiermanagement standen jedoch wieder am Anfang der Gespräche.

Fazit

Letztendlich bleibt die Vermittlung zwischen Quartiermanagement, Mieterinitiativen und privaten, primär profitorientierten Immobiliengesellschaften ein Balanceakt zwischen Kooperation und Konfrontation, bei dem Beharrlichkeit hinsichtlich der zentralen Anliegen und Rechte der Mieterschaft ein wichtiger Punkt ist. Es wurde jedoch auch deutlich, dass es im Zuge der verbindlichen Kooperation gelingen kann, den Willen der Mieter/innen aufzugreifen und organisierte, kollektive Interessen konstruktiv mit der Immobilienwirtschaft ins Gespräch zu bringen. Die aktivierende Befragung ist insbesondere als Einstieg eine gute Grundlage, die durch weitere Schritte der Unterstützung und Organisation von Mieter/innen sowie kontinuierlichen Gesprächen mit den Unternehmen ergänzt werden muss.